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MELDUNG/228: Neues Hintergrundpapier zum G20-Gipfel in Cannes (Südwind e.V.)


SÜDWIND e.V. - Pressemitteilung vom 2. November 2011

Neues Hintergrundpapier zum G20-Gipfel in Cannes


Siegburg, 02. November: Am 3. und 4. November treffen in Cannes erneut die Finanzminister und Regierungschefs der 20 mächtigsten Staaten der Welt zusammen, um über langfristige Ansätze zur Stabilisierung der Weltwirtschaft und Auswege aus der Weltwirtschaftskrise zu diskutieren. SÜDWIND begrüßt, dass dort konkrete Infrastrukturprojekte und die Stärkung der Nahrungsmittelsicherheit im Fokus stehen sollen. Die Erkenntnis der G20-Staaten, dass Ernährung und Infrastruktur Grundvoraussetzungen für Wohlergehen und Entwicklung sind, hat damit Eingang in die Agenda gefunden. SÜDWIND mahnt jedoch auch an, dass es gerade im Infrastrukturbereich nicht zu einer Zementierung der Rolle vieler Entwicklungsländer als Rohstofflieferant kommen darf.

Der G20-Gipfel von Cannes findet zu einer Zeit statt, in der die globale Finanzkrise immer deutlichere Nachwirkungen zeigt. Die Erschütterung und die Unsicherheit der Finanzmärkte wirken sich massiv auf den Welthandel aus, z.B. auf die Rohstoff- und Agrarmärkte, mit desaströsen Folgen für die Entwicklungsländer.

Mehr als 70 % der Exporte aus Entwicklungsländern sind Rohstoffe oder Agrarprodukte. Wenn nun im Zusammenhang mit der Krise die Nachfrage der Industriestaaten nach diesen Produkten sinkt, so sinken auch die Einnahmen der Entwicklungsländer. Die weltweiten Ungleichgewichte und das Entwicklungsgefälle werden durch die indirekten Auswirkungen der internationalen Finanzkrise weiter verschärft.

Die G20 haben seit dem letzten Gipfel in Seoul im November 2010 ihre Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern erkannt. "Allerdings konzentriert sich der Seoul-Konsens weitestgehend auf Wachstumsförderung durch Produktivitätssteigerung und Anziehung von Privatinvestitionen. Konkrete Armutsbekämpfung sowie Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung wie Umwelt, partizipative Demokratie, Menschenrechte und Gendergerechtigkeit sucht man hingegen vergeblich", so Antje Schneeweiß, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei SÜDWIND. Das neoliberale Mantra von Wachstum, geprägt durch einen "trickle-down"-Automatismus, scheint wieder auferstanden.

Im Bereich Nahrungsmittelsicherheit wirft SÜDWIND den G20-Staaten bisher mangelnde Konsequenz vor. "Anstatt die Kernursachen von starken Preisschwankungen zu bekämpfen, sind nur halbherzige Maßnahmen vorgesehen, die auf Symptome gerichtet sind", kritisiert Dr. Pedro Morazán, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei SÜDWIND. "Die Scheu der G20, durch verstärkte Regulierung dem Handel mit Nahrungsmitteln endgültig einen Riegel vorzuschieben, ist schockierend angesichts der Tatsache, dass Millionen von Menschen das Leben gerettet werden könnte, bekämen sie infolge stabilerer Preise Zugang zu Nahrung."

SÜDWIND stellt angesichts dieser Missstände einige konkrete Forderungen an die Bundesregierung als Mitglied der G20:

1.) Die Konkretisierung und Verfolgung der Millenniumsentwicklungsziele (MDG), u.a. die Verankerung des 0,7 %-Ziels als Zielsetzung der Entwicklungsagenda;

2.) die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, deren Einnahmen zur Armutsbekämpfung und für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel genutzt werden könnten;

3.) die Regulierung der Märkte für Nahrungsmittelderivate, u.a. durch das Verbot von Hedgefonds, sowie mehr Transparenz und Positionslimits;

4.) eine strukturelle Reform des Welthandels, um Entwicklungsländer zu schützen;

5.) die damit verbundene Förderung der Nahrungsmittelsouveränität von Niedrigeinkommensländern;

6.) der Ausbau von sozialen Netzen und Gendergerechtigkeit;

7.) eine tiefgreifende institutionelle Reform der internationalen Finanzinstitutionen Internationaler Währungsfond (IWF) und Weltbank.


Das Hintergrundpapier "G20-Gipfel der Ratlosigkeit" steht auf der Website www.suedwind-institut.de zum Download bereit.


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Quelle:
SÜDWIND e.V. - 2. November 2011
Lindenstr. 58-60, 53721 Siegburg
Telefon: 02241-53617, Fax: - 51308
Email: info@suedwind-institut.de,
http://www.suedwind-institut.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2011