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RESOLUTION/034: Syrienentwurf - Reaktionen (UN)


Resolutionsentwurf zu Syrien und Reaktionen

zur Sitzung des Sicherheitsrates vom 4. Februar 2012


Der Resolutionsentwurf

Vereinte Nationen
Sicherheitsrat S/2012/77*
4. Februar 2012

Ägypten, Bahrain, Deutschland, Frankreich, Jordanien, Katar, Kolumbien, Kuwait, Libyen, Marokko, Oman, Portugal, SaudiArabien, Togo, Tunesien, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland und Vereinigte Staaten von Amerika: Resolutionsentwurf**


Der Sicherheitsrat,

unter Hinweis auf die Erklärung seines Präsidenten vom 3. August 2011 (S/PRST/2011/16),

unter Hinweis auf die Resolution 66/176 der Generalversammlung vom 19. Dezember 2011 sowie die Resolutionen des Menschenrechtsrats S-16/1, S-17/1 und S-18/1,

Kenntnis nehmend von dem Ersuchen der Liga der arabischen Staaten in ihrem Beschluss vom 22. Januar 2012,

mit dem Ausdruck großer Besorgnis über die Verschlechterung der Lage in Syrien und tiefer Besorgnis über den Tod Tausender Menschen und mit der Aufforderung zur sofortigen Beendigung aller Gewalt,

unter Begrüßung des Aktionsplans der Liga der arabischen Staaten vom 2. November 2011 und ihrer späteren Beschlüsse, namentlich ihres Beschlusses vom 22. Januar 2012, der eine friedliche Beilegung der Krise zum Ziel hat,

in Anbetracht der Entsendung der Beobachtermission der Liga der arabischen Staaten, mit Lob für ihre Bemühungen, bedauernd, dass die Beobachtermission aufgrund der Eskalation der Gewalt nicht imstande war, die vollständige Umsetzung des Aktionsplans der Liga der arabischen Staaten vom 2. November 2011 zu überwachen, und in Anbetracht des späteren Beschlusses der Liga der arabischen Staaten, die Mission einzustellen,

unterstreichend, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass die Flüchtlinge und Binnenvertriebenen freiwillig und in Sicherheit und Würde heimkehren können,

eingedenk dessen, dass die Stabilität in Syrien eine Grundvoraussetzung für den Frieden und die Stabilität in der Region ist,

feststellend, dass die syrischen Staatsorgane Reformen zugesagt haben, und mit Bedauern über das Ausbleiben von Fortschritten bei der Umsetzung,

in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Unversehrtheit Syriens, seine Absicht betonend, die gegenwärtige politische Krise in Syrien friedlich beizulegen, und darauf hinweisend, dass mit dieser Resolution keine Maßnahmen nach Artikel 42 der Charta der Vereinten Nationen genehmigt werden,

unter Begrüßung des Engagements des Generalsekretärs und aller diplomatischen Anstrengungen zur Behebung der Situation und in dieser Hinsicht Kenntnis nehmend von dem Angebot der Russischen Föderation, in Abstimmung mit der Liga der arabischen Staaten ein Treffen in Moskau auszurichten,

1. verurteilt die nach wie vor weit verbreiteten und schweren Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die syrischen Staatsorgane, wie den Einsatz von Gewalt gegen Zivilpersonen, willkürliche Hinrichtungen, die Tötung und Verfolgung von Protestierenden und Angehörigen der Medien, willkürliche Inhaftierungen, Verschwindenlassen, die Behinderung des Zugangs zu medizinischer Behandlung sowie Folter, sexuelle Gewalt und Misshandlungen, einschließlich an Kindern;

2. verlangt, dass die syrische Regierung sofort allen Menschenrechtsverletzungen und Angriffen auf diejenigen, die ihr Recht der freien Meinungsäußerung und auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrnehmen, ein Ende setzt, die Bevölkerung des Landes schützt, ihren Verpflichtungen nach dem anwendbaren Völkerrecht uneingeschränkt nachkommt und die Resolutionen des Menschenrechtsrats S-16/1, S-17/1 und S-18/1 sowie die Resolution 66/176 der Generalversammlung vollständig durchführt;

