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ORGANISATION/612: Covid-19 - Zahl der Kinder in von Armut betroffenen Haushalten steigt weltweit (UNICEF)


UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen - Köln/Berlin, 28. Mai 2020

Covid-19: bis zu 86 Millionen Kinder zusätzlich könnten in Folge der Pandemie bis Jahresende in Armut abrutschen


Laut einer aktuellen Analyse von Save the Children und UNICEF könnte die Zahl der Kinder in von Armut betroffenen Haushalten weltweit in Folge der Covid-19-Pandemie bis Ende 2020 um 86 Millionen Kinder ansteigen. Dies entspricht einem Anstieg von 15 Prozent. Wenn Familien nicht schnell vor den wirtschaftlichen Risiken geschützt werden, würde dies bedeuten, dass in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bis Jahresende insgesamt 672 Millionen Kinder unter der nationalen Armutsgrenze leben.

Rund zwei Drittel der betroffenen Kinder leben in Subsahara-Afrika und Südasien. Von einem Anstieg der Kinderarmut könnten Europa und Zentralasien am stärksten betroffen sein - mit bis zu 44 Prozent. In Lateinamerika und der Karibik liegt der Anstieg voraussichtlich bei 22 Prozent.

"Die Covid-19-Pandemie hat eine beispiellose wirtschaftliche und soziale Krise ausgelöst, die vielen Familien weltweit ihre Lebensgrundlage raubt", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. "Das Ausmaß und die Intensität der finanziellen Not der Familien droht die in den vergangenen Jahren erreichten Fortschritte im Kampf gegen Kinderarmut zunichte zu machen und Kinder vom Zugang zu grundlegenden sozialen Diensten abzuschneiden. Wenn wir nicht entschlossen vorgehen, um gefährdete Familien und Kinder abzusichern, besteht die Gefahr, dass Familien, die bereits heute kaum über die Runden kommen, in Armut abrutschen. Für die ärmsten Familien könnte dies ein Ausmaß an Not bedeuten, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist."

Save the Children und UNICEF warnen vor zweierlei Auswirkungen der heraufziehenden globalen Wirtschaftskrise. Auf der einen Seite ist der Handlungsspielraum der Familien selbst aufgrund des plötzlichen Einkommensverlustes stark eingeschränkt. Sie können sich kaum noch die nötigsten Nahrungsmittel und sauberes Wasser leisten, sie haben seltener Zugang zu Gesundheitsversorgung oder Bildungsmöglichkeiten und sind einem höheren Risiko von Kinderehen, Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt. Auf der anderen Seite könnten soziale Dienste, auf die Familien angewiesen sind, aufgrund fehlender Steuereinnahmen eingeschränkt werden können.

Fehlender Zugang zu sozialen Dienstleistungen oder ausgleichenden finanziellen Hilfen führt dazu, dass es für die am stärksten von Armut betroffenen Familien besonders schwierig ist, Schutzmaßnahmen einzuhalten und sich selbst vor Ansteckung zu schützen.

"Die schockierende Zunahme der Armut durch die Covid-19-Pandemie wird Kinder besonders hart treffen. Kinder, die Hunger und Mangelernährung erleiden, und sei der Zeitraum noch so kurz, können dauerhafte Schäden davontragen. Wenn wir jetzt schnell und entschlossen handeln, können wir die durch die Pandemie entstandene Gefahr für die ärmsten Länder und die am meisten benachteiligten Kinder verhindern und lindern. Diese Ergebnisse sollten ein Weckruf an die Welt sein. Kinderarmut ist vermeidbar", sagte Inger Ashing, CEO von Save the Children International.

Bereits vor der Pandemie hatten zwei Drittel der Kinder weltweit keinen Zugang zu sozialer Sicherung. Ihre Familien haben finanziellen Notsituationen wenig entgegenzusetzen und können schnell in einen generationsübergreifenden Teufelskreis der Armut geraten. In Afrika haben nur 16 Prozent der Kinder Zugang zu sozialer Sicherung.

