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RESOLUTION/018: "Resolution 1325 - Nur bedrucktes Papier" (OWEN)


OWEN - Oktober 2010

"Resolution 1325 - Nur bedrucktes Papier'"

Von Violet Law


Mit Lob und verhaltenem Optimismus hat Kanadas Anwalt für Frauenrechte, Stephen Lewis die Gründung der UN-Frauenagentur kommentiert. "Den UN steht ein harter Kampf bevor, doch die Aussichten auf einen Erfolg stehen gut", sagte Lewis. Dies sei die letzte echte Chance, die Resolution über Frauen, Frieden und Sicherheit (UNSCR 1325) vom 31. Oktober 2000 tatsächlich umzusetzen.

Er habe in seiner langjährigen Karriere als UN-Diplomat die Vereinten Nationen dazu gedrängt, Gender-Probleme nachhaltig zu thematisieren, betonte Lewis. Wie ein Vater, der alles daransetzt, dass sein Kind Erfolg hat, könnte er es nicht ertragen, noch einmal mit einem gut gemeinten Versuch zu scheitern.

"Ich erlebte die schmerzlichste und beklagenswerteste Dimension des Multilateralismus und musste gegen Ende meiner UN-Arbeit feststellen, dass im gesamten UN-System jeder ernsthafte Blick auf Gender-Themen fehlte", betonte er.

Von 2001 bis 2006 war Lewis UN-Generalsekretär Kofi Annans Sonderbotschafter für HIV/Aids in Afrika. Als Mitglied der vom UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) mit Unterstützung des UN- Programms für HIV/Aids neu etablierten 'Global Commission on HIV and the Law' bleibt er den Vereinten Nationen weiterhin verbunden.

Seine Arbeit bei den UN begann 1984 als Kanadas Botschafter bei den Vereinten Nationen. Von 1995 bis 1999 war Lewis stellvertretender Direktor des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) am Hauptsitz in New York.

Als langjähriger UN-Diplomat kennt Lewis die Schwachstellen der UN-Bürokratie nur allzu gut. Er kämpft auch schon mal mit harten Bandagen und nimmt außerdem in Sachen der Resolution UNSCR 1325 kein Blatt vor den Mund.


Resolution 1325 "ein kläglicher Fehlschlag"

"UNSCR 1325 war ein kläglicher Fehlschlag", stellte Lewis Anfang Oktober in einem von Vancouver aus geführten Telefoninterview fest. "Sie ist nur bedrucktes Papier und das klassische Beispiel einer UN-Resolution, die niemals in die Tat umgesetzt wurde."

Die vor zehn Jahren verabschiedete Resolution verlangt "eine zunehmende Repräsentation von Frauen auf allen Entscheidungsebenen nationaler, regionaler und internationaler Institutionen und sowie bei Mechanismen, die der Konfliktprävention, dem Umgang mit Konflikten und deren Lösung dienen."

UNSCR 1325 erkennt die Arbeit von vielen tausend Friedensfrauen an, die sich in aller Welt für Veränderungen einsetzen. Zudem gesteht UNCSR 1325 Frauen das Recht zu, sich an Friedensverhandlungen zu beteiligen sowie Friedensabkommen und Wiederaufbaumaßnahmen mit eigenen Vorstellungen zu beeinflussen. Darüber hinaus verabschiedete der UN Sicherheitsrat 2008 die Resolution 1820, die Frauen in Konflikten vor sexueller Gewalt schützen und ihre Rolle bei friedenserhaltenden Maßnahmen stärken soll.

Er sei von beiden Resolutionen außerordentlich enttäuscht, klagte Lewis, denn sie hätten die Situation der Frauen besonders auf dem afrikanischen Kontinent um keinen Deut verbessert, vor allem nicht bei dem Problem der Übertragung von HIV/Aids durch sexuelle Gewalt.

Als Beispiel aus jüngster Zeit verwies Lewis auf die kongolesische Ostprovinz Nord-Kivu. Dort hatten im Sommer Dutzende Frauen zwei Monate lang Massenvergewaltigungen erlitten. Im gleichen Zeitraum war in Berichten zudem von über 500 systematischen Vergewaltigungen die Rede. Dies alles geschah unter den Augen der in der Nähe stationierten UN-Truppen der Kongo-Mission MONUC. Selbst der stellvertretende für UN-Friedensmissionen, Atul Khare räumte ein, die Blauhelme hätten mehr tun müssen, um diese Verbrechen zu verhindern.

"Alles in allem ist die Resolution UNSCR 1325 eine Farce", kritisierte Lewis. "Sie hat unübersehbar signalisiert, dass weder die Vereinten Nationen noch der Sicherheitsrat bereit sind, im Konfliktfall zu Gunsten von Frauen zu intervenieren. Wenn Frauen die Opfer sind, haben sich die UN noch nie zu gemeinsamem Handeln durchgerungen", fügte er hinzu.


Hoffen auf Michelle Bachelet

Jetzt müssten die Frauen ihre ganze Hoffnung darauf setzen, dass Michelle Bachelet die Führung übernimmt, meinte Lewis. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat Chiles ehemalige Staatspräsidenten zur Leiterin der neuen UN-Behörde für Frauen (UN Women) ernannt. "Sie wird dem Sicherheitsrat unüberhörbar die Leviten lesen und ihm erklären, sein Verhalten sei ganz und gar inakzeptabel", meinte er.

