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ORGANISATION/605: Kinder im Jemen brauchen Frieden (UNICEF)


UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen - Genf, 03. Juli 2018

Kinder im Jemen brauchen Frieden

Statement von UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta H. Fore zur Situation im Jemen


"Der gnadenlose Konflikt im Jemen hat ein Land, das bereits am Rande des Abgrunds stand, in eine tiefe Krise gestürzt. Soziale Dienste funktionieren kaum noch. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen. Preise sind in die Höhe geschnellt. Krankenhäuser wurden beschädigt. Schulen wurden zu Notunterkünften umgewandelt oder wurden von bewaffneten Gruppen eingenommen.

Ich war gerade in Aden und Sanaa und habe gesehen, was drei Jahre intensiven Krieges nach Jahrzehnten von Unterentwicklung und globaler Gleichgültigkeit bei Kindern anrichten können: Sie werden aus der Schule genommen, zum Kämpfen gezwungen, verheiratet, sie sind hungrig und sterben an vermeidbaren Krankheiten.

Elf Millionen Kinder im Jemen [1] - mehr als die ganze Bevölkerung der Schweiz - brauchen heute Hilfe für Lebensmittel, medizinische Behandlung, Bildung, Wasser und Hygiene.

Seit 2015 hat über die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen ihre Arbeit eingestellt, und 1.500 Schulen wurden durch Luftangriffe und Beschuss beschädigt. Mindestens 2.200 Kinder wurden getötet und 3.400 verletzt. Das sind nur die Fälle, die wir in der Lage sind zu überprüfen. Die tatsächlichen Zahlen könnten sogar noch höher sein. Es gibt keine Rechtfertigung für dieses Blutbad.

In Aden hat mir ein junges Mädchen in einem Zentrum, in dem psychosoziale Hilfe für aus Hudeida geflüchtete Kinder angeboten wird, die Zeichnung einer Welt gegeben, in der sie gerne leben würde. Darauf war ein hübsch angezogenes Mädchen zu sehen, das an einem sonnigen Tag mit ihrer Freundin in einem Park sitzt, direkt neben einem großen Haus. Es war das Gegenteil der Wirklichkeit um sie herum, einer Welt der Vertreibung, Zerstörung und Angst.

In Sanaa habe ich in einer Station für mangelernährte Kinder ein acht Monate altes Kind gesehen, das nicht mehr als ein neugeborenes Baby wog. Auf einer Intensivstation habe ich winzige Babys in Inkubatoren gesehen, denen das Atmen schwer fällt. Unter ihnen waren auch siamesische Zwillinge, die eine Operation brauchen, um zu überleben - eine Operation, die sie im Jemen nicht erhalten können.

Die Station im größten Krankenhaus der Stadt hat keine Notstrom-Versorgung und ist bei Stromausfällen auf benzinbetriebene Generatoren angewiesen. Aber Stromausfälle sind häufig, und Benzin ist rar und teuer. Ich habe engagierte, überlastete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getroffen, die ihr Bestes tun, um Leben zu retten und ihren Patienten kostenlose Behandlung und Medikamente anbieten. Sie haben vermutlich geholfen, den schlimmsten Cholera-Ausbruch in der Geschichte zu dämpfen. Aber sie haben seit zwei Jahren keinen Lohn bekommen.

5.000 Familien aus Hudeida geflohen

Und der Konflikt geht in der Zwischenzeit weiter. In Hudeida sind in den vergangenen zwei Wochen 5.000 Familien aus ihren Häusern geflohen. UNICEF-Teams vor Ort berichten, dass Geschäfte, Bäckereien und Restaurants in der Stadt weitgehend geschlossen sind. Grundlebensmittel wie Mehl, Speiseöl und Gas zum Kochen werden knapp. Die Preise für Mehl und Speiseöl sind in der letzten Woche um 30 Prozent gestiegen, die für Gas um 50 Prozent. In den meisten Teilen der Stadt gibt es keinen Strom, und Schäden an den Wasserleitungen haben zu Wasserknappheit geführt.

Vergangene Woche sind 50 Tonnen medizinischer Hilfsgüter von UNICEF für 250.000 Kinder und Frauen, darunter Antibiotika, Paracetamol und Folsäure, aus Dschibuti in Hudeida eingetroffen. Vor dieser Lieferung - und vor dem Beginn der Kämpfe um Hudeida - hat UNICEF Hilfsgüter für 500.000 Menschen auf Vorrat eingelagert.

Hudeida und der Rest des Landes brauchen dringend Frieden. Die Konfliktparteien und jene, die Einfluss auf sie haben, sollten sich hinter die diplomatischen Bemühungen stellen, eine weitere Verschlechterung der Situation im ganzen Land zu verhindern und Friedensgespräche wieder aufzunehmen.

Es ist außerdem wichtig, dass Familien, die fliehen wollen, dies sicher tun können und dass die zivile Infrastruktur - einschließlich Schulen, Krankenhäusern und der Wasserversorgung - geschützt wird. In einer Krise diesen Ausmaßes sollten humanitäre Organisationen in der Lage sein, ihre Teams schnell und unverzüglich zu den Menschen in Not zu bringen.

Der Schutz von Kindern - vor Landminen, Rekrutierung, Ausbeutung und Angriffen - sollte zu jeder Zeit über allem stehen.

UNICEF-Hilfe im Jemen

UNICEF bleibt vor Ort im Jemen, in Aden, Sanaa, Ibb, Hudeida und Saada mit einem Team von insgesamt mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern [2], die meisten von ihnen Jemeniten. Sie arbeiten hart, um Kindern zu helfen, während sie selbst mit den täglichen Herausforderungen des Lebens in einem Kriegsgebiet fertig werden müssen.

Dieses Jahr ist es uns gelungen, zusammen mit unseren Regierungs- und NGO-Partnern rund neun Millionen Menschen durch ein gemeinsames Programm mit der Weltbank finanziell zu helfen, damit arme Familien sich mit dem Nötigsten versorgen können. 4,6 Millionen Menschen haben dank der Reparaturen am öffentlichen Wassersystem sauberes Trinkwasser zur Verfügung. Fast 80.000 Kinder unter fünf Jahren wurden gegen schwere Mangelernährung behandelt. Fast eine halbe Million Kinder wurde gesundheitlich versorgt.

Wir tun weiterhin alles in unser Macht stehende, um den Kindern und jungen Menschen im Jemen zu helfen, aber es braucht eine politische Lösung für den Konflikt. Wir alle müssen dem Frieden eine Chance geben. Es ist der einzige Weg nach vorne."


Anmerkungen:
[1] https://www.unicef.de/informieren/projekte/asien-4300/jemen-19406
[2] https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/krieg-im-jemen-interview/168142

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Quelle:
UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
Pressemitteilung vom 3. Juli 2018
Herausgeber: Deutsches Komitee für UNICEF, Pressestelle
Höninger Weg 104, 50969 Köln
Telefon: 0221/936 50-0, Fax: 0221/93 65 02 79
E-Mail: mail@unicef.de
Internet: www.unicef.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2018

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