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FRAUEN/530: Thailand - Sexistische Entgleisungen bei den Protesten in Bangkok (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Januar 2014

Thailand: Sexistische Entgleisungen bei den Protesten in Bangkok

von Marwaan Macan-Markar


Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

Demonstranten in der thailändischen Hauptstadt Bangkok
Bild: © Kalinga Seneviratne/IPS

Bangkok, 29. Januar (IPS) - Supaa Prordeengam, eine Geschäftsfrau, nimmt zwar an den Demonstrationen in Bangkok gegen die thailändische Regierung teil. Doch die sexistischen Sprüche der Redner widern sie an. "Kritik ist in Ordnung", sagt sie. "Doch nicht auf Kosten der Frauenrechte."

Zielscheibe der von der oppositionellen Demokratischen Partei vor drei Monaten losgetretenen Proteste ist vor allem Yingluck Shinawatra, die erste Regierungschefin des Landes. Die Vorsitzende der Pheu-Thai-Partei wird von ihren Gegnern, die fünf vielbefahrene Kreuzungen blockieren, wüst beschimpft.

Nicht nur Supaa, auch anderen Demonstranten ist aufgefallen, dass die Kritik an den Verfehlungen der Regierung - Korruption, Missbrauch der parlamentarischen Mehrheit und Respektlosigkeit gegenüber dem König - immer weiter in Demagogie abdriftet.

Die Redner entstammen der gebildeten Schicht des Landes, die Suthep Taugsubana, der ehemalige Vizechef der Demokratischen Partei, für seine Ziele einspannen will. Suthep, der seit mehr als 30 Jahren politisch aktiv ist, braucht sie für seine nicht gewählten 'Volksräte', die das Land mindestens ein Jahr lang regieren sollen.


Frauenrechtlerinnen machen mobil

Die anzüglichen Kommentare und der große Applaus, den sie ernten, haben das Gespenst des Sexismus in der männerdominierten Gesellschaft heraufbeschworen. Nach einer längeren Anlaufphase bemühen sich nun einige wenige Frauenrechtsgruppen um Political Correctness.

"Wenn ein Frauennetzwerk in einem Statement die sexistischen Verbalattacken eines Arztes gegen die Premierministerin Yingluck Shinawatra kritisierte, löst das bei mir Erleichterung aus", schrieb unlängst Sanitsuda Ekachai in einem Kommentar für die englischsprachige Zeitung 'Bangkok Post'. "Seit langem frage ich mich, warum Frauenrechtlerinnen die herabwürdigenden Tiraden gegen Frau Yingluck so lange geduldet haben."

Zu den Gruppen, die nun offenbar aus ihrem langen Schlaf aufgewacht sind, gehört die Koalition für Demokratie und Rechte auf sexuelle Diversität. Sie verurteilte die "sexistische, frauenfeindliche und verunglimpfende Sprache", die als politische Waffe missbraucht werde. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich diese Rhetorik der Gewalt, der Diskriminierung und des Hasses fortsetzt", heißt es in einer Stellungnahme.

Der Aufstieg zur ersten Frau an der Spitze der thailändischen Regierung hatte Yingluck keine Sympathien der lokalen Frauenbewegung eingebracht. Die Aktivistinnen zeigten ihr die kalte Schulter, als sie die Phue-Thai-Partei bei den Parlamentswahlen im Juli 2011 zum Sieg führte. Mit 44 Jahren wurde Yingluck zur jüngsten Ministerpräsidentin seit 60 Jahren.

Nach Ansicht ihrer Gegner verdankt sie ihr Amt den Manipulationen ihres älteren Bruders Thaksin Shinawatra. Der frühere zweimalige Premierminister wurde im September 2006 aus dem Amt geputscht. Seitdem lebt er im Exil, um sich einer zweijährigen Haftstrafe wegen Korruption zu entziehen. Als er Yingluck mehrere Wochen vor der Wahl zur Vorsitzenden der Phue-Thai-Partei ernannte, bezeichnete er sie als seinen "Klon".

Die Frauengruppen des südostasiatischen Landes stehen traditionell den Demokraten nahe, die seit 20 Jahren keine Mehrheit mehr im Parlament gewonnen haben. Wie eine einflussreiche Vertreterin des Forschungsinstituts für Frauen und Entwicklung in einem Zeitungsartikel mit der Überschrift 'Thailands erste Ministerpräsidentin kein Gewinn für den Feminismus' erklärte, gebe es keinen Grund dafür, auf Yingluck stolz zu sein. "Die ganze Welt weiß, dass es um Thaksin geht."

"Viele führende Frauenrechtlerinnen haben auf Yinglucks plötzlichen Aufstieg bestenfalls lauwarm oder abweisend reagiert", schrieb damals der bekannte Blogger Kaewmala. Die Männer seien da offener gewesen.

Als sich im vergangenen August Yinglucks Amtsantritt zum zweiten Mal jährte, wurde sie sogar für ihren kompromissbereiten Führungsstil gelobt. Dieser habe auf Bangkoks Straßen wieder Normalität einkehren lassen, hieß es. Vergleiche wurden angestellt zwischen ihrer Regierung und ihrer Vorgängerin, einer von den Demokraten geführten Koalition, die durch Hinterzimmer-Deals mit dem mächtigen Militär an die Macht gekommen war.

Das Ansehen der demokratischen Regierung war durch die blutigen Zusammenstöße in Bangkok zwischen Anhängern Thaksins und der Armee im Mai 2010 beschädigt worden. 91 Menschen kamen dabei ums Leben, darunter mindestens 80 Zivilisten. Zudem wurden mehr als 2.000 Menschen verletzt.

Dass Yinglucks Regierung gegen ihre Gegner nicht hart durchgriff, ermutigte die Opposition dazu, mehrere Regierungsgebäude zu besetzen. Zusammenstöße mit der Polizei, Gewalt zwischen Agitatoren und Thaksin-Getreuen sowie sporadische Schießereien haben seit November neun Menschen das Leben gekostet. Mehr als 550 wurden verletzt.

Was die derzeitigen Proteste von denen von 2010 unterscheidet, sind die sexistischen Verbalattacken. Beobachter führen diese auf den wachsenden Frust der Agitatoren und auf einen neuen Tiefpunkt in dem seit dem Putsch 2006 gespaltenen Land zurück. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/01/political-duels-collapse-sexist-squabbles/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2014