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MELDUNG/087: Waffenhandel - Konsensregelung gefährdet "kugelsicheres" Abkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2012

Waffenhandel: Konsensregelung gefährdet "kugelsicheres" Abkommen

von Tressia Boukhors

Die Skulptur 'Non Violence' von Fredrik Reuterswärd vor dem UN-Sitz in New York - Bild: © Tressia Boukhours/IPS

Die Skulptur 'Non Violence' von Fredrik Reuterswärd vor dem UN-Sitz in New York
Bild: © Tressia Boukhours/IPS

New York, 20. Februar (IPS) - In New York ist das letzte von vier Vorbereitungstreffen für die im Juli geplante UN-Konferenz zugunsten eines international verbindlichen Waffenhandelsabkommens (ATT) zu Ende gegangen. Eine Konsensregelung, die von einigen wenigen Ländern durchgedrückt wurde, gibt Anlass zur Sorge.

Mit der Annahme des Berichts durch den Vorsitzenden des Vorbereitungskomitees, Roberto Moritan, wurde der ATT-Vorbereitungsprozess abgeschlossen. Der Bericht beinhaltet ein inoffizielles Dokument Moritans, das bei den Verhandlungen im Sommer als Vorlage dienen wird.

Bei Menschenrechtlern hat das Ergebnis der Konferenz gemischte Reaktionen hervorgerufen. "Das Dokument folgt zu 70 Prozent unseren Empfehlungen", sagte Aymeric Elluin von 'Amnesty International' gegenüber IPS.

Allerdings sorgte die auf dem einwöchigen Treffen von einigen Staaten wie Iran, Kuba, Russland, Syrien und USA durchgesetzte Konsensregelung, die jedem Staat ein Vetorecht zugesteht, für Kritik. Derartige Konsensverhandlungen seien extrem schwierig zu führen und könnten eine Übereinkunft verzögern, warnte Elluin.


Waffenmissbrauch verhindern

Die Niederschlagung der Proteste in Syrien und anderen Ländern in Nahost und Nordafrika hat nach Ansicht von Menschenrechtlern gezeigt, dass ein globales Abkommen zur Regulierung des Handels mit konventionellen Waffen überfällig ist, um einen Missbrauch zur Unterdrückung der Bürger zu unterbinden.

Dem UN-Büro für Abrüstungsfragen zufolge ist der globale Handel mit konventionellen Waffen - von Kriegsschiffen über Panzer bis zu Kampfjets und Maschinengewehren - nur unzureichend geregelt. So fehlen international verbindliche Standards, die eine angemessene Verwendung der Waffen gewährleisten würden.

Es gibt so gut wie keinen Staat, der nicht in den internationalen Waffenhandel verstrickt ist - ob als Import-, Export- oder Transitland. Die USA sind der größte globale Waffenproduzent, gefolgt von Russland und den 'Großen Drei' Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie China. Indien, Pakistan und Saudi-Arabien sind die führenden Waffenimporteure. Das Gleiche lässt sich auch über einige große Waffenlieferanten wie den USA sagen.

Besorgt über die unkontrollierte Verbreitung der Waffen hatte die UN-Vollversammlung 2009 beschlossen, 2012 eine internationale Konferenz über ein Waffenhandelsabkommen einzuberufen, auf der möglichst hohe Standards für den Transfer konventioneller Waffen gesetzt werden sollen.

"Wie wir im Fall Syrien sehen können, führen Vetorechte zu Untätigkeit. Sie behindern zudem die Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft, Konflikten vorzubeugen", warnte Jeff Abramson, Koordinator der Waffenkontrollkoalition mit Blick auf die jüngste Paralyse des UN-Sicherheitsrates in der Syrien-Frage. "Der Wunsch einer Mehrheit nach einem kontrollierten Waffenhandel darf nicht von einer kleinen Staatenminderheit unterlaufen werden, die den Prozess verlangsamen oder stören will."

Wie Abramson weiter betonte, vernichtet der unkontrollierte Waffenhandel Menschenleben und Lebensgrundlagen. "Die Mehrheit der Staaten will ein wirklich 'kugelsicheres' Abkommen und keins, das von einigen wenigen torpediert wird."


Extrawürste

Russland, China und die USA kochen ihr eigenes Süppchen. Sie wollen, dass die Frage der Menschenrechte aus dem ATT ausgeklammert wird. Washington will dies auch für Munition. China wiederum stemmt sich gegen die Aufnahme von Kleinwaffen in die Übereinkunft, während Russland lediglich den illegalen Waffenhandel kontrolliert sehen will.

"Ein starkes ATT mit einem robusten Menschenrechtskriterium würde klarstellen, dass Waffenlieferungen nicht erfolgen dürfen, wenn ein substanzielles Risiko besteht, dass sie dazu verwendet werden, Zivilisten umzubringen und Menschenrechtsverletzungen zu begehen", meinte Abramson.

Am 14. Februar hatte eine Gruppe Friedensnobelpreisträger ein umfassendes und effektives ATT gefordert. So erklärte der ehemalige costaricanische Präsident Oscar Arias Sanchez, dass die Herausforderung nicht darin besteht, für die Unterzeichnung eines Abkommens zu sorgen. "Die vor uns liegende Herausforderung besteht darin, den Opfern von Gewalt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die vor uns liegende Herausforderung besteht darin, dass wir dafür sorgen, dass unser Ziel Wirklichkeit wird." (Ende/IPS/kb/2012)


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http://www.controlarms.org/negotiations
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106804

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012