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ORGANISATION/516: Weltweit immer mehr Kinder und Jugendliche Opfer von Menschenhandel (UNICEF)


UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen - Köln, 10.01.2013

UNICEF und Ecpat:
Weltweit immer mehr Kinder und Jugendliche Opfer von Menschenhandel



Berlin, den 10. Januar 2013. UNICEF Deutschland und die Kinderschutzorganisation ECPAT rufen gemeinsam zu besserem Schutz und Hilfe für die Opfer von Kinder- und Menschenhandel auf. Nach neuesten Informationen der Vereinten Nationen aus 132 Staaten sind weltweit heute rund 27 Prozent der entdeckten Opfer von Menschenhandel Kinder und Jugendliche - zwei Drittel davon Mädchen. Sie sind brutaler Ausbeutung, systematischem Missbrauch und Gewalt ausgeliefert. In den Jahren 2003 bis 2006 lag der Anteil der Minderjährigen noch bei rund 20 Prozent. Zwar haben viele Regierungen polizeiliche und rechtliche Maßnahmen ergriffen, um gegen diese schweren Verbrechen vorzugehen. Doch immer noch werden viele Opfer von Kinder- und Menschenhandel nicht als solche erkannt oder sind unzureichend geschützt - was die Strafverfolgung der Täter zusätzlich erschwert.

UNICEF Deutschland und ECPAT veröffentlichen ihren Aufruf im Vorfeld der Ausstrahlung des ARD-Spielfilms "Operation Zucker" am 16.1., der das Schicksal verschleppter und missbrauchter Kinder eindringlich schildert.

"Menschenhandel ist ein weltweites Geschäft, in dem vor allem Frauen und Kinder ausgebeutet werden", erklärte Anne Lütkes, Vorstand von UNICEF Deutschland. "Armut, zerrüttete Familien und Diskriminierung, unzureichende staatliche Strukturen und Korruption machen es kriminellen Banden leicht, neue Opfer zu finden. Sie bedienen die große Nachfrage nach billigen Arbeitskräften und nach 'sexuellen Dienstleistungen'."

"In Deutschland stellt die Bekämpfung des Menschenhandels ein wichtiges Thema dar", sagte Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes. "Aus polizeifachlicher Sicht könnte die Einführung verbesserter Aufsichts-, Kontroll- und Überwachungsbefugnisse, wie sie die Innenministerkonferenz im November 2010 gefordert hat, einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Verbesserung des Schutzes von Frauen, die in der Prostitution arbeiten, leisten."

"Das Wissen der Behörden und die bestehenden Einrichtungen für die Unterstützung und den Schutz der Opfer von Kinder- und Menschenhandel reichen nicht aus", sagte Mechtild Maurer, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung e.V. ECPAT. "Deutschland muss die entsprechende EU-Richtlinie voll und ganz umsetzen und den Opferschutz insbesondere für minderjährige Flüchtlinge verbessern."


Falsche Versprechungen auf ein besseres Leben

Kinder- und Menschenhandel sind nach Einschätzung von UNICEF weltweit ein Milliardengeschäft. Die Europäische Kommission geht von jährlichen Profiten für die kriminellen Netzwerke von über 25 Milliarden Euro im Jahr aus. Besonders gefährdet sind Kinder und Heranwachsende in armen Regionen, die in zerrütteten Familien oder ohne ihre Eltern in Heimen oder bei Verwandten bzw. Nachbarn leben. Aufgrund der wirtschaftlichen Misere haben zum Beispiel zehntausende Eltern aus Ländern wie Moldawien, Bulgarien und Rumänien ihre Heimat verlassen und arbeiten im europäischen Ausland. Allein in Rumänien wachsen deshalb nach Schätzungen der Behörden rund 80.000 Kinder ohne Vater oder Mutter auf. Häufig treten Vermittler aus der Nachbarschaft oder der Region auf und versprechen den Heranwachsenden zum Beispiel eine Ausbildungsstelle. Einmal unter der Kontrolle der Täter, sind sie ihnen oft jahrelang ausgeliefert. Sie werden gegen ihren Willen festgehalten, geschlagen, gedemütigt. Rund zwei Drittel der weltweit entdeckten Opfer wurden zur Prostitution gezwungen. Andere müssen sch were körperliche Arbeit verrichten, Betteln gehen oder werden zwangsverheiratet. Die Ausbeutung setzt sich oft im Erwachsenenalter fort.


