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KONFERENZ/191: NGO-Kritik an Ausgang der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juli 2015

Entwicklung: NGO-Kritik an Ausgang der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba

von Thalif Deen


Bild: © Eskinder Debebe/UN

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon (links) auf einer Pressekonferenz vor seiner Abreise aus Addis Abeba, wo er die Dritte Internationale Konferenz zur Klimafinanzierung besucht hatte
Bild: © Eskinder Debebe/UN

(IPS) - Die Dritte Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD3) in Addis Abeba war den Vereinten Nationen zufolge ein durchschlagender Erfolg. Doch etliche Nichtregierungsorganisationen monieren, dass eine wichtige Chance vertan wurde, um innovative Mechanismen der Entwicklungsfinanzierung auf den Weg zu bringen.

Die Vereinten Nationen feierten den Aktionsplan der Dritten Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (FfD3) in der äthiopischen Hauptstadt als "bahnbrechende Übereinkunft". Sie erklärten in einer Mitteilung im Anschluss an die Konferenz, dass in der sogenannten Addis-Abeba-Aktionsagenda (AAAA) mehr als 100 konkrete Maßnahmen enthalten seien. Zudem nehme sich das Dokument sämtlicher Möglichkeiten zur Entwicklungsfinanzierung an und decke eine Reihe von Fragen in den Bereichen Technologie, Wissenschaft, Innovation, Handel und Kapazitätenaufbau ab.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete das Abkommen vom 17. Juli als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft für alle, da es einen globalen Rahmen für eine nachhaltige Entwicklungsfinanzierung vorgebe. "Die in Addis Abeba erzielten Ergebnisse geben uns die Grundlagen für eine revitalisierte globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung an die Hand, die niemanden im Stich lässt."

Wu Hongbo, Generalsekretär der Konferenz, sprach von einer "historischen Konferenz, die einen Wendepunkt in der internationalen Zusammenarbeit markiert, durch den die notwendigen Investitionen für eine neue, transformative und nachhaltige Entwicklungsagenda bereitgestellt werden können, die das Leben der Menschen überall auf der Welt verändern werden".


"Keine neue Ressourcen"

Doch vielen Nichtregierungsorganisationen zufolge sind Entscheidungen über konkrete und wirksame Instrumente der Entwicklungsfinanzierung ausgeblieben. "Wir sind enttäuscht, dass der FfD-Prozess [mit den beiden vorangegangenen Konferenzen in Monterrey in Mexiko und Doha in Katar] keine neuen Ressourcen generiert hat, um die Investitionen zu finanzieren, die für die Armutsbekämpfung benötigt werden. Ebenso sind konkrete Maßnahmen ausgeblieben, um die Mängel des internationalen Finanzsystems zu lösen", sagte Danny Sriskandarajah, Generalsekretär von CIVICUS mit Sitz in Johannesburg, zum Abschluss der Konferenz.

"Das Ergebnis wird nicht für die notwendigen Steuerreformen sorgen, auf die die Zivilgesellschaft mehrheitlich gehofft hatte und die erforderlich sind, um die Ressourcen zu erhöhen, die für Entwicklungszwecke gebraucht werden", sagte Sriskandarajah und fügte hinzu, dass die reichen Staaten offenbar nicht gewillt seien, ihre öffentliche Entwicklungshilfe zu erhöhen. Diese sei nur ein Bruchteil dessen, was die Industriestaaten selbst vor Jahren versprochen hätten.

Martin Hojsik von 'ActionAid' sprach von einem Rückschlag im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit. Die Konferenz sei nicht dazu genutzt worden, um eine globale Steueraufsichtsbehörde zu beschließen. Den Entwicklungsländern, die jährlich Milliarden US-Dollar durch Steuerbetrug verlören, sei somit eine echte Mitsprache, wie sich ungerechte globale Steuerbestimmungen korrigieren ließen, versagt worden.

"Diese verlorenen Gelder hätten für den Zugang zu Bildung, Gesundheit und andere Möglichkeiten der Armutsbekämpfung verwendet werden können", sagte er. "Während die multinationalen Konzerne prosperieren, werden die Armen und Marginalisierten leiden. Der Kampf für ein faires globales Steuersystem sollte und darf nicht verloren werden."