Es werde jedoch mindestens fünf Jahre dauern, bis UN Women ihren Weg vom Traum zur Verwirklichung geschafft hat. Er berichtete, man habe sich über Paula Donovan, seine Kollegin im Büro des UN-Sonderbotschafters für Aids in Afrika, lustig gemacht, als sie 2005 erstmals die Einrichtung einer UN-Frauenbehörde vorschlug. "Inzwischen aber wächst die Erkenntnis, dass die Pflichtvergessenheit gegenüber den Frauen geradezu kriminell ist", kritisierte der Kanadier.

Hoffnungsvoll meinte er: "Dies ist nur der Anfang. Hätte ich das Sagen, dann müssten Frauen bei allen Friedensmissionen und Friedensverhandlungen mit am Tisch sitzen, und zwar nicht aus Gründen der politischen Korrektheit." Vielmehr hätten sich durch die Einbindung von Frauen einige der weltweit schwierigsten Probleme lösen lassen, betonte Lewis. Er verwies auf die erfolgreichen Einsätze weiblicher Friedenstruppen in Sierra Leone und Liberia und begrüßte das Versprechen der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton, in der Demokratischen Republik Kongo Polizistinnen einzusetzen.

Angesichts der Berichte über hunderttausende vergewaltigte Kongolesinnen sei ein solcher Einsatz überfällig, betonte Lewis. "Zwei Jahrzehnte lang wurde es versäumt, Frauen für die Friedenstruppen anzuwerben. Wir müssen weit größere Anstrengungen unternehmen, um Frauen zu schützen, bevor es zu Gewalttaten kommt." Er habe vorausgesehen, dass ein Friedensvertrag, an dessen Zustandekommen keine Frauen beteiligt werden, nicht lange hält.


Mit Frauenrechten Aids bekämpfen

Mit der Stärkung der Frauenrechte und der Beteiligung von Frauen ließen sich auch bei der Bekämpfung von Aids, einer der schlimmsten Geißeln des afrikanischen Kontinents, wesentliche Fortschritte erzielen, sagte der ehemalige UN-Sondergesandte für Aids in Afrika. Schon vor vier Jahren hatte er vor der 16. internationalen Aids-Konferenz im kanadischen Toronto erklärt: "Die fehlende Gleichberechtigung der Frauen ist ein entscheidender Grund für die weitere Ausbreitung dieser Pandemie. Wir werden Aids nicht bezwingen, so lange Frauenrechte in diesem Kampf nicht die die vorrangige Rolle spielen."

Im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit ist Lewis weiterhin engagiert. Er ist Ko-Direktor von 'AIDS-Free World', einer internationalen Rechtshilfeorganisationder mit Sitz in New York, sowie Vorstandsmitglied der 'Clinton Health Access Initiative' (CHAI) und der gemeinnützigen Public-Private Partnership (PPP) 'International AIDS Vaccine Initiative' (IAVI).

"Der Kampf gegen Aids ist weiterhin sehr schwierig", stellte Lewis fest. "Erst seit einigen Jahren richten wir dabei unser Hauptaugenmerk auf Frauen, denn sie sind immer noch überproportional von dieser Epidemie betroffen."

Als hilfreich hat sich zunehmende Einsicht erwiesen, dass zwischen Gewalt an Mädchen und der Ausbreitung von Aids ein Zusammenhang besteht. Die Gefahr einer HIV-Infektion ist bei Vergewaltigungsopfern zwei bis dreimal höher als bei anderen Frauen. In Afrika ist die Mehrzahl junger HIV-Patienten weiblich.

Weil er die fehlende Gleichberechtigung der Frauen für die Wurzel der Aids-Verbreitung hält, hat Lewis seine Organisation beauftragt, in einer weltweiten Initiative zu ermitteln, was es kosten würde, mit der Ungleichbehandlung der Geschlechter Schluss zu machen.

Zumindest einen Wunsch haben die UN Stephen Lewis erfüllt. Gegen Ende seiner Zeit als Sonderbotschafter für HIV/Aids in Afrika hatte er 2006 die Vereinten Nationen öffentlich aufgefordert, das Amt mit einer afrikanischen Frau zu besetzen. Am 21. April 2007 ernannte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Elizabeth Mataka, eine gebürtige Botswanerin und erfahrene Sozialarbeiterin, die in Sambia das nationale Aids-Netzwerk (ZNAN) leitete, zu seiner neuen UN-Sondergesandten für HIV/Aids in Afrika. (Okt. 2010)


Violet Law ist eine kanadische Journalistin, die auch für US-amerikanische Medien berichtet.
Deutsche Bearbeitung des Artikels: Grit Moskau-Porsch/IPS Inter Press Service Deutschland [www.ipsnews.de]

Der Beitrag ist Teil eines Kooperationsprojekts der PeaceWomen Across the Globe (PWAG), des deutschen Frauensicherheitsrats, der OWEN-Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung und des Global Corporation Council, dem Träger von IPS Deutschland.


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Quelle:
OWEN - Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2010