Hunderte Millionen Kinder leiden unter multidimensionaler Armut - das heißt, sie haben keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, ausgewogener Ernährung oder einer angemessenen Unterkunft - häufig ein Ergebnis fehlender sozialer Investitionen der Regierungen.

Für Kinder, die in Ländern leben, die schon heute von Konflikt und Gewalt betroffen sind, verschärfen die vielseitigen Folgen der Covid-19-Pandemie das Risiko sozialer Instabilität und Armut. Im Nahen Osten und in Nordafrika leiden so viele Kinder unter den Folgen von Krisen und Konflikten wie in keiner anderen Region. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hier am höchsten. Fast die Hälfte der Kinder lebt in Armut.

Save the Children und UNICEF appellieren an die Regierungen, soziale Sicherungssysteme und Programme rasch und umfassend auszuweiten, um die Auswirkungen von Covid-19 auf Kinder in einkommensschwachen Haushalten abzumildern. Dazu gehören zum Beispiel Bargeldtransfers, Schulspeisungen und Kindergeld - wichtige Maßnahmen, um sowohl die akute finanzielle Not abzuschwächen sowie langfristig dafür zu sorgen, dass besonders arme Familien besser für zukünftige Krisen gewappnet sind.

Darüber hinaus sollten Regierungen in weitere Maßnahmen der sozialen Sicherung sowie eine Steuer-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik investieren, die Familien unterstützt. Dazu gehört sowohl die Ausweitung des umfassenden Zugangs zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung und anderen grundlegenden Dienste, als auch Investitionen in familienfreundliche Maßnahmen wie bezahlten Urlaub und Kinderbetreuung.

Viele Länder haben ihre Sozialprogramme bereits ausgeweitet:

• In Indonesien wurden monatliche finanzielle Hilfen im Rahmen des Kartu-Sembako-Programms auf 20 Millionen Familien ausgeweitet. Der monatliche Betrag wurde um ein Viertel erhöht;

• Die mongolische Regierung hat das monatliche Kindergeld für sechs Monate von 20.000 auf 100.000 MNT erhöht;

• In Argentinien wurde das Kindergeld für bedürftige Familien um 3.100 Argentinische Pesos (47 US-Dollar) pro Monat erhöht;

• In Südafrika wurden mehrere Sozialprogramme aufgestockt, darunter die Kinderbeihilfe;

• In Georgien wurde das Programm für Sozialhilfe (TSA) vorübergehend ausgeweitet, um 70.000 weitere Familien zu unterstützen und 21.000 Haushalte mit drei oder mehr Kindern ein halbes Jahr lang monatlich mit 100 georgischen Lari (31 US-Dollar) zusätzlich zu versorgen;

• In Armenien erhalten Familien, die Anspruch auf Unterstützungsleistungen haben, einen Zuschlag in Höhe von 50 Prozent der bestehenden Sozialleistungen;

• In Kolumbien stellt die Regierung finanzielle Hilfen für Haushalte zur Verfügung, die derzeit keine Sozialleistungen aus anderen Programmen erhalten. Bis zum 21. Mai hatten mehr als zwei Millionen bedürftige Familien finanzielle Hilfen in Höhe von 320.000 Peso (81 US-Dollar) erhalten;

• In Peru unterstützt die Regierung 6,8 Millionen Haushalte in ländlichen Regionen, freiberuflich Beschäftigte und bedürftige Familien mit zusätzlichen Solidaritätszahlungen und hat zudem einen neuen allgemeinen Fonds eingerichtet.

Die Analyse basiert auf Projektionen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, auf vorhandenen Daten über frühere Veränderungen in der Einkommensverteilung von UNU Wider sowie demografischen Daten aus MICS und DHS-Studien. Die nach Ländern aufgeschlüsselten Daten beziehen sich auf über 100 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

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Quelle:
UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
Pressemitteilung vom 28. Mai 2020
Herausgeber: Deutsches Komitee für UNICEF, Pressestelle
Höninger Weg 104, 50969 Köln
Telefon: 0221/936 50-0, Fax: 0221/93 65 02 79
E-Mail: mail@unicef.de
Internet: www.unicef.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2020

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