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ORGANISATION/572: UN-Vollversammlung - Finanzierungsprioritäten in der Kritik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. September 2015

Entwicklung: "Warum finden sich für die Vernichtung von Menschen leichter Ressourcen als für ihren Schutz?" - Finanzierungsprioritäten in der Kritik

von Thalif Deen



Bild: © Cia Pak/UN

US-Präsident Barack Obama vor der UN-Vollversammlung
Bild: © Cia Pak/UN

NEW YORK (IPS) - Bei der der Eröffnung der UN-Vollversammlung hat Generalsekretär Ban Ki-moon den Mangel an Empathie in Zeiten politischer Krisen kritisiert. "Hundert Millionen Menschen brauchen Soforthilfe. 60 Millionen sind zur Flucht aus ihrem Heimatland gezwungen", sagte er vor den versammelten Staats- und Regierungschefs.

Die Weltorganisation hat den diesjährigen Finanzierungsbedarf mit 20 Milliarden Dollar angegeben. Das ist das Sechsfache von dem, was die UN noch vor einem Jahrzehnt benötigt hatten. Wie Ban betonte, reichen die vorhandenen Mittel vorne und hinten nicht aus und seien zur Rettung der vielen Menschenleben gänzlich unzureichend.

"Wir verfügen gerade einmal über die Hälfte der Hilfsgelder für die Versorgung der Menschen des Iraks, Südsudans und Jemens", erläuterte er. Für die Menschen in Syrien steht nur ein Drittel der erforderlichen Ressourcen bereit. Im Jemen sind 21 Millionen Menschen - 80 Prozent der Bevölkerung - auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Die Finanzierung des UN-Hilfsplans für die Ukraine ist Ban zufolge nur zu 39 Prozent gesichert. Der Spendenaufruf für Gambia, wo Hunger und Unterernährung jedes vierte Kind in seiner Entwicklung hemmen, ist auf gar keine Resonanz gestoßen. Trotz dieser immensen Finanzierungsengpässe würden weiterhin Billionen US-Dollar in die Rüstung gesteckt, betonte er. "Warum ist es leichter, Gelder für die Vernichtung der Menschen aufzutreiben als für deren Schutz?"


Neue Front gegen den IS

US-Präsident Barack Obama sprach in seiner fast 45-minütigen Ansprache eine Vielfalt von Themen an. Sein Erscheinen vor der UN-Vollversammlung erfolgte etwa zeitgleich mit der Bekanntgabe, dass sich Russland, der Iran, der Irak und Syrien zu einer Koalition zusammenschließen würden, um die Islamisten des Islamischen Staates (IS) zu bekämpfen, während die westliche Koalition im Kampf gegen die Terrorgruppe bislang auf verlorenen Posten steht.

"Es gibt keinen Ort für einen apokalyptischen Kult wie den IS, und die USA werden sich auch nicht für den Einsatz unseres Militärs im Rahmen eines breiten Bündnisses zu ihrer Verfolgung entschuldigen", ließ Obama wissen. "Wir tun dies aus der Entschlossenheit heraus, sicherzustellen, dass es für Terroristen, die solche Verbrechen begehen, niemals einen sicheren Hafen geben wird."

Allerdings seien militärische Maßnahmen nicht ausreichend, um die Krise in Syrien zu lösen, räumte der US-Präsident ein. Eine nachhaltige Stabilität lasse sich nur mit Hilfe eines Abkommens erreichen, in dem sich das syrische Volk zu einem friedlichen Zusammenleben verpflichte.

Obama zufolge sind die USA bereit, mit jedem Land, auch mit Russland und dem Iran, zusammenzuarbeiten, um den Konflikt zu lösen. "Doch wir müssen anerkennen, dass es nach einem solchen Blutvergießen, einem solchen Gemetzel, keine Rückkehr zum Status quo der Vorkriegszeit geben kann."

Wie Ray Offenheiser von der Hilfsorganisation 'Oxfam America' im Gespräch mit IPS erklärte, hoffe man, dass Obama seinen Worten Taten folgen lassen und sich persönlich für einen Friedensprozess einsetzen werde. "Wir brauchen dringend einen inklusiven Friedensprozess - es muss Druck auf alle Konfliktparteien ausgeübt werden, damit diese wahllosen Übergriffe beendet und der Zugang zu humanitärer Hilfe vergrößert werden kann", so Offenheiser.

"Wir begrüßen Obamas jüngste Ankündigung, dass die USA mehr Flüchtlinge aufnehmen werden", sagte er, doch werde nicht schnell und umfassend genug reagiert. "Wir fordern Washington auf, im kommenden Haushaltsjahr mindestens 100.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Die USA können und sollten mehr tun, um dem Millionen Kriegsflüchtlingen Schutz und Sicherheit zu bieten."

Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Roussef erinnerte in ihrer Rede an die Erfolge und Rückschläge der Weltorganisation seit deren Gründung vor 70 Jahren. Die Vereinten Nationen hätten ihre Entwicklungsagenda zugunsten wichtiger Fragen wie Umwelt, Armutsbekämpfung, soziale Entwicklung und Zugang zu qualitativ hochwertigen Dienstleistungen verbreitert. Außerdem würden Herausforderungen wie die zunehmende Verstädterung und die Geschlechtergleichheit mittlerweile prioritär behandelt.


Bei Friedensmandat haben die UN versagt

Doch was die kollektive Sicherheit angehe, seien die Vereinten Nationen weniger erfolgreich gewesen. Die Zunahme der zum Teil höchst destruktiven Konflikte sowie die Ausweitung des internationalen Terrorismus, die Vernichtung von Menschenleben und Kulturstätten sowie die Vertreibung von Millionen Menschen zeigten die immensen Herausforderungen, mit denen sich die Weltorganisation konfrontiert sehe.

"Wir dürfen diese barbarischen Akte, wie sie von dem sogenannten Islamischen Staat und verwandten Gruppen begangen werden, nicht tolerieren", betonte die brasilianische Staatschefin. Sie seien eine Ursache der Flüchtlingskrise, wie sie die Menschheit derzeit erlebe.

Ein beträchtlicher Anteil der Menschen, die über das Mittelmeer aus ihren Ländern fliehen würde, stamme aus den Regionen Nahost und Nordafrika. Militärische Interventionen, die mit dem Völkerrecht unvereinbar seien, hätten die staatlichen Institutionen zerstört und somit einen Nährboden für den Terrorismus geschaffen, erklärte sie vor der UN-Vollversammlung. (Ende/IPS/kb/29.09.2015)


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IPS-Tagesdienst vom 29. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2015

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