Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

JUGEND/322: Kambodscha - Sexuelle Aufklärung über das Internet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. November 2014

Kambodscha:
Sexuelle Aufklärung über das Internet - Jugendministerium startet E-Learning-Plattform

von Michelle Tolson



Provinz Koh Kong, Kambodscha, 6. November (IPS) - In Kambodscha verlagert sich der Aufklärungsunterricht für Jugendliche zunehmend in die virtuelle Sphäre. Junge Leute, die ohnehin häufig am Computer oder per Mobiltelefon im Internet surfen, können dort gezielt Informationen und Hilfsangebote finden.

Kambodscha wird zu den am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) gerechnet. 20 Prozent der Bevölkerung leben laut dem Welternährungsprogramm WFP unterhalb der Armutsgrenze und müssen mit umgerechnet 0,3 US-Dollar am Tag auskommen. 74 Prozent der Menschen in ländlichen Regionen sind Analphabeten.

Hilfsorganisationen, die in dem südostasiatischen Land großen Einfluss haben, konzentrieren sich im Bereich der reproduktiven Gesundheit eher auf Mütter und Risikogruppen wie Prostituierte. Vor allem die Kinder armer Familien in den Dörfern haben aber kaum Ansprechpartner, wenn es um vorehelichen Sex und andere Themen geht. Eine Reihe von Online-Angeboten soll nun diese Lücke schließen.


100 Schulen sollen durch Programm erreicht werden

Mit Unterstützung des Bildungs- und Jugendministeriums ist eine E-Learning-Plattform entwickelt worden, die als Pilotprojekt an 24 weiterführenden Schulen in den Provinzen Bantey Meanchey, Battambong, Pursat, Kampong Chhnang, Takeo, Kampot, Koh Kong sowie in Sihanoukville in der Provinz Kampong Som und in der Hauptstadt Phnom Penh erprobt wird. Das Programm soll auf 100 Schulen ausgeweitet werden.

Kuth Sovanno, ein Verwaltungsbeamter des Jugendministeriums, sieht die sozialen Netzwerke im Internet als ideale Verbreitungswege für die Informationen, die möglichst viele Jugendliche erreichen sollen. Anders als andere Regierungsstellen hält das Ministerium seine Website auf dem neuesten Stand.

Die Nutzung von Handys, die günstiger sind als Festnetzanschlüsse, hat in Kambodscha rasant zugenommen. Die Mobilfunk-Marktdurchdringung wird inzwischen auf 134 Prozent geschätzt. Soziale Netzwerke, die auch über Internetcafés erreicht werden, sollen bei den Wahlen 2013 eine wichtige Rolle gespielt haben.


Soziale Randgruppen im Fokus

"Auf diese Weise machen sich Jugendliche von den traditionellen Beschränkungen der sexuellen Aufklärung im Land frei", sagt Srun Srorn, Berater der Organisation 'One World UK', die mit dem Jugendministerium bei der Vorstellung von E-Learning-Programmen zusammenarbeitet. Srorn versucht über die sozialen Netzwerke vor allem Jugendliche zu erreichen, die gesellschaftlichen Randgruppen angehören. Dazu zählen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle (LGBT), Drogenkonsumenten, Sexarbeiter und Arbeitsmigranten. Seine Freiwilligen-Organisation 'CamASEAN' erreicht über das Internet rund 2.000 Mitglieder.

Die 28-jährige Chheon Rachana, die sich für LGBT-Themen engagiert, ist bei CamASEAN und bei der 'Rainbow Community Kampuchea' (RoCK) aktiv. Viele Mädchen wollten sich nicht an ihre Eltern oder Lehrerinnen wenden, wenn sie etwa Fragen zur Menstruation hätten, sagt sie. Mit ihren Freundinnen würden sie eher darüber sprechen.

Noch schwieriger ist es für junge Kambodschaner, sich über Themen wie Safer Sex, Abtreibungen und sexuelle Orientierung zu informieren. In Kambodscha verschafften sich die meisten Jugendlichen die Informationen aus Büchern und teilten dieses Wissen mit Freunden, sagt Rachana. Das Internet habe den Nachteil, dass die Inhalte nicht immer stimmten.


Erzieher werden internettauglich gemacht

Organisationen wie die Kambodschanische Vereinigung für reproduktive Gesundheit (RHAC), die auch die E-Learning-Initiative unterstützt, bilden Erzieher in mehreren Provinzen darin aus, Jugendlichen online genaue Informationen und psychologische Hilfe zu geben.

Sean Sok Phay, Geschäftsführer des Kinderhilfswerks 'Child Helpline Cambodia', das gemeinsam mit 'Inthanou' die Betreiber der neuen Website www.youthchat.org berät, sieht die Internet-Beratung als Möglichkeit, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken. Die Dienstleistungen kämen vor allem armen Jugendlichen in ländlichen Regionen zugute und seien kostenfrei erhältlich.

Das Jugendministerium brachte kürzlich ein Buch heraus, das sich mit den Veränderungen des Körpers in der Pubertät und Gefahren wie Drogenkonsum und sexuell übertragbare Krankheiten befasst. Dieses Buch wird mit dem E-Learning-Projekt kombiniert. Im Computerlabor der Koh-Kong-High-School werden den Schülern die Inhalte der Website zunächst offline zur Verfügung gestellt, weil die Internetverbindung sehr langsam ist.

"Mehr Jugendliche als früher haben vorehelichen Sex", erklärt Srorn von One World UK, der Lehrer in der Nutzung der E-Learning-Plattform ausbildet. Mädchen und Jungen träfen sich nicht nur bei Spaziergängen oder in HipHop-Clubs, sondern verabredeten sich auch online.


Hilfe nach Vergewaltigungen

Beratung über das Internet kann auch Leben retten. Laut einem 2013 veröffentlichten Bericht der Vereinten Nationen gaben 20 Prozent der Männer in Kambodscha an, mindestens eine Frau zum Sex gezwungen zu haben. Die Hälfte von ihnen erklärte, dies im Teenageralter getan zu haben.

Für die überlebenden Opfer kann eine Telefon- oder Online-Beratung ein wahrer Segen sein.

"Ein Mädchen, das in einem Dorf vergewaltigt wird, muss nicht nur mit Diskriminierung rechnen", sagt Sok Phay. "Es gibt dort auch niemanden, der ihr bei der Bewältigung des erlittenen Traumas hilft. Beratung über das Internet oder per SMS können hier eine wichtige Rolle spielen." (Ende/IPS/ck/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/11/learning-dating-and-hooking-up-sex-education-goes-online-in-cambodia/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. November 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2014