3. verurteilt jegliche Gewalt, ungeachtet dessen, von welcher Seite sie ausgeht, und verlangt in dieser Hinsicht, dass alle Parteien in Syrien, einschließlich der bewaffneten Gruppen, alle Gewalthandlungen oder Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich Angriffen auf staatliche Institutionen, sofort beenden, im Einklang mit der Initiative der Liga der arabischen Staaten;

4. erinnert daran, dass alle diejenigen, die für Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Gewalthandlungen, verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden müssen;

5. verlangt, dass die syrische Regierung im Einklang mit dem Aktionsplan der Liga der arabischen Staaten vom 2. November 2011 und deren Beschluss vom 22. Januar 2012 unverzüglich

a) alle Gewalthandlungen beendet und die Bevölkerung des Landes schützt;

b) alle aufgrund der jüngsten Vorfälle willkürlich inhaftierten Personen freilässt;

c) alle syrischen Militär- und Streitkräfte aus den Städten abzieht und in ihre Heimatkasernen zurückverlegt;

d) die Freiheit, friedlich zu demonstrieren, garantiert;

e) allen zuständigen Institutionen der Liga der arabischen Staaten und den arabischen und internationalen Medien vollen und ungehinderten Zugang zu allen Teilen Syriens und eine ebensolche Bewegungsfreiheit gewährt, damit sie die Wahrheit über die Lage vor Ort ermitteln und die Vorfälle verfolgen können, und

f) der Beobachtermission der Liga der arabischen Staaten vollen und ungehinderten Zugang gewährt;

6. fordert einen alle Seiten einschließenden und von Syrien geleiteten politischen Prozess, der in einem von Gewalt, Furcht, Einschüchterung und Extremismus freien Umfeld durchgeführt wird und darauf abzielt, den berechtigten Bestrebungen und Anliegen des Volkes Syriens wirksam Rechnung zu tragen, ohne dem Ausgang vorzugreifen;

7. unterstützt in dieser Hinsicht uneingeschränkt den Beschluss der Liga der arabischen Staaten vom 22. Januar 2012, einen von Syrien geleiteten politischen Übergang zu einem demokratischen und pluralistischen politischen System, in dem alle Bürger gleich sind, ungeachtet ihrer Bindungen, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer Weltanschauung, zu erleichtern, namentlich durch die Einleitung eines ernsthaften politischen Dialogs zwischen der syrischen Regierung und dem gesamten Spektrum der syrischen Opposition unter dem Dach der Liga der arabischen Staaten und gemäß dem von ihr festgelegten Zeitplan;

8. ermutigt die Liga der arabischen Staaten, ihre Bemühungen in Zusammenarbeit mit allen syrischen Beteiligten fortzusetzen;

9. fordert die syrischen Staatsorgane auf, bei einer Wiederaufnahme der Tätigkeit der Beobachtermission der Liga der arabischen Staaten uneingeschränkt mit ihr zusammenzuarbeiten, im Einklang mit dem Protokoll der Liga der arabischen Staaten vom 19. Dezember 2011, namentlich indem sie den Beobachtern vollen und ungehinderten Zugang und eine ebensolche Bewegungsfreiheit gewähren, die Einfuhr der für die Mission notwendigen technischen Ausrüstung erleichtern, das Recht der Mission gewährleisten, jede Person offen oder hinter verschlossener Tür zu befragen, sowie gewährleisten, dass Personen, die mit der Mission kooperiert haben, weder bestraft noch drangsaliert noch Vergeltungsmaßnahmen unterworfen werden;

10. betont, dass alle Seiten der Mission im Einklang mit dem Protokoll der Liga der arabischen Staaten vom 19. Dezember 2011 und deren Beschluss vom 22. Januar 2012 jede notwendige Hilfe bereitstellen müssen;

11. verlangt, dass die syrischen Staatsorgane mit dem Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte und der vom Menschenrechtsrat entsandten Untersuchungskommission uneingeschränkt zusammenarbeiten, namentlich indem sie ihnen vollen und ungehinderten Zugang zu dem Land gewähren;

