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INTERNATIONAL/183: Exodus der jungen Leute auf Samoa (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2014

Samoa: Exodus der jungen Leute

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Siera Tifa Palemene wird von ihren Söhnen, die nach Australien und Neuseeland ausgewandert sind, finanziell unterstützt
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Apia, 1. Oktober (IPS) - Touristen kommen in Scharen, um die Schönheit der Natur, die Strände und eine stressfreie Zeit zu genießen. Doch die jungen Leute des südpazifischen Inselstaates Samoa wollen vor allem eines: weg.

Samoa hat eine Nettoemigrationsrate von 13,4 Prozent. Im Nachbarland Tonga sind es sogar 15,4 und im westpazifischen Mikronesien 15,7 Prozent. Das sind hohe Prozentsätze, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Rate aller kleinen Inselentwicklungsländer 1,4 Prozent beträgt.

In Apia, der Hauptstadt von Samoa, lebt die Endsechzigerin Siera Tifa Palemene. Sie ist eine von vielen Frauen im Lande, die ihre Kinder an die größeren Volkswirtschaften der Region verloren haben. Vier ihrer zehn Kinder leben in Australien und Neuseeland, wo sie auf dem Bau arbeiten. "Sie wollen ihren Kindern ein besseres Leben bieten", sagt sie. "Denn hier bei uns sind die Löhne sehr niedrig."


Fast genauso viele Emigranten wie Einwohner

In dem kleinen Inselstaat bringen Frauen durchschnittlich 4,2 Kinder zur Welt. Die Prävalenz von Verhütungsmitteln beträgt 29 Prozent. Aufgrund der hohen Emigrationsrate wird das jährliche Bevölkerungswachstum von zwei Prozent auf 0,8 Prozent gedrückt. Geschätzte 120.400 Samoaner hat es nach Australien, Neuseeland und in die USA verschlagen. In der alten Heimat leben noch 190.372 Menschen.

20 Jahre nach der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) in Kairo 1994 ist es mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und Arbeitsangeboten für die jungen Leute in vielen kleinen Inselstaaten immer noch nicht weit her. Trotz einer stabilen politischen Lage hängt die Wirtschaft von Samoa in erster Linie von der Landwirtschaft, dem Tourismus und der ausländischen Entwicklungshilfe ab.

Dem Inselstaat nordöstlich der Fidschi-Inseln macht nicht zuletzt die geographische Abgeschiedenheit von den internationalen Märkten zu schaffen. Auch die globale Finanzkrise 2008, das Erdbeben und der Tsunami von 2009 sowie der Zyklon 'Evan' im Jahr 2012, der Infrastrukturen und Ernten verwüstete, forderten ihr Tribut.

Die meisten Inselbewohner leben vom Fischfang, der Subsistenz- oder kleinbäuerlichen Landwirtshaft und dem informellen Handel. Rund 27 Prozent der Bevölkerung haben Schwierigkeiten, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Die Emigration ist somit ein willkommener Devisenbringer.

"Meine Söhne schicken uns Geld, damit wir über die Runden kommen. Das hilft uns, unsere Rechnungen zu bezahlen und die Enkelkinder zur Schule zu schicken", berichtet Palemene. Nach Angaben der Weltbank beliefen sich die Auslandsüberweisungen samoanischer Emigranten in die alte Heimat 2012 auf gut 142 Millionen US-Dollar. Das entsprach 23 Prozent des nationalen Bruttoinlandsproduktes.

Palemene räumt ein, dass die Zuwendungen ihrer Kinder seit geraumer Zeit rückläufig sind. "Sie müssen inzwischen ihre eigenen Familien versorgen. Auch ist das Leben in Übersee recht teuer", berichtet sie. "Aber immer wenn ich Geld brauche, muss ich sie nur anrufen. Dann schicken sie es mir."

Palemene erhält eine monatliche Rente von 135 Tala. Das sind umgerechnet 57 Dollar. Als Reinigungskraft in einem Gästehaus verdient sie sich ein Zubrot. Die Entscheidung ihrer Söhne, das Land zu verlassen, hat sie nach eigenen Angaben stets unterstützt. "Sie sollen eine gute Zukunft haben", sagt sie.

Für die zurückgebliebenen Eltern bedeutet die Emigration ihrer Kinder oftmals den Verlust ihres sozialen Sicherheitsnetzes - vor allem wenn sie gebrechlich sind. "Dann haben sie niemanden mehr, der mit ihnen zusammenlebt und sie gegebenenfalls betreut", meint Tala Mauala, Generalsekretärin der Rot-Kreuz-Gesellschaft von Samoa. "Das heißt, dass sie in kritischen Situationen, die durch Naturkatastrophen verursacht werden können, verstärkt Hilfe von den Kommunen oder dem Staat brauchen."


Braindrain

Weitere Kosten für Samoa ergeben sich aus dem Exodus ausgebildeter Fachkräfte, die mit höheren Gehältern ins Ausland gelockt werden. Der Braindrain wirkt entwicklungshemmend. Samoa verliert durch die Emigration 76,4 Prozent seiner Fachkräfte, die über einen tertiären Bildungsabschluss verfügen.

Nach Angaben der Weltkulturorganisation UNESCO gehen die Geldüberweisungen aus dem Ausland in der Regel für Konsumgüter drauf. Sie tragen nur geringfügig zur Produktivität des Inselstaates bei. Vielmehr sorgen sie für eine erhöhte Nachfrage nach Importgütern, wodurch sich das Handelsdefizit erhöht.

Palemene sieht ihre ausgewanderten Kinder immer dann, wenn sie ihr einen Flug schenken oder zu Familienfeierlichkeiten wie Hochzeiten auf Besuch kommen. Dass sie irgendwann einmal für immer heimkehren, hält ihre Mutter für unwahrscheinlich. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/09/youth-exodus-reveals-lack-of-opportunities/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2014