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ORGANISATION/553: Untersuchung sexueller Übergriffe durch UN-Soldaten in Zentralafrikanischer Republik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2015

UN: Externe Untersuchung sexueller Gewalt in Zentralafrikanischer Republik angekündigt

von Thalif Deen

Bild: © Nicolas Rost/OCHA

Eine Flüchtlingsfamilie in Bouar in der Zentralafrikanischen Republik
Bild: © Nicolas Rost/OCHA

NEW YORK (IPS) - Die Vereinten Nationen haben eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe gegen französische Soldaten angekündigt, Kinder und Jugendliche im letzten Jahr in der Zentralafrikanischen Republik sexuell missbraucht zu haben.

Wie UN-Sprecher Stephane Dujarric am 3. Juni vor Journalisten in New York erklärte, wird das Expertenteam nicht nur den konkreten Anschuldigungen nachgehen, sondern darüber hinaus den allgemeinen Umgang der Vereinten Nationen mit Informationen über sexuelle Übergriffe von UN-Einsatzkräften untersuchen.

Mit der Einrichtung eines solchen Expertenteams, dessen Zusammensetzung in der zweiten Juniwoche bekannt gegeben werden soll, reagiert die Weltorganisation auf Vorwürfe, Sexualstraftaten im Rahmen von UN-Einsätzen zu dulden, wenn nicht gar vertuschen zu wollen.


"Schritt in die richtige Richtung"

Paula Donovan, Kodirektorin der Hilfs- und Lobbyorganisation 'AIDS-Free World', hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass die in einem lange unterdrückten Bericht erhobenen Anschuldigungen an die Öffentlichkeit gelangten. Die Einrichtung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses bezeichnete sie gegenüber IPS als "einen Schritt in die richtige Richtung". Allerdings müsse gewährleistet sein, dass ausschließlich externe Experten in das Ermittlungsteam aufgenommen würden, "da ja Vertreter des UN-Generalsekretariats schlecht gegen sich selbst ermitteln können".

Wie Donovan weiter erklärte, hofft sie, dass der Untersuchungsausschuss nicht von UN-Vertretern dazu missbraucht werde, Aussagen zu aktuellen oder künftigen sexuellen Übergriffen in UN-Einsatzgebieten mit dem Argument der laufenden Ermittlungen zu verweigern.

Dujarric versicherte, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sowohl die Missbrauchsvorwürfe als auch die Kritik an deren Umgang durch Teile des UN-Systems sehr ernst nehme. Mit der Einrichtung des unabhängigen Untersuchungsausschusses wolle er zeigen, dass die Vereinten Nationen die Opfer nicht im Stich ließen, erst recht nicht, wenn die Verbrechen von denjenigen begangen würden, die sie eigentlich schützen sollten.

In der Zentralafrikanischen Republik tobt seit dem Sturz des ehemaligen Präsidenten François Bozizé im Jahre 2012 ein Bürgerkrieg. Obwohl das Land inzwischen eine Übergangsregierung hat, gehen die Kämpfe zwischen muslimischen Séléka- und antimuslimischen Anti-Balaka-Rebellen weiter. Im Westen des Landes sollen hunderte Muslime in Enklaven im Westen des Landes eingeschlossen sein und Gefahr laufen, von den Anti-Balaka-Kämpfern ermordet zu werden. UN-Vertreter sprechen von ethnischen Säuberungen.


Glaubwürdige Maßnahmen erforderlich

In einer am 3. Juni verbreiteten Mitteilung nannte AIDS-Free World drei Herausforderungen, denen sich die UN und der Generalsekretär im Kampf gegen sexuelle Gewalt im Rahmen von UN-Einsätzen künftig stellen müssten. Zum einen gelte es sicherzustellen, dass ausschließlich UN-ferne Experten in das Untersuchungs-Panel aufgenommen würden. Zweitens müsse klar sein, dass sich die Ermittlungen auch gegen hochrangige UN-Mitarbeiter, inklusive Untergeneralsekretäre, richteten. Drittens gelte es den vom UN-Chef erwähnten Aspekt, sich "einer breiten Palette systemischer Fragen" zu stellen, zu berücksichtigen.

Dem Statement zufolge dürfe niemand, ob Chef des UN-Ethik-Büros, Leiter des Mitarbeiterstabs des UN-Generalsekretärs oder Untergeneralsekretär des UN-Büros für interne Überprüfung, von den Ermittlungen verschont bleiben.

"Die Tatsache, dass die UN fast ein ganzes Jahr lang geschwiegen haben, nachdem sie selbst die sexuellen Übergriffe von Blauhelmen (auch wenn es sich um nicht UN-Truppen handelte) festgestellt hatten, legt an sich schon ein trauriges Zeugnis über die vom UN-Generalsekretär erklärte 'Null-Toleranz-Politik' ab", so UNAIDS Free World in der Mitteilung. Die französischen Truppen, seit der Unabhängigkeit der Zentralafrikanischen Republik 1960 vor Ort stationiert, unterstützen die dortige UN-Mission MINUSCA.

Sollte Ban Ki-moon daran interessiert sein, den Ruf seiner Null-Toleranz-Politik zu retten, müsse er dafür sorgen, dass Fahrlässigkeit und Fehlverhalten ein für alle Mal ein Ende hätten, so AIDS-Free World.

Im vergangenen Jahr waren mehr als 50 Sexualdelikte durch UN- oder UN-nahe Einsatzkräfte bekannt geworden. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Experten machen für die gängige Straffreiheit der Täter hauptsächlich die diplomatische Immunität verantwortlich.


Neue Chance für alten Vorschlag

Ein 2008 unterbreiteter Vorschlag, Sexualstraftäter in den Reihen von UN-Friedensmissionen mit Hilfe eines internationalen Abkommens zur Verantwortung zu ziehen, wurde nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Mit einer von AIDS-Free World vor einigen Wochen gestarteten 'Code Blue-Kampagne' könnte dies anders werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Vorschlag von Entwicklungsländern abgeschmettert wird, die die meisten Soldaten für die derzeit 16 Friedensmissionen bereitstellen.

Bei den weltweiten Operationen sind derzeit 106.595 Militärs und 17.000 Zivilisten im Einsatz. Die meisten kommen aus Bangladesch (9.307), aus Pakistan (8.163), aus Indien (8.112), aus Äthiopien (7.864) und aus Ruanda (5.575). (Ende/IPS/kb/04.06.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/06/u-n-sets-up-independent-panel-to-probe-sexual-abuses-in-car/

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IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2015

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