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GENDER/015: Gender, Fußball und die Gewalt (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 116, 2/11

Gender, Fußball und die Gewalt
Brutale Fakten und Lösungsstrategien aus Südafrika

Von Keph Senett


"Korrigierende" Vergewaltigung (corrective rape) nimmt Bezug auf eine Praxis von Männern, die Lesben vergewaltigen, um sie zu bestrafen, um sie von ihrer Homosexualität zu "heilen". Dieser sexuelle Übergriff ist typischerweise begleitet von länger andauernder Gewalt und Qual, und er endet manchmal mit Mord. Dieses Verbrechen passiert in Südafrika ständig, und für gewöhnlich sind Lesben aus armen Verhältnissen die Opfer.
Auf den ersten Blick ist nicht klar, was "korrigierende" Vergewaltigung mit Fußball zu tun hat, weil bei dieser Gleichung eine Variable fehlt: Gender. Nur wenn man Gender mit berücksichtigt, wird klar, warum die Welt zwei prominente südafrikanische Fußballspielerinnen durch "korrigierende" Vergewaltigungen verloren hat und auch warum Fußball ein effektives Werkzeug für Empowerment von Frauen und Mädchen ist.


Gender und Fußball

2008 wurde die südafrikanische Fußballnationalteamspielerin Eudy Simelane vergewaltigt, gefoltert und ermordet. Sie starb nur ein paar Meter weit von ihrem Familienhaus. Simelane war ein prominentes Opfer, und ihr Fall brachte internationale mediale Aufmerksamkeit. Die Pressemeldungen reichten jedoch nicht aus, um solchen Taten ein Ende zu bereiten. 2009 ist eine weitere Teamkollegin von Simelane, Girlie "'S'Gelane" Nkosi, bei einem ähnlichen Überfall ums Leben gekommen.

Es ist kein Zufall, dass beide Frauen Fußballerinnen waren. In einem Land, das Fußball noch immer als einen Sport für Männer definiert, ist es schwer zu sagen, was mehr als "strafbare" Gender-Überschreitung betrachtet wurde: ihr Lesbischsein oder ihre Entscheidung, Fußballerin zu werden. Der Journalist Jonathan Clayton schrieb in seinem Artikel über Eudy Simelane's Tod in der Sunday Times: "Ihre Sexualität und vermutlich ihr maskulines Aussehen waren ihr Todesurteil in einem Land, wo dieser Sport noch immer von vielen als Männerspiel betrachtet wird."

Schändlicherweise hat nach Simelane's Ermordung 2008 vor allem die professionelle Fußballwelt geschwiegen. Die in Kalifornien tätige Gender-Forscherin Jennifer Doyle stellte die Frage: "Was hätte eine offen antihomophobe und queere Fußballspielerin bewirken können? Und warum soll die Arbeit gegen diese Übergriffe nur von Frauen getragen sein? Stellt euch Postings von Eto'o, C. Ronaldo, Lampard oder Henry vor, die sagen: 'Simelane war meine Schwester!'"

Das ist die brutale Wahrheit über "korrigierende" Vergewaltigungen: es ist ein Verbrechen, das gegen Frauen und Mädchen verübt wird, die sich nicht an Gendernormen anpassen wollen. Deshalb mussten Simelane und Nkosi sterben. Deshalb sind Lesben das Ziel. Und deshalb ist vor allem Fußball ein effektiver Weg, südafrikanische Mädchen zu trainieren und zu ermächtigen.


Situation in Südafrika

Laut der Menschenrechtsorganisation Change.org werden täglich 150 Frauen in Südafrika vergewaltigt, mehr als zehn Lesben jede Woche allein in Kapstadt. 25 Männer werden beschuldigt und 24 von ihnen freigelassen. Avaaz.org sieht die Situation anders: "Südafrika ist die Vergewaltigungshauptstadt der Welt. Bei einem südafrikanischen Mädchen, das heute geboren wird, ist es wahrscheinlicher, dass sie vergewaltigt wird, als dass sie lesen lernt."