In einer in Addis Abeba verbreiteten Mitteilung kritisierte 'Oxfam', dass das ungelöste Problem der Steuerhinterziehung und -vermeidung und die Privatisierung der Entwicklung die größten Schwachpunkte der FfD3-Erklärung darstellten. Gleichwohl hätten die angespannten Verhandlungen gezeigt, dass die Entwicklungsländer sich nicht mehr allzu lange hinhalten lassen würden.

Oxfam International-Geschäftsführerin Winnie Byanyima erklärte: "Heute lebt jeder siebte Erdenbürger in Armut und Addis Abeba war eine in zehn Jahren einmalige Chance, um die Ressourcen zu erschließen, die wir brauchen, um diesen skandalösen Zustand zu beenden. Doch die AAAA hat dafür gesorgt, dass die Versprechen eingefroren wurden und die Entwicklung dem Privatsektor ohne angemessene Sicherheitsvorkehrungen übertragen wurde."


"Schwacher Kompromiss"

Wie sie weiter erklärte, hätten die Entwicklungsländer in Addis Abeba an ihrer Forderung nach einer globalen Steuerbehörde festgehalten, die ihnen eine Mitsprache bei der Entwicklung von globalen Steuerregelungen ermöglichen würde. "Doch stattdessen kehren sie mit einem schwachen Kompromiss in der Tasche und dem Wissen heim, dass die fortgesetzten Schlupflöcher und Steuerbetrügereien die Ärmsten berauben werden."

Byanyima zufolge ist ein faires Steuersystem entscheidend für den erfolgreichen Kampf gegen Armut und Ungleichheit. "Bürger sollten sich darauf verlassen können, dass sie von ihren Regierungen die Dienstleistungen erhalten, die sie brauchen. Es macht aber keinen Sinn, die Entwicklungsländer zu höheren Investitionen aufzufordern, ohne gleichzeitig das globale Steuersystem zu reformieren, dass sie daran hindert", betonte sie.

Der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung war ein wichtiges Thema der Konferenz und der Vorverhandlungen in New York. Spätestens seit der Finanzkrise von 2008/2009 ist klar, dass eine Reform der Steuer- und Fiskalsysteme überfällig ist, um die Gefahren zu bannen, die vor allen den Entwicklungsländern durch die Liberalisierung der Finanzmärkte entstanden sind.

Immerhin sei zum ersten Mal ein globales Abkommen zustande gekommen, das die Schäden durch die illegalen Finanzströme und die Bedeutung anerkenne, endlich zu handeln, wie dies Forschungs- und Entwicklungsorganisationen seit zehn Jahren forderten, räumte Eric LeCompte, Geschäftsführer der Entschuldungsbewegung 'Jubilee USA Network', gegenüber IPS ein. Wie er weiter erklärte, verlieren die Entwicklungsländer eine Billion Dollar im Jahr aufgrund von Korruption und Steuerflucht. "Diese Ressourcen brauchen wir dringend für den Kampf gegen die Armut."

Das FfD3-Abschlussdokument fordert die UN-Mitgliedstaaten auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, bis 2030 für eine wesentliche Verringerung der illegalen Finanzflüsse (IFFs) inklusive Steuerflucht und Korruption zu sorgen mit dem Ziel, diese durch strikte nationale Regelungen und eine erhöhte internationale Zusammenarbeit vollständig zu eliminieren. Darüber hinaus fordert das Abschlusspapier "geeignete Institutionen und regionale Organisationen, die die Schätzungen über den Umfang und die Zusammensetzung der IFF veröffentlichen sollen".

Wie einer gemeinsamen Mitteilung der Organisationen 'Global Financial Integrity' (GFI), des 'Africa Progress Panel' (APP) und 'Jubilee USA' zu entnehmen ist, war die Forderung der aus 132 Entwicklungsländern bestehenden Gruppe der 77, die illegalen Finanzströme zu messen, bereits ein zentraler Streitpunkt bei den FfD3-Vorverhandlungen in New York gewesen. (Ende/IPS/kb/17.07.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/07/civil-society-sceptical-over-action-agenda-to-finance-development/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2015

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