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INTERNATIONAL/060: Neue Sozialpolitik für arabische Welt notwendig (idw)


Universität Kassel - 24.11.2011

Neue Sozialpolitik für arabische Welt notwendig


Der Erfolg der Revolutionen in der arabischen Welt wird wesentlich von einer effizienten Sozialpolitik der neuen Regierungen abhängen. Zu dieser Einschätzung kam der Wirtschaftsforscher Dr. Markus Loewe auf einer Tagung an der Universität Kassel.

"Sozialpolitik hat nicht nur eine soziale Funktion, sondern auch eine ökonomische und politische Funktion", sagte Loewe auf der Tagung "Sozialpolitik zwischen Almosen, Privilegien und sozialen Rechten - Befunde aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa", die noch bis Freitag, 26. November, andauert. Neben der Bekämpfung von Armut und Not gehe es auch um Rückendeckung für private Investitionen sowie die Stabilisierung von Staat und Gesellschaft durch soziale Teilhabe.

"Auch und gerade in den arabischen Ländern kommt der Sozialpolitik aufgrund dieser drei Funktionen eine ganz zentrale Bedeutung zu - insbesondere jetzt, wo Revolutionen in mehreren Ländern Chancen für einen demokratischen Systemwandel geschaffen haben", sagte Loewe, der als Senior Economist im Deutschen Institut für Entwicklungspolitik arbeitet. "Dessen Gelingen wird zuallererst davon abhängen, inwieweit auch die sozioökonomischen Erwartungen der Menschen in die Revolutionen erfüllt werden." Sowohl kurz- als auch langfristig könne dies ohne tief greifende sozialpolitische Reformen nicht gelingen.

"Die Sozialpolitik der arabischen Länder ist zuletzt weder ihrer sozialen noch ihrer ökonomischen Funktion gerecht geworden", sagte Loewe: "Lediglich ihre politische Funktion hat sie erfüllt - aber auch nur insoweit, als dies auch den Machtinteressen der herrschenden Regime genützt hat." Alle arabischen Staaten könnten ihre sozialen, ökonomischen und politischen Probleme nicht ohne eine viel stärker als bisher auf Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit ausgerichtete Sozialpolitik lösen.

Unter dem Motto "Zwischen Almosen, Privilegien und sozialen Rechten" diskutieren renommierte Wissenschaftler und Experten am 24. und 25. November an der Universität Kassel über ein bislang wenig erforschtes Thema, die Arbeits- und Sozialpolitik in Asien, Afrika, Osteuropa und Lateinamerika.

In Europa und den USA hat sich die Forschung zu Sozialpolitiken gut etabliert. Über das Verhältnis zwischen Markt, Staat und Familie und das Zusammenspiel zwischen Institutionen, Verbänden sowie anderen Akteuren liegen zahlreiche Analysen und Kenntnisse vor. Studien zu anderen Weltregionen hingegen laufen zum einen Gefahr, solches Wissen unkritisch zu übernehmen. So kann es passieren, dass mit einer Erhöhung von Sozialstaatsausgaben nicht soziale Schieflagen abgebaut, sondern Ungleichheiten vergrößert werden.

Zum anderen ist noch zu wenig bekannt, dass bei uns diskutierte Instrumente wie Bildungsgutscheine oder Mindestlöhne z.B. in Südafrika oder Brasilien schon lange eingesetzt und Erfahrungen gesammelt wurden, von denen auch wir profitieren können.

Auf der Tagung, die das auf Sozialforschung jenseits der OECD spezialisierte Fachgebiet "Internationale Beziehungen" der Universität Kassel veranstaltet, sollen die verschiedenen Sozialpolitiken in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa deshalb in ihren vielfältigen Facetten betrachtet werden. Im Mittelpunkt stehen hierbei Fragen zu Bildungs-, Gesundheits-, Steuer- und Arbeitspolitik.

"Wir wollen diskutieren, worin sich die Sozialpolitiken jenseits der Industrienationen von unseren Erfahrungen unterscheiden, wo wir sie anders bewerten müssen und was wir von ihnen lernen können", fasst der Veranstalter Prof. Dr. Hans-Jürgen Burchardt das Thema der internationalen Tagung zusammen: "Geht es dort eher um Almosen, die an besonders Bedürftige vergeben werden? Ist staatliche Sozialpolitik vielleicht als Privileg einflussreicher Gruppen zu verstehen, die das Soziale in den Gesellschaften sogar verringert?" Oder werden hier zurzeit soziale Rechte durchgesetzt, die die allgemeine Wohlfahrt steigern und uns sogar als Vorbild dienen können?"

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution45


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Kassel, Dr. Guido Rijkhoek, 24.11.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2011