Anfang 2011 hat Luleki Sizwe, eine kleine Gruppe von südafrikanischen Aktivistinnen, geleitet von Ndumi Funda, eine Online-Petition auf Change.org gestartet, in der sie RegierungsbeamtInnen ansprechen wollen, damit diese das Thema "korrigierende" Vergewaltigung thematisieren. Es wurde schnell die populärste Petition auf dieser Seite, mit über 170.000 Unterschriften aus 163 Ländern. Am 14. März 2011 wurde diese Petition BeamtInnen übergeben, die zugestimmt haben, in einer Gruppe mit anderen InteressenvertreterInnen zusammenzuarbeiten und dieses Thema zu behandeln. Nun ist mehr als ein Monat seit diesem Treffen vergangen, und es ist noch nichts passiert.


Am Spielfeld - Girls & Football SA

Die Fußballcommunity ist laut, leidenschaftlich und global - es ist das perfekte Netzwerk, um eine Menschenrechtsbotschaft zu verbreiten. Die Organisation Girls & Football SA wurde gegründet, um Mädchen und jungen Frauen ein gutes Gefühl für sich selbst, so wie sie sind, zu geben. Ausschlaggebend für die Gründung war unter anderem der Mord an Eudy Simelane.

Jos Dirkx, die Girls & Football SA gemeinsam mit Sonia Bianchi gegründet hat, meint, dass das Leben für Mädchen in Südafrika nicht leicht ist. Es ist erwiesen, dass Fußball immer wieder eine richtungsweisende Kraft zum Empowerment auf breiter Basis ist und eine transformierende Energie hat, die nicht abnimmt. "Mit der kommenden FIFA-Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2011 gibt es keine bessere Zeit als gerade jetzt, in die Entwicklung von Frauen durch Sport zu investieren", sagt Dirkx.

Es gibt unzählige Beispiele für Programme, die Sport dazu benutzen, um marginalisierte Gruppen zu ermächtigen, aber Dirkx's Organisation ist herausragend. Girls & Football SA gebrauchen Sport, um Selbstbewusstsein zu schaffen, und das auf einer sehr persönlichen Ebene.

"Can I Kick It?", eine Dokumentation, die von den Mitarbeiterinnen dieser Organisation produziert wurde und deren Arbeit darstellt, ist beim Beiruter Film-Festival 2011 als beste Dokumentation ausgezeichnet worden. Es ist das erste Mal seit 1939, dass dort ein Preis an eine Regisseurin ging.

Durch Partnerschaften mit Stellenbosch Maties' Fußballteam, Girls Action Foundation (Kanada) und Sport in Society (USA) können Mädchen von Girls & Football SA an den von Frauen aus der Fußballwelt organisierten Workshops partizipieren, bei denen sie Selbstvertrauen, Selbstachtung, Körperpolitik und das Fußballhandwerk lernen.

Auch wenn "korrigierende" Vergewaltigung Frauen außerhalb der Fußballcommunity ebenfalls betrifft, besteht doch ein Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Gender-Bezeichnungen von Fußballerinnen und dem Gewaltpotential. Das Girls & Football SA-Programm arbeitet diese Verbindungen durch gleichzeitiges Empowerment von Mädchen heraus und erzählt die Geschichte von Frauenfußball in Südafrika.


Etwas unternehmen

Die Petition auf Change.org erzwang ein Treffen zwischen Luleki Sizwe und südafrikanischen BeamtInnen, es wurden aber noch keine Aktionen gesetzt. Es gibt eine neue Petition auf Avaaz.org, mit der Präsident Jacob Zuma aufgefordert wird, "'korrigierende' Vergewaltigungen öffentlich zu verurteilen, diese von Hass getriebenen Verbrechen zu kriminalisieren, unmittelbare Vollzugsmaßnahmen anzuordnen, die Öffentlichkeit aufzuklären und die Opfer zu schützen." Eine Million Unterschriften sollen gesammelt werden. Anfang April 2011 waren es bereits mehr als 915.000.


Webtipps:

Petition von Avaaz.org:
www.avaaz.org/de/stop_corrective_rape_6/?slideshow
Girls & Football SA:
www.girlsandfootballsa.com
Luleki Sizwe:
www.lulekisizwe.com


Zur Autorin:

Keph Senett (www.kephsenett.com) ist eine kanadische Schriftstellerin, die über ihre Leidenschaften Reisen und Fußball sowie über Menschenrechte schreibt. Zurzeit lebt sie in Mexiko.

Übersetzung aus dem Englischen: Claudia Dal-Bianco


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 116, 2/2011, S. 14-15
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
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http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2011