12. fordert die syrischen Staatsorgane auf, für die Bereitstellung humanitärer Hilfe sicheren und ungehinderten Zugang zu den Menschen zu eröffnen, die dieser Hilfe bedürfen;

13. begrüßt die Anstrengungen des Generalsekretärs zur Unterstützung der Liga der arabischen Staaten, namentlich ihrer Beobachtermission, bei der Förderung einer friedlichen Lösung der syrischen Krise;

14. ersucht den Generalsekretär, in Abstimmung mit der Liga der arabischen Staaten innerhalb von 21 Tagen nach Verabschiedung dieser Resolution und danach alle 30 Tage über ihre Durchführung Bericht zu erstatten;

15. beschließt, die Durchführung dieser Resolution innerhalb von 21 Tagen zu überprüfen und im Falle ihrer Nichteinhaltung weitere Maßnahmen zu erwägen;

16. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.


* Aus technischen Gründen neu herausgegeben (gilt nur für Deutsch).

** Der Resolutionsentwurf erhielt bei der Abstimmung auf der 6711. Sitzung am 4. Februar 2012 13 Ja-Stimmen (Aserbaidschan, Deutschland, Frankreich, Guatemala, Indien, Kolumbien, Marokko, Pakistan, Portugal, Südafrika, Togo, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland und Vereinigte Staaten von Amerika) und 2 Nein-Stimmen (China und Russische Föderation) und wurde aufgrund der Gegenstimmen von zwei ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats nicht verabschiedet.


Übersetzung des deutschen Übersetzungsdienstes für UN-Dokumente der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen

Quelle:
http://www.frieden- sichern.de/fileadmin/user_upload/frieden_sichern/Dokumente/Resolutionsentwurf_Syrien_4.2.12.pdf


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Reaktionen

Auszüge aus der Antwort des russischen Staatenvertreters beim UNO-Sicherheitsrat auf diesen Entwurf einer Syrienresolution vom 4.2.2012

Der russische Staatenvertreter im UNO-Sicherheitsrat, Mr. Churkin, erklärte, dass Russland "zur Beendigung des Blutbades und der Gewalt [...] aktive diplomatische Anstrengungen unternommen hat, indem es mit den Syrern, Syriens Arabischen Nachbarn und anderen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft in Kontakt getreten ist [...]" Im Sicherheitsrat habe "Russland aktiv daran gearbeitet, einen Beschluss für eine objektive Lösung" zu erreichen, der "mit Sicherheit hilft, die Gewalt in Syrien zu beenden und einen politischen Prozess in Syrien zu starten. Der Beschluss des Sicherheitsrates sollte gerade das erreichen, aber von Beginn der syrischen Krise an haben einige einflussreiche Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der hier am Tisch sitzenden Mitglieder, diese Möglichkeit unterminiert und damit jegliche Möglichkeit der Lösung auf politischer Ebene, indem sie zu einem Regimesturz aufriefen und die Opposition ermutigten, Gewalt auszuüben, indem sie Provokationen duldeten und den bewaffneten Kampf unterstützten.
Die Tätigkeit des Sicherheitsrates wurde nicht zum Abschluß gebracht.
Der Resolutionsentwurf, der zur Abstimmung vorgelegt wurde [...], spiegelte nicht die wahren Verhältnisse in Syrien wider und sandte ein voreingenommenes Signal an die syrischen Seiten. Die Befürworter des Resolutionsentwurfs berücksichtigten die von uns vorgeschlagenen Änderungen nicht, dass sich die syrische Opposition von den extremistischen Gruppen distanzieren muss, die Gewaltakte verüben, und beinhalteten den Aufruf an Staaten und alle, die über wirksame Möglichkeiten verfügen, ihren Einfluss geltend zu machen, um diese Gruppen, die Gewaltakte verüben, zu stoppen.
Darüber hinaus hat man unsere Vorschläge nicht berücksichtigt, dass mit dem Abzug der syrischen Armee aus den Städten die Angriffe der bewaffneten Gruppen auf staatliche Institutionen und Stadtviertel gestoppt werden müssen. Es gab auch keine Unterstützung für den Vorschlag, sich gegenüber den Vermittlungsbemühungen der Arabischen Liga flexibler zu zeigen, was die Erfolgschancen für einen alle einschließenden politischen Prozess in Syrien erhöhen würden.
Unter diesen Bedingungen stimmte die russische Delegation gegen die Vorlage des Resolutionsentwurfes. [...] Wir sind davon überzeugt, dass die intensiven Bemühungen der internationalen Gemeinschaft fortgesetzt werden, mit Blick auf das sofortige Ende der Gewalt und auf einen erfolgreichen Beginn und Abschluss eines alle einschließenden politischen Prozesses in Syrien, um dieses Land vor einer tiefen Krise zu bewahren.
Russland will seinerseits in exakt dieser Richtung seine Arbeit fortsetzen."


