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FRAUEN/529: Probleme politisch verfolgter Frauen und Migrantinnen aus Simbabwe (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 125, 3/13

Zuflucht in Südafrika?
Probleme politisch verfolgter Frauen und Migrantinnen aus Simbabwe

Von Rita Schäfer



Seit Beginn der politischen und wirtschaftlichen Krise in Simbabwe im Jahr 2000 hat ein Großteil der erwachsenen Bevölkerung das Land verlassen. Über 40 Prozent der Geflohenen sind Frauen. In Südafrika erweitern sie ihre wirtschaftlichen Handlungsspielräume, dort müssen sie aber auch erneute Gewaltübergriffe fürchten.


Südafrika gilt in vieler Hinsicht als Vorreiter auf dem Kontinent. Seine demokratische und wirtschaftliche Entwicklung gilt als vorbildlich. Auch die nach der politischen Wende 1994 begonnenen Rechtsreformen, umfassende Gleichheitsgrundsätze, Leitlinien zur Gender-Politik und Empowerment-Programme sind im Ländervergleich richtungweisend. Diese Maßnahmen sollen die mehrfache Benachteiligung schwarzer Frauen während der Apartheid (1948-1994) überwinden.

Allerdings ist die systematische Umsetzung wegen der frauenfeindlichen Einstellung vieler männlicher Führungskräfte weiterhin eine Herausforderung. Mit den Schwierigkeiten, Rechtsgrundlagen in der Realität zu verwirklichen, sind vor allem Migrantinnen konfrontiert. Zwar loben etliche politische Beobachter die gender-neutralen Einwanderungs- und Asylgesetze Südafrikas, dennoch verschleppen die Behörden die Anträge oft über Jahre, und die Antragsstellerinnen leben in ständiger Unsicherheit.

Für Frauen aus Simbabwe ist die Situation in mehrfacher Hinsicht schwierig. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass über 1,5 Millionen Menschen aus Simbabwe im Nachbarland Südafrika leben. Sie bilden dort die größte Gruppe von Migrant_innen, gefolgt von mehreren hunderttausend Männern aus Mosambik, die als Wanderarbeiter oder Bürgerkriegsflüchtlinge während der 1990er-Jahre kamen und in Südafrika geblieben sind. Die meisten Migrant_innen haben keinen legalen Aufenthaltsstatus.


Arbeitsverhältnisse

Bis Ende 2010 konnten die im regionalen Vergleich sehr gut ausgebildeten Simbabwer_innen eine temporäre Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung in Südafrika beantragen. Dazu entschied sich aber nur eine Minderheit; zu groß war die Sorge, die Registrierung sei der erste Schritt zur Deportation in die diktatorisch regierte und wirtschaftlich marode Heimat. Viele waren nach Südafrika gekommen, weil gravierende wirtschaftliche Fehlentscheidungen der simbabwischen Regierung ab dem Jahr 2000 einen dramatischen Rückgang der Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten zur Folge hatten. Hinzu kam die gewaltsame Verfolgung von Regimegegnerinnen und der Ehefrauen, Töchter und Schwestern von Regimegegnern. Auch diejenigen, denen Regimekritik unterstellt wurde, gerieten ins Visier folternder Sicherheitskräfte.

Simbabwerinnen arbeiten in Südafrika als Krankenschwestern, Farmarbeiterinnen oder Hausangestellte. Auch einige Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen haben frühere Verwaltungsfachfrauen eingestellt, denn sie verfügen über viel Berufserfahrung. Ein Fallstrick in diesem Kontext ist die Tatsache, dass südafrikanische Arbeitgeber für ausländische Fachkräfte keinen Mindestlohn zahlen müssen und arbeitsrechtliche Vorschriften unterlaufen. Hierdurch bestätigen sie ausländerfeindliche Vorurteile vieler Südafrikanerinnen, die meinen, Simbabwer_innen würden ihnen die umkämpften Arbeitsplätze wegnehmen.

Trotz umfangreicher Förderprogramme ist die Schulbildung etlicher Südafrikaner_innen immer noch so schlecht, dass Unternehmen und internationale Organisationen Simbabwerinnen bevorzugen. Deren Bildungssystem war nach der politischen Unabhängigkeit 1980 grundlegend reformiert und auf europäische Standards ausgerichtet worden. Hier hat Südafrika noch großen Nachholbedarf.

Die Beschäftigungs- und Einkommensoptionen in Südafrika ermöglichen Simbabwerinnen, ihre Familienmitglieder in der Heimat zu versorgen. Durchschnittlich schicken simbabwische Arbeitskräfte ein Drittel ihres Einkommens an ihre Herkunftsfamilien. Dadurch sichern sie deren Existenz, zahlen das Schulgeld für die Kinder und stärken die Wirtschaftskraft ihres Landes.

