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MELDUNG/097: UNO - Internationale Atomenergieorganisation unterfinanziert, Denkfabrik schlägt Alarm (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2012

UNO: Internationale Atomenergieorganisation unterfinanziert - Denkfabrik schlägt Alarm

von Carey L. Biron



Washington, 3. Juli (IPS) - Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA ist laut einer Studie einer kanadischen Denkfabrik "erheblich unterfinanziert". Demnach wirtschaftet die Organisation, die den Vereinten Nationen durch ein Sonderabkommen verbunden ist, mit einem Budget, dessen Deckelung vor 30 Jahren festgelegt wurde.

Der am 25. Juni vom 'Centre for International Governance Innovation' (CIGI) veröffentlichte Bericht warnt davor, dass die Funktionsfähigkeit der IAEA eingeschränkt sei. Die Atombehörde, die als weltweit einzige Organisation der UN-Vollversammlung regelmäßig über atomare Risiken berichtet, wird ausschließlich durch freiwillige Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert.

"Trotz des wohlverdienten Rufs und ihrer offensichtlich brillanten Ausblicke erscheint die Organisation unterversorgt. Ihre Kompetenzen sind erheblich eingeschränkt, und ihre fachlichen Fortschritte sind oft durch politische Kontroversen überschattet", heißt es in dem Report.

Das Budget der IAEA, die etwa 2.300 Mitarbeiter hat, wird mit 321 Millionen Euro angegeben. "Im Verhältnis zu dem, was die Organisation tatsächlich leistet, ist dies eine winzige Summe", sagte der Autor der Studie Trevor Findlay bei der Vorstellung der Ergebnisse im Washingtoner Büro des 'Stockholm International Peace Research Institute'. Nach dem Stand von 2010 überwacht die Behörde die Sicherheit von 949 Atomanlagen in 175 Ländern. Allein 2010 nahmen Inspektoren mehr als 2.100 Kontrollen vor Ort vor.

Seit ihrer Gründung 1953 hat die Atomorganisation von mehreren Seiten Lob erhalten. Zugleich wurde allerdings auch eingeräumt, dass ihr finanzieller Spielraum begrenzt sei. Findlay warnte nun davor, dass das gute Funktionieren der IAEA durch die Budgetbegrenzungen gefährdet sei.


Größte Beitragszahler setzten Budgetdeckelung durch

Die Probleme hängen damit zusammen, dass die Vereinten Nationen Mitte der achtziger Jahre die Strategie eines 'realen Nullwachstums' verkündeten. Dies bedeutete, dass die Budgets nicht über den Mittelwert der Inflation hinaus steigen durften. Darauf hatte die so genannte Genfer Gruppe, ein Zusammenschluss der größten UN-Beitragszahler, gedrungen.

Im Fall der IAEA wurde das Budget bis 2003 eingefroren und danach vor allem auf Druck der USA geringfügig erhöht. Die Vereinigten Staaten gehören weiterhin zu den wichtigsten Unterstützern der IAEA. Staatspräsident Barack Obama drang darauf, den Etat der Organisation zu verdoppeln und die freiwilligen Zahlungen seines Landes signifikant zu erhöhen.

Obwohl der finanzielle Spielraum nicht erweitert wurde, erhielt die Organisation im Laufe der Jahre immer mehr Aufgaben. Nach Schätzungen der IAEA dürfte sich der Bereich der Atomenergie in den kommenden 20 Jahren noch um das Doppelte vergrößern.

Wie Findlay ausführte, haben die Budgetbeschränkungen weit verzweigte Auswirkungen. Er forderte, dass die finanzielle Ausstattung der Organisation den tatsächlichen Bedürfnissen angepasst werden müsse, damit alle Aufgaben vollständig wahrgenommen werden könnten. "Die IAEA verfügt weder über die neuesten Technologien noch über ausreichendes Personal", kritisiert der Bericht. "Besonders beunruhigend ist, dass die Organisation mit ihren eigenen Mitteln nicht feststellen konnte, dass Staaten wie der Irak, Iran und Libyen in gravierender Weise gegen die Sicherheitsauflagen verstoßen haben."

Unmittelbar nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima im März 2011 war die IAEA mehr als 24 Stunden nicht handlungsfähig. Beobachter sehen darin nicht nur ein gefährliches Versagen der Atomorganisation, sondern beanstanden zudem, dass keine andere internationale Organisation mit der Überwachung der nuklearen Sicherheitslage auf der Welt befasst sei.


Iranisches Atomprogramm nicht vollständig unter Kontrolle

Nach Ansicht vieler Experten haben die Vorfälle in Fukushima und im Iran gezeigt, dass die Arbeit der IAEA überprüft werden müsse. Obwohl sich die Organisation seit Jahren intensiv mit dem Iran beschäftigt habe, sei das Land dem Besitz von Atomwaffen näher gekommen als je zuvor. Findlay äußerte sich besorgt darüber, dass die IAEA nicht in der Lage sei, auf die fortgesetzte Missachtung internationaler Abkommen zu reagieren.

Eine Korrektur des Budgets würde allerdings nur einen Teil der Probleme lösen, meinte er. In seinem Bericht gibt er 20 Empfehlungen ab. In der Iran-Frage habe sich gezeigt, dass sich die Verwaltung der IAEA vor allem in der jüngsten Zeit auf gefährliche Weise gespalten habe.

"Eine fortschreitende Politisierung hat die Entscheidungsgremien der Organisation geschwächt", stellte er fest. So habe es innerhalb der IAEA auch im Fall des israelischen Atomprogramms sowie bei der Einhaltung der nuklearen Sicherheit im gesamten Nahen Osten abweichende Abstimmungsergebnisse gegeben. Findlay führt diese Entwicklung unter anderem darauf zurück, dass die Entwicklungsländer eine aktivere Rolle innerhalb der Organisation übernommen hätten. Die Blockfreienbewegung (NAM), die angeblich als 'diplomatisches Bollwerk' des Irans fungiert, habe zunehmend an Einfluss gewonnen.

Auch der Westen wird für eine Politisierung der IAEA mit verantwortlich gemacht. US-Staatssekretär Nicholas Burns soll die hohe Beitragssumme der USA für die Atomenergiebehörde - 25 Millionen Dollar - als Argument angeführt haben, um den früheren IAEA-Chef Mohamed El Baradei davon zu überzeugen, die US-Politik gegenüber dem Iran zu unterstützen.

Auch wenn der Report einige Strategien anbietet, mit denen die Uneinigkeit innerhalb der IAEA überwunden werden könnte, sieht Findlay eine Beeinflussung der Organisation durch die Politik als unvermeidlich. Da die Mitgliedsstaaten die Dienstleistungen der IAEA bezahlten, hätten sie auch "die letztliche Kontrolle über deren Zukunft". (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.cigionline.org/publications/2012/6/unleashing-nuclear-watchdog-strengthening-and-reform-of-iaea
http://www.sipri.org/
http://www.iaea.org/
http://www.ipsnews.net/2012/06/atomic-energy-agency-dangerously-weak-warns-report/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2012