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FRAUEN/361: Pakistan - Schulmädchen trotzen dem Terror der Taliban, Lernen in zerbombten Schulen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Januar 2012

Pakistan: Schulmädchen trotzen dem Terror der Taliban - Lernen in zerbombten Schulen

von Asfaq Yusufzai


Peschawar, 5. Januar (IPS) - Nach zahllosen gezielten Angriffen und Selbstmordattentaten auf staatliche Schulen läuft in vielen Bezirken der Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA) im Nordwesten Pakistans der Schulbetrieb allmählich wieder an. Obwohl die dort agierenden Taliban militante Gegner einer säkularen Schulbildung für Frauen sind, wächst die Zahl der Mädchen, die den Unterricht besuchen.

Weil viele Schulen immer noch in Trümmern liegen, findet der Unterricht häufig in Zelten oder unter freiem Himmel statt.

Im Mai 2009 hatte eine Bombe die höhere Schule in Kumbar in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa schwer beschädigt. "Sie ist bis heute nicht repariert", klagte Kulsoom Bibi. Die Schülerin besucht die 9. Klasse der staatlichen Oberschule für Mädchen im Bezirk Timergara Dir.

"In der Region hat sich die Sicherheitslage seit vergangenen Monat zwar verbessert, doch am 21. Dezember flogen wieder zwei Schulen in die Luft", erklärte der für den Bezirk Chasadda zuständige Bildungsbeamte Pervaiz Khan. Er berichtete von 13 Schulen, die hier im Dezember zerstört wurden.

Nach Angaben des stellvertretenden Leiters der Bildungsbehörde von Khyber Pakhtunkhwa, Pervez Khan, haben die Taliban in dieser Region und in den angrenzenden Stammesgebieten insgesamt 971 Schulgebäude in Schutt und Asche gelegt. "Und sie machen weiter. Jetzt gehen sie auch gegen Schulen in den früher als sicher geltenden Bezirken Mardan, Charsadda, Swabi, Nowshera und Peshawar vor."

Seit 2006 haben Kämpfer allein in Dir, einem der 25 Bezirke in Khyber Pakhtunkhwa, 33 Schulen zerbombt, berichtete der zuständige Bezirksleiter Khursheed Ali. "Die Instandsetzung von elf Schulen hat inzwischen begonnen. Für den Wiederaufbau sämtlicher Schulgebäude fehlt der Regierung das Geld."

Auch wenn der Schulbetrieb wieder aufgenommen wurde, bleiben viele Jungen und Mädchen aus Furcht vor den Taliban zu Hause. Die Schulleiterin Ayesha Bibi sagte: "Die Angriffe der Taliban auf Schulgebäude hat rund 3.000 Schüler um den Unterricht gebracht. Inzwischen hat uns die Regierung 20 Zelte geschickt, in denen wir sie jetzt unterrichten."

Ihsanullah Ihsan, Sprecher der verbotenen 'Tehreek Taliban', versicherte in einem Telefongespräch mit IPS: "Wir haben nichts gegen Schulbildung. Doch diese Schulen sind die Quelle moderner, liberaler Bildungsinhalte, die der Islam verbietet."


Bombendrohung und Kopftuchzwang

Ende November war es der Polizei im Bezirk Shah Dand in Mardan gelungen, eine vor der staatlichen Oberschule für Mädchen platzierte Bombe rechtzeitig vor Schulbeginn zu entschärfen. Wenig später hätte der Sprengsatz Dutzenden Schülerinnen das Leben gekostet. Drei Monate zuvor hatten die Taliban in einem Drohbrief die Schulleitung aufgefordert, den Kopftuchzwang für ihre 1.000 Schülerinnen einzuführen.

Viele Mädchen, mit denen IPS sprach, lassen sich dennoch nicht einschüchtern. "Mit der Schule aufzuhören würde bedeuten, einen lange gehegten Traum der Taliban zu erfüllen", sagte Kausar Bibi. Die 16-Jährige, die die staatliche Oberschule in Mardan besucht, erklärt: "Der Islam spricht sich für die Schulbildung von Jungen und Mädchen aus. Warum nur kämpfen die Militanten dagegen und zerstören Schulen?"

In der Oberschule für Mädchen in Domail im FATA-Bezirk Bannu warten die Schülerinnen auf die im September angekündigte Instandsetzung ihrer demolierten Schule. Bis es soweit ist, sitzen die 800 Mädchen auf Matten, die sie sich von zu Hause mitbringen.

Unterdessen wartet der Schulminister der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Sardar Hussain Babak, auf die von etlichen Gebern zugesagte finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau der Schulen. Im Swattal, wo Kämpfer zwischen 2007 und 2009 255 Schulgebäude zerstört hatten, sei der Wiederaufbau von 127 Schulen angelaufen. Zum Schutz der Gebäude habe die Regierung in den Dörfern Komitees eingesetzt. (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2012