Mehrheitlich kommen Frauen zwischen 20 und 40 Jahren ohne ihre Kinder, die sie bei Verwandten zurücklassen. So sparen sie Kosten und müssen die Kinder nicht den latenten Anfeindungen an südafrikanischen Schulen aussetzen. Auch das oftmals herablassende Verhalten des Personals in Krankenhäusern bleibt ihnen erspart. Offiziell haben alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft ein Recht auf Behandlung, doch faktisch müssen Migrantinnen oder Flüchtlinge vielerorts lange warten, und Patientinnen werden unzureichend versorgt. Etliche Südafrikaner_innen meinen, Ausländer_innen aus afrikanischen Nachbarländern würden HI-Viren und Tuberkulose verbreiten. Einen schweren Stand haben simbabwische Krankenschwestern, die Versorgungslücken schließen, welche weiße Ärzte oder Krankenschwestern hinterlassen haben, die nach Großbritannien oder Australien emigriert sind. In vielen Berufsfeldern sind simbabwische Arbeitnehmerinnen mit xenophoben Anfeindungen und sexueller Belästigung konfrontiert. Viele sehen sich genötigt, diese zu erdulden, weil sie Kündigungen fürchten.

Manche Simbabwerinnen arbeiten im informellen Sektor als Kleinhändlerinnen. Flexibel passen sie ihre Produkte an die Präferenzen unterschiedlicher Käuferinnen an, mancherorts verlangen Verwaltungsmitarbeiter für Lizenzen Bestechungsgeld und drohen sogar mit sexueller Gewalt.


Gewalt und Gewaltprävention

Auch in ihrem oftmals problematischen Wohnumfeld erdulden etliche Simbabwerinnen geschlechtsspezifische Gewalt, etwa durch südafrikanische Jugendbanden. Frauen, die eine Aufenthaltserlaubnis haben oder als Flüchtlinge anerkannt sind, melden die Übergriffe nicht, weil sie vermeiden wollen, von der Polizei verhöhnt zu werden. Frauen ohne Aufenthaltsrecht melden die Übergriffe nicht den staatlichen Behörden, weil sie fürchten, deportiert zu werden. Einige suchen anonym bei Menschenrechtsorganisationen Hilfe, vor allem wenn die geschlechtsspezifische Gewalt mit xenophoben Anfeindungen von Seiten südafrikanischer Täter verbunden ist. Nur wenige Frauenorganisationen bieten Hilfe, sie sind zumeist auf südafrikanische Klientinnen ausgerichtet und haben zu wenig Personal.

Auch Sprachprobleme erschweren die Kommunikation; das professionelle Weiterleiten der Fälle an staatliche Behörden ist schwierig, weil simbabwische Gewaltopfer wegen der xenophoben Einstellungen von Polizisten oder Ärzten den Weg zu diesen Instanzen scheuen. Umso wichtiger sind Programme von Menschenrechtsorganisationen, die gender-sensible Beratungen anbieten und auf Einstellungsveränderungen der Mitarbeiter in Behörden abzielen. Sie arbeiten ganz konkret an der Überwindung von Vorurteilen, und an ihren Kursen für das Personal staatlicher Einrichtungen wirken Migranteninnen mit.

Inzwischen kooperieren die in Menschenrechtsorganisationen tätigen Juristen_innen mit dem "Sonke Gender Justice Network". Dieses Netzwerk eint Männer, die sich für die Überwindung geschlechtsspezifischer Gewalt und sexistischer Vorurteile einsetzen. Zu ihren Zielgruppen zählen Männer in Führungsfunktionen, Mitarbeiter in Behörden und Lehrer. Das "Sonke Gender Justice Network" versteht sich als profeministischer Allianzpartner von Frauenorganisationen. Es beruft sich auf die südafrikanische Verfassung und die Gender-Politik, zu deren Umsetzung staatliche Einrichtungen verpflichtet sind.


Lesetipp:
Sigsworth, Romi/ Ngwane, Collet/ Pino, Angelica (2008): The gendered nature of xenophobia in South Africa, Centre for the Study of Violence and Reconciliation, Johannesburg.


Zur Autorin:

Rita Schäfer ist freiberufliche Wissenschaftlerin und Autorin der Bücher "Im Schatten der Apartheid" (2008), "Frauen und Kriege in Afrika" (2008) und "Gender und ländliche Entwicklung in Afrika" (2012).

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 125, 3/2013, S. 26-27
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2014