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INTERNATIONAL/186: El Salvador - Aus den USA und Mexiko abgeschobene Migranten zu Hause diskriminiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Januar 2015

El Salvador:
Wenn der 'American Dream' zum Albtraum wird - Aus den USA und Mexiko abgeschobene Migranten zu Hause diskriminiert

von Edgardo Ayala


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von DGME

Aus den USA abgeschobene Salvadorianer bei der Ankunft am Flughafen von San Salvador
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von DGME

San Salvador, 8. Januar (IPS) - Für Julio César Cordero war der 'amerikanische Traum' schnell zu Ende. Der Salvadorianer, der sich ohne Papiere bis ins texanische Houston durchschlagen wollte, wurde in Acayucán im Südosten Mexikos aufgegriffen und in seine Heimat zurückgeschickt.

Cordero wirkt niedergeschlagen, als er aus dem Bus aussteigt, der ihn in die Hauptstadt des zentralamerikanischen Landes San Salvador zurückgebracht hat. In einer Plastiktüte sind seine Habseligkeiten verstaut. "Ich will meinem Sohn eine bessere Zukunft bieten", sagt er. "Im nächsten Jahr werde ich es noch einmal versuchen."

Schätzungsweise 2,5 Millionen Salvadorianer leben derzeit in den USA, die meisten von ihnen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Viele waren vor dem Bürgerkrieg (1980-1992) geflohen. Im Verlauf der bewaffneten Auseinandersetzungen wurden etwa 80.000 Menschen getötet oder verschleppt.


Jeden Tag 150 Salvadorianer aus den USA abgeschoben

Täglich werden ungefähr 150 Salvadorianer aus den USA ausgeflogen oder mit Bussen aus Mexiko in ihr Land zurückgebracht. In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres wurden insgesamt 47.943 Salvadorianer ausgewiesen - 43 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2013.

Diese Massen an Heimkehrern bedeuten für das verarmte zentralamerikanische Land mit etwa 6,2 Millionen Einwohnern eine enorme Herausforderung. Die Arbeitslosenrate liegt bei sechs Prozent, und etwa 65 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung verdienen ihren Lebensunterhalt im informellen Sektor.

Für die unfreiwilligen Rückkehrer gibt es keine Hilfsprogramme, die ihnen eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern würden, kritisieren Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen. Viele Deportierte hatten längere Zeit in den USA gelebt und Schwierigkeiten, sich in ihrem Ursprungsland wieder zurechtzufinden. Zudem haftet ihnen wegen der Abschiebung das Stigma an, Mitglieder krimineller Banden zu sein.

"Wir brauchen doch nur Hilfe bei der Jobsuche, bei der Gründung eines Unternehmens oder bei der Beantragung eines Kredits", sagt Antonio, der seinen vollständigen Namen nicht nennen möchte. Von 2005 bis 2010 lebte er in San Francisco, wo er ältere Menschen betreute und in Restaurants kochte. Weil seine Mutter krank wurde, kehrte er nach El Salvador zurück. Bei dem Versuch, 2012 wieder ohne Papiere in die USA einzureisen, wurde er an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze geschnappt und zurückgeschickt.


Einen Berg von Schulden

"Die Rückkehr ist schwierig", sagt er. "Ich hatte keinen Cent mehr in der Tasche, doch viele Schulden." Antonio wünscht sich von der Regierung, dass sie abgeschobenen Migranten den Zugang zu Krediten ermöglicht. In El Salvador würde er gern ein Kleinunternehmen gründen. "Die Banken gehen fälschlicherweise davon aus, dass sich ein abgeschobener Salvadorianer von einem Kredit in Höhe von 10.000 US-Dollar sofort ein Ticket nach New York kaufen würde", meint César Ríos, Direktor des Salvadorianischen Instituts für Migranten (Insami).

Eines der größten Probleme besteht darin, dass die Rückkehrer keine Nachweise für ihre Arbeitserfahrungen in den USA vorlegen können. Insami will erreichen, dass die salvadorianische Regierung den Betroffenen die Chance gibt, ihre erworbenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, und entsprechende Zertifikate ausstellt, die ihnen helfen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. "Wir sind keine Kriminellen, sondern verdienen eine Chance", erklärt Antonio.


Rückkehrer werden als Kriminelle geächtet

In der Heimat schlägt den Abgeschobenen großes Misstrauen entgegen. Manche verbergen deshalb ihre Gesichter, wenn sie aus den Bussen aussteigen. Diejenigen, die aus den USA ausgeflogen werden, müssen während der Reise Handschellen tragen. Nach der Landung auf dem Internationalen Flughafen Monseñor Oscar Arnulfo Romero werden sie von schwer bewaffneten Polizisten in Empfang genommen.

"Sie werden wie Verbrecher behandelt", kritisiert Karla Salas, Mitarbeiterin am Institut für Menschenrechte der Zentralamerikanischen Universität José Simeón Cañas (IDHUCA). Das mache sie verdächtig, erklärt die Wissenschaftlerin, die 2013 an einer noch unveröffentlichten Studie über die soziale Lage von abgeschobenen Migranten und deren Familien in El Salvador mitgearbeitet hat.

Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass etwa 70 Prozent über jeden Verdacht erhaben sind. Den übrigen 30 Prozent wurden laut der salvadorianischen Migrationsbehörde DGME unter anderem tätliche Übergriffe, Trunkenheit am Steuer und Drogenbesitz angelastet.

Die Behörde will nach Angaben ihres Sprechers Mauricio Silva Rückkehrer künftig besser behandeln. Auch ist vorgesehen, dass die Regierung gemeinsam mit öffentlichen und privaten Institutionen Programme entwickelt, die den Menschen die Rückkehr ins Erwerbsleben erleichtern. Für den Neustart eines 2012 mit Unterstützung der Regierung Kanadas und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) eingeführten Pilotprojekts, das bisher 20 Kleinunternehmen bei der Existenzgründung unter die Arme gegriffen hat, wird jedoch noch nach Geldmitteln gesucht.

Antonio hatte im Zuge dieser Maßnahmen 1.400 Dollar erhalten und damit die Eröffnung einer Pizzeria finanziert. Das Geschäft entwickelte sich gut, bis er Opfer eines Raubüberfalls wurde. Bislang versucht er vergeblich einen neuen Kredit zu beantragen, um noch einmal von vorn anfangen zu können.


Obama macht Zugeständnisse

Ríos rechnet damit, dass die Abschiebungen im bisherigen Rhythmus fortgesetzt werden, auch wenn US-Präsident Barack Obama am 20. November zugesichert hat, hauptsächlich Kriminelle und nicht Familien nach El Salvador deportieren zu lassen.

Der Präsident hat eine Exekutiv-Order erlassen, die es etwa fünf Millionen Migranten ohne Papiere ermöglicht, in den USA befristete Aufenthaltsgenehmigungen und Jobs zu erhalten. (Ende/IPS/ck/2015)


Links:
http://www.ipsnews.net/2015/01/from-the-american-dream-to-the-nightmare-of-deportation/
http://www.ipsnoticias.net/2014/12/del-sueno-americano-a-la-pesadilla-de-la-deportacion/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2015


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