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FRAUEN/510: UN-Frauenschutzberater als neue Waffen im Kampf gegen sexuelle Gewalt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juli 2013

UN: Frauenschutzberater als neue Waffen im Kampf gegen sexuelle Gewalt

von Thalif Deen


Bild: © Einberger/argum/EED/IPS

Das kongolesische Vergewaltigungsopfer Angeline Mwarusena lebt in einem Dorf, das noch immer von Milizen bedroht wird
Bild: © Einberger/argum/EED/IPS

New York, 17. Juli (IPS) - Trotz einer UN-Politik der 'Null-Toleranz' gegenüber sexueller Gewalt wurden in vielen Konfliktgebieten etwa im Südsudan, in der Demokratischen Republik (DRC), in Norduganda, Somalia und der Zentralafrikanischen Republik sowie in jüngerer Zeit auch in Ägypten und Syrien Vergewaltigungen begangen. Die Vereinten Nationen wollen nun Frauenschutzberater einsetzen, um den Gräueln entgegenzuwirken.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon beschrieb im letzten Monat vor dem Sicherheitsrat sexuelle Gewalt als Form der 'Kriegsführung'. Sie sei in allen Konfliktregionen dieser Welt anzutreffen und zerstöre das Leben der Betroffenen und das soziale Gefüge ganzer Gemeinschaften. "Sexuelle Gewalt ist nach internationalem Recht eine Menschenrechtsverletzung und eine Gefahr für Frieden und Sicherheit."

Da die meisten Vergewaltigungen in Konfliktgebieten stattfinden, in denen UN-Friedensmissionen stationiert sind, will die Weltorganisation eine Armee von Frauenschutzberatern (WPAs) in die betreffenden Regionen entsenden, damit sie die sexuelle Gewalt in Kriegsgebieten bekämpfen. Für den Anfang werden sie zusammen mit den im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik, in Côte d'Ivoire, der DRC, in Mali und Somalia stationierten Blauhelmen eingesetzt.

Auf die Frage, ob die WPAs ausschließlich in Afrika aktiv werden sollen, antwortete André-Michel Essoungou von der UN-Hauptabteilung für Friedensmissionen und Feldunterstützung, dass sich die Einsätze nicht auf eine bestimmte Weltregion beschränkten. Doch werden diese Missionen den Anfang machen. Er fügte hinzu, dass die Rekrutierungsverfahren der WPAs inzwischen angelaufen seien.


Ausbildung gefordert

Marcy Hersh, Frauenrechtsberaterin bei der Flüchtlingsorganisation 'Refugees International', erklärte gegenüber IPS, dass ihre Vereinigung darauf drängen werde, die WPAs auf ihre künftigen Einsätze angemessen vorzubereiten. Auch sollten die Berater dazu ermutigt werden, die existierenden humanitären Strukturen zu nutzen. Zusätzlich sollten sie mit grundlegenden, nicht verhandelbaren Ermittlungskriterien vertraut gemacht werden. Es gelte die Würde und Sicherheit überlebender Vergewaltigungsopfer zu wahren.

Wie sie weiter betonte, deckt sich die Resolution 2106 des UN-Sicherheitsrates inhaltlich mit den Empfehlungen für einen rechtzeitigen Einsatz von WPAs, eine angemessene Schulung und eine sektorenübergreifende Koordinierung. "Ich bin zuversichtlich, dass die Vereinten Nationen energisch daran arbeiten werden, die Einsätze der WPAs zu perfektionieren."

Ferner müssten die WPAs auf der Grundlage zeitnaher, objektiver und verlässlicher Informationen Präventiv- und Gegenmaßnahmen ergreifen, um die Sicherheit und Würde von Vergewaltigungsopfern zu garantieren.

Der UN-Generalsekretär berichtete, dass die UN-Frauenorganisation und die Hauptabteilung für Friedensmissionen (DPKO) im Auftrag des UN-Aktionsnetzwerks das "bislang erste Szenario-basierte Trainingsprogramm für Blauhelme durchgeführt hat". UN-Soldaten und Helfer waren in der Vergangenheit selbst sexueller Übergriffe beschuldigt worden - insbesondere im Südsudan, in der DRC, in Côte d'Ivoire und Haiti.

Die Vereinten Nationen wollen auch ein Expertenteam auf das Thema Rechtstaatlichkeit und sexuelle Gewalt ansetzen. Das Team hat bereits der Zentralafrikanischen Republik, Kolumbien, Côte d'Ivoire, der DRC, Guinea, Liberia, Somalia und dem Südsudan Empfehlungen unterbreitet, wie sie ihre nationalen Rechtssysteme stärken und die erforderlichen Rechtsrahmen schaffen können.


Straffreiheit

Zainab Hawa Bangura, die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten, wies darauf hin, dass die Weltorganisation vor 20 Jahren "schlagende Beweise" für die systematische Vergewaltigung von Frauen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens vorgelegt habe. Während eines Besuchs in Bosnien, wo etwa 50.000 Frauen vergewaltigt worden beziehungsweise sexueller Gewalt zum Opfer gefallen waren, musste sie feststellen, dass nur einige wenige Fälle vor Gericht gekommen seien. Die Überlebenden dieser Verbrechen lebten bis heute in einer Grauzone, ohne die Möglichkeit, die traumatischen Erlebnisse zu überwinden, meinte sie.

Ende Juni hatten die Vereinten Nationen etliche Vergewaltigungen von Mädchen im Alter von 18 Monaten bis zwölf Jahren in der DRC als "inakzeptabel" bezeichnet. Zwei der Opfer, die mit schweren inneren und äußeren Verletzungen in einer Klinik in Süd-Kivu behandelt wurden, sind inzwischen gestorben.

"Eine solche Gewalt, ein solcher Missbrauch ist inakzeptabel und muss ein Ende haben", meinte Roger Meece, Leiter der UN-Friedensmission in der DRC (MONUSCO). "Es heißt, dass derartige Übergriffe mit schädlichen traditionellen Praktiken in Verbindung stehen, die Einzelpersonen an Kindern verüben, die sie aus ihren Dörfern verschleppen."

Jüngeren Berichten zufolge wurden im letzten Jahr in Minova im Osten der DRC 135 Frauen und Mädchen von Regierungssoldaten vergewaltigt. Frankreichs Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem erklärte gegenüber Journalisten auf einer UN-Pressekonferenz im letzten Monat, dass Kritik allein an solchen Verbrechen nicht ausreiche. Die Täter müssten strafrechtlich verfolgt werden. "Frankreich reagiert sehr empfindlich auf derartige Gräuel, unabhängig davon, ob sie nun von Rebellen oder von Regierungssoldaten begangen wurden." (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/07/u-n-deploys-women-protection-advisers-to-curb-sexual-violence/

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IPS-Tagesdienst vom 17. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2013