Schwierige Strafverfolgung - unzureichender Schutz der Opfer

Um Kinder- und Menschenhandel zu verhindern, braucht es wirksame Gesetze, eine konsequente, grenzübergreifende Strafverfolgung, intensive Aufklärung in den Herkunftsländern über die Gefahren und frühzeitige Hilfsangebote für bedrohte Kinder. Zwar haben Strafverfolgung, Anklagen und Verurteilungen weltweit zugenommen. Dennoch wird bisher nur eine kleine Zahl von Tätern zur Verantwortung gezogen. In der gesamten EU wurden 2010 lediglich 1.250 Täter wegen Menschenhandel verurteilt.

In Deutschland wurden laut "Lagebild Menschenhandel" des Bundeskriminalamtes in 2011 insgesamt 482 Verfahren im Bereich des "Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" abgeschlossen. Allerdings werden sexueller Missbrauch, Kinderpornografie oder Kinder, die zum Betteln gezwungen werden, bisher nicht in dieser Kategorie erfasst.

Die Verfahren kommen in der Regel durch Polizeikontrollen zustande - Anzeigen von Opfern sind selten, weil sie Angst haben. Die Mehrzahl der 2011 in Deutschland entdeckten 640 Opfer war unter 21 Jahre alt, 12 Prozent zwischen 14 und 17, 13 Opfer waren sogar jünger als 14 Jahre. Das Bundeskriminalamt geht weiter von einem erheblichen Dunkelfeld aus.

Eine wichtige Voraussetzung für wirksame Strafverfolgung sind die Aussagen der Opfer. Oftmals wollen diese aber aus Angst oder Scham oder weil sie bedroht werden nicht mit der

Polizei sprechen oder vor Gericht aussagen. Vielfach ziehen sie Zeugenaussagen wieder zurück. Sprachprobleme stellen eine zusätzliche Hürde dar.

Aus der Sicht von UNICEF und ECPAT müssen Schutz und Hilfe für die Betroffenen verbessert werden. Dazu gehören zum Beispiel Rechtsbeistand, Aufenthaltserlaubnisse, Unterkünfte, medizinische Versorgung und Unterstützung bei der Rückkehr in die Heimat.

  • Das Dunkelfeld muss weiter "erhellt" werden. Dazu brauchen die Behörden ausreichende Kapazität, um über Einzeltäter hinaus kriminelle Netzwerke - auch über Landesgrenzen hinaus - wirkungsvoller verfolgen zu können.
  • Minderjährige Opfer brauchen besonderen Schutz und spezielle Hilfe. Die Rechte der betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen jederzeit sichergestellt werden - auch wenn sie möglicherweise nicht als Zeugen aussagen können. Hierzu bedarf es umfassender Opferschutzrichtlinien. Schulungen und Fortbildungen für die Fachleute in Behörden und Beratungsstellen sind notwendig.
  • Die Opfer brauchen kompetente Anlaufpunkte, vertrauensvolle Beratung sowie psychologische und medizinische Hilfe. Sie müssen ihre Rechte kennen und dürfen durch die Androhung von Abschiebungen nicht zusätzlich verängstigt werden. Sie brauchen Zeit, um ihre traumatischen Erfahrungen zu überwinden.
  • Bedrohte Kinder und Jugendliche und ihre Familien müssen in den Herkunftsländern frühzeitig aufgeklärt und informiert werden. Der Kinder- und Jugendschutz muss gestärkt werden. Bei einer Rückkehr brauchen sie Begleitung und Unterstützung.


Weitere Informationen auf
www.unicef.de

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Quelle:
UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
Pressemitteilung vom 10. Januar 2013
Herausgeber: Deutsches Komitee für UNICEF, Pressestelle
Höninger Weg 104, 50969 Köln
Telefon: 0221/936 50-0, Fax: 0221/93 65 02 79
E-Mail: mail@unicef.de
Internet: www.unicef.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2013