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INTERNATIONAL/243: China nach 2020 - Bedingungsloses Grundeinkommen als Option gegen Armut (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

China nach 2020: Bedingungsloses Grundeinkommen als Option gegen Armut

Von Sandro Gobetti, 26. November 2018


Im Oktober 2018 wurde in Peking vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen in China (UNDP China) ein Runder Tisch zum Bedingungslosen Grundeinkommen veranstaltet. An dem Treffen nahmen mehr als 45 Vertreter von Wissenschaft, UN-Organisationen, der chinesischen Regierung, Botschaften und der Zivilgesellschaft teil, um Meinungen und Ideen über das Konzept und den Vorschlag des Grundeinkommens in China auszutauschen.

Mit der zunehmenden Digitalisierung von Arbeitsplätzen erhält das Grundeinkommen, d.h. die direkte wirtschaftliche Versorgung der Bürger, als innovativer Vorschlag zur Bekämpfung der neuen Armut große Aufmerksamkeit. Den Vorsitz des Runden Tisches führte Patrick Haverman, stellvertretender nationaler Direktor des UNDP China. "Da die Ziele der nachhaltigen Entwicklung stark auf die Notwendigkeit ausgerichtet sind, niemanden in der Gesellschaft zurückzulassen, wird eine sorgfältige Prüfung einer Vielzahl von Antworten unerlässlich sein", sagte Haverman in seinem ersten Bericht. "Es ist sehr wichtig, eine gemeinsame Debatte über mögliche Optionen zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheit in der Zukunft zu fördern, und der Vorschlag für ein Grundeinkommen darf dabei nicht übersehen werden".

Professor Zhiyuan Cui von der School of Policy and Public Management der Universität von Tsinghua nahm ebenfalls am runden Tisch teil. Professor Cui sprach über eines der Schlüsselthemen bei der Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens, nämlich den Zusammenhang zwischen einem garantierten Einkommen und eines dadurch möglichen fehlenden Anreizes zur Arbeit, das dieses Recht mit sich bringen könnte. In seiner Rede wies er darauf hin, wie viele Studien inzwischen gezeigt haben, dass Menschen mit einem Grundeinkommen im Gegenteil weiterhin arbeiten und sogar ermutigt werden, eine neue Berufserfahrungen oder Ausbildungen zu machen, ohne dabei unter finanziellen Schwierigkeiten leiden zu müssen.

Professor Qingyi Li, Leiter des Programms der Internationalen Organisation für Arbeit für China und die Mongolei (ILO), sprach über die sich verändernde Arbeitswelt. Professor Li betonte, dass der bisherige industrielle Fortschritt zwar zu einer Zunahme der Anzahl und der Qualität von Arbeitsplätzen geführt habe, dass aber andererseits die gegenwärtige Welle der technologischen Innovation einzigartig in der Geschichte der Menschheit ist, angefangen mit dem raschen Wandel, den sie in die Arbeitswelt bringt. Er forderte daher dazu auf, innovative Formen der wirtschaftlichen Umverteilung zu untersuchen, um sicherzustellen, dass die soziale Gerechtigkeit gewahrt bleibt.

Um den Vorschlag für ein Grundeinkommen und sein Potenzial in China näher zu untersuchen, hat das UNDP China kürzlich ein Arbeitspapier (auf Englisch) mit dem Titel "Bedingungsloses Grundeinkommen: eine politische Option für China nach 2020" [1] herausgebracht.

Dr. Yuan Zheng, Ökonom von UNDP China, stellte das Papier vor und betonte die Vor- und Nachteile der Einführung eines Grundeinkommens unter Berücksichtigung seiner möglichen zukünftigen Anwendbarkeit. Dr. Zheng betonte auch die Bedeutung des Engagements der chinesischen Regierung für ein integratives Wachstum.

Professor Jianwen Liu von der Universität Peking erörterte die Bedeutung eines Vorschlags für eine Steuerreform in China, der eine größere Umverteilung gewährleisten und auf soziale Gerechtigkeit abzielen würde. Professor Liu stellte mehrere mögliche Reformen zur Verbesserung der Gleichstellung vor, wie z.B. die Anhebung der Einkommensteuerstandards und die Erhöhung des Anteils der direkten Steuern. Darüber hinaus diskutierte Professor Shi Li von der Universität die Details des laufenden Pilotprojekts in Finnland und schlug mögliche lokale Testprogramme auch in China vor.

Mehrere Redner sprachen über die Notwendigkeit, die verschiedenen Pilotprojekte zu untersuchen, die in vielen Ländern auf internationaler Ebene durchgeführt werden. Mit Blick auf die Zukunft stellte Professor Qin Gao [2] von der Universität Columbia eine Reihe von Überlegungen zu den aktuellen Problemen an, die durch Dibao [3] (dem derzeit in China bestehenden Armutssubventionssystem) augenscheinlich geworden waren, und sprach von der Bedeutung experimenteller Pilotprojekte mit dem Bedingungslosem Grundeinkommen sowie der Förderung der Kontinuität der Debatte im eigenen Land.

Im Anschluss an die Vorträge fand ein engagierter Runder Tisch mit den Teilnehmern statt, der die Perspektiven und zukünftigen Herausforderungen für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in China und in anderen Ländern bewertete. Die Teilnehmer kamen zu dem Schluss, dass das Thema als realistische politische Option angesehen werden kann, und dass daher weitere Studien und Forschungen erforderlich sind, angefangen bei Pilotprojekten, um die Theorie in der Praxis zu erproben.


Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter


Quelle: Italienisches Netzwerk zum Grundeinkommen BIN Italia
https://www.bin-italia.org/

Mehr über die Arbeit des UNDP in China zum Grundeinkommen und das Arbeitsdokument finden Sie hier
http://www.cn.undp.org/content/china/en/home/library/poverty/universal-basic-income--a-working-paper.html

Video (mit englischen Untertiteln) mit dem Titel "Grundeinkommen: eine mögliche politische Option für China?"
https://youtu.be/CnK1N8Vtxiw


Anmerkungen:
[1] http://www.cn.undp.org/content/china/en/home/library/poverty/universal-basic-income--a-working-paper.html
[2] http://socialwork.columbia.edu/faculty/full-time/qin-gao/
[3] https://global.oup.com/academic/product/welfare-work-and-poverty-9780190218133


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2018

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