Auszüge aus der Antwort des chinesischen Staatenvertreters im UNO-Sicherheitsrat auf diesen Entwurf einer Syrienresolution vom 4.2.2012

Der chinesische Vertreter im Sicherheitsrat, Mr. Li Baodong, rief dazu auf, dass "alle Parteien in Syrien die Gewalt stoppen" müssen. In dieser Hinsicht hob der chinesische Vertreter ebenfalls die Bemühungen der Arabischen Liga hervor, "einen politischen Prozess in Gang zu setzen [...], an welchem alle Parteien teilnehmen, um die Differenzen und Dispute friedlich durch Dialog und Verhandlungen zu lösen und die Stabilität in Syrien wieder herzustellen.
Die internationale Gemeinschaft sollte konstruktive Hilfe leisten, diese Ziele zu erreichen. Zu gleicher Zeit sollten die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität von Syrien voll respektiert werden. Die Aktionen des Sicherheitsrates bezüglich Syrien müssen mit dem Zweck und den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen übereinstimmen und helfen, Spannungen zu verringern, den Frieden und die Stabilität in der Region des Mittleren Ostens zu erhalten und die Lage nicht noch komplizierter zu machen.
Unter diesen Voraussetzungen hat China aktiv an Konsultationen teilgenommen und hat die Anstrengungen der Arabischen Liga unterstützt, eine politische Lösung durch eine Syrienproklamation zu erreichen, um die Stabilität in dieser Region zu erhalten.
So wie viele Sicherheitsmitglieder bleibt China bei der Meinung, dass unter den derzeitigen Umständen [...] Druck auf die syrische Regierung auszuüben, um ein vorher festgelegtes Ergebnis eines Dialoges zu erreichen, oder ihr eine bestimmte Lösung aufzuzwingen, nicht das syrische Problem lösen helfen wird. Im Gegenteil würde das die Situation noch verschlimmern.
China unterstützt die Vorschläge der Russischen Föderation und hat zur Kenntnis genommen, dass der russische Außenminister nächste Woche Syrien besuchen will. Das Ersuchen einiger Sicherheitsratsmitglieder, weitere Konsultationen zu einer Resolution durchzuführen, ist wünschenswert. Es ist bedauerlich, dass die berechtigten Sorgen keine Berücksichtigung fanden. Eine Abstimmung vorzunehmen, wenn die Parteien noch ernsthaft zerstritten sind über die Resolution, ist nicht hilfreich für die Einheit und die Autorität des Sicherheitsrates und die Lösung des Problems. Aus diesem Grunde stimmte China gegen den Resolutionsentwurf. [...]"


Zusammengestellung und Übersetzung aus dem Englischen von Brigitte Queck.
Lektoriert von der Redaktion Schattenblick.

Quelle des englischen Originaltextes:
http://daccess-ods.un.org/access.nsf/Get?Open&DS=S/PV.6711&Lang=E

United Nations / Department of Public Information / Dag Hammarskjöld Library
http://www.un.org/Depts/dhl/resguide/scact.htm


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Quelle:
Vereinte Nationen - Sicherheitsrat
Internet: www.un.org/Docs/sc


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2012