medica mondiale - Pressemitteilung vom 30. April 2025
Auch 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs herrscht noch immer großes Schweigen über sexualisierte Kriegsgewalt
Köln, 30.04.2025 - Am 8. Mai jährt sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 80. Mal. Was bis heute wenig Öffentlichkeit erfährt und noch immer häufig ignoriert wird: Millionen Frauen und Mädchen erlebten im Zweiten Weltkrieg sexualisierte Gewalt.
Die Geschichten und Erlebnisse der betroffenen Frauen sind kaum bekannt. Ihr Leid wurde in den Nachkriegsgesellschaften meist ignoriert und verdrängt - auch in Deutschland und bis heute. Doch die Folgen reichen bis ins Hier und Jetzt. "Nur wenn wir über diese Gewalt sprechen, übernehmen wir historische Verantwortung und machen deutlich: Diese Erfahrungen dürfen nicht länger ignoriert werden", so Monika Hauser, Gründerin und Vorständin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale.
Im Holocaust, während der Kriegshandlungen und der Besatzung wurden Schätzungen zufolge Millionen Frauen vergewaltigt. Zahlreiche Gruppen waren von sexualisierter Gewalt betroffen, die von den Nationalsozialisten verfolgt und in Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager inhaftiert wurden: Jüdinnen, Romnja und Sintize, politisch Verfolgte, als "asozial" Gebrandmarkte oder Widerstandskämpferinnen. Auch in den von Deutschland besetzten Ländern - in der Sowjetunion, in Polen, Frankreich, den Niederlanden oder Jugoslawien - kam es durch Angehörige von Wehrmacht und SS zu massenhaften sexualisierten Übergriffen. Frauen und Mädchen aus Japans damaliger Kolonie Korea, aber auch aus allen anderen besetzten Ländern wie China, Taiwan oder von den Philippinen, wurden durch die japanische Armee verschleppt und sexuell versklavt. - bekannt geworden unter dem Begriff der sogenannten "Trostfrauen". Und auch Übergriffe durch sowjetische, US-amerikanische, britische und französische Soldaten sind dokumentiert. Frauen wurden während ihrer Flucht und Vertreibung, während der Kampfhandlungen und unter der Besatzung in den Nachkriegsjahren vergewaltigt.
Die Zahl der Betroffenen exakt zu beziffern ist nicht möglich. Berichte der überlebenden Frauen, ihrer Angehörigen und Nachbar:innen, Erinnerungen von ehemaligen Soldaten, Krankenhausakten, Militärdokumente und Aufzeichnungen aus Pfarrämtern belegen aber das immense Ausmaß der Gewalt, die von allen beteiligten Akteuren ausging.
Viele der Betroffenen haben nie über ihre Gewalterfahrung sprechen können, Unterstützung oder Anerkennung erhalten. Betroffene Frauen wurden zum Schweigen gebracht, stigmatisiert und ausgegrenzt. Ihre Erfahrungen blieben gesellschaftlich unsichtbar.
Doch ohne Unterstützung kann die erlebte Gewalt meist nicht verarbeitet werden - die Folgen des Traumas dauern an und reichen oft tief in das Leben der Überlebenden.?Ein Trauma ist dabei kein rein individuelles Ereignis. Es kann auf die nächsten Generationen übertragen werden - auf Familien, Kinder, Enkelkinder und ganze Gemeinschaften. Sexualisierte Kriegsgewalt wirkt somit als transgenerationales Trauma bis in unsere Gegenwart hinein.
"Wir müssen endlich ein Bewusstsein dafür schaffen, dass sexualisierte Gewalt systematisch und massenhaft ausgeübt wurde - und dass das Schweigen und Tabuisieren eine Form der historischen und gesellschaftlichen Gewalt ist, die bis heute andauert", erklärt Monika Hauser.
"Dazu gehört auch zu verstehen, dass die Ursache sexualisierter Gewalt in patriarchalen Machtverhältnissen, Geschlechterstereotypen und Gewaltstrukturen liegt, die nicht der Vergangenheit angehören, sondern bis heute wirksam sind - in aktuellen Kriegen, in politischen Diskursen, in der Art, wie wir erinnern", so Hauser.
Die Frauenrechtsorganisation medica mondiale fordert: Es ist jetzt Zeit, das Schweigen zu beenden und dazu beizutragen, dass das Erinnern feministischer, gerechter und vollständiger wird. Und es ist Zeit, dieses Unrecht als Mahnung und Aufforderung zu verstehen, Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt umfassend zu unterstützen. Und alles dafür zu tun, neue Gewalt zu verhindern.
medica mondiale ist eine feministische
Frauenrechtsorganisation. Seit über 30 Jahren setzen wir uns gegen
sexualisierte Kriegsgewalt ein und gegen Machtverhältnisse, die Frauen
unterdrücken. Gemeinsam mit Partnerorganisationen in Afghanistan, Bosnien
und Herzegowina, Liberia, der Demokratischen Republik Kongo und anderen
Ländern unterstützen wir Überlebende sexualisierter Gewalt, stellen uns
gegen diskriminierende Machtverhältnisse und stärken
Frauenrechtsaktivist:innen. Für eine gerechtere Welt. Für alle.
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Quelle:
Pressemitteilung vom 30. April 2025
medica mondiale e.V.
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E-Mail: info@medicamondiale.org
Internet: https://medicamondiale.org
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. Mai 2025
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