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BANK/520: Trotz Kohle-Ausschluss - Weltbank finanziert Kohle-Boom in Asien (urgewald)


Pressemitteilung von Inclusive Development International, Bank Information Center, Accountability Counsel, 11.11.11 und urgewald
3. Oktober 2016

Trotz Kohle-Ausschluss:
Weltbank finanziert Kohle-Boom in Asien


Washington D.C., 3.10.2016 - Die Weltbankgruppe hat trotz ihres im Jahr 2013 beschlossenen weitgehenden Kohle-Ausstiegs auf versteckten Wegen die massive Kohle-Expansion in Asien mitfinanziert. Dies zeigt das Resultat einer neuen Untersuchung, die heute, kurz vor Beginn der Weltbank-Jahrestagung in dieser Woche, veröffentlicht wurde.

Der in der vergangenen Woche wiedergewählte Weltbankpräsident Jim Yong Kim hat in der Vergangenheit mit starken Worten vor neuen Kohle-Projekten gewarnt: "Wenn Asien die Kohle-Pläne jetzt umsetzt, dann sind wir denke ich am Ende." Dennoch finanziert die Weltbank weiterhin Kohle und weitere Projekte, die zu schweren Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverstößen geführt haben. Dies geschieht im Rahmen von komplexen Finanzgeschäften, die sich der Kontrolle der Öffentlichkeit weitgehend entziehen.

Die International Finance Corporation (IFC), die die Weltbank-Geschäfte mit dem Privatsektor durchführt, finanziert solche Projekte über sehr undurchsichtige Geschäfte mit Banken, Private-Equity-Fonds und weiteren externen Finanzpartnern. [1]

In einer monatelangen Untersuchung hat die US-Menschenrechtsorganisation Inclusive Development International insgesamt 91 schädliche Projekte entdeckt, die die IFC durch die Hintertür finanziert. Viele davon sind Kohlekraftwerke, die den Klimawandel und die Entwaldung weltweit beschleunigen. Die Analyse konnte nur einen kleinen Teil des riesigen Finanz-Portfolios der IFC abdecken, weshalb viele Projekte weiterhin im Verborgenen bleiben. Doch selbst angesichts der zahlenmäßig begrenzten Untersuchung deuten die Ergebnisse auf ein umfassendes und systematisches Problem hin.

"Diese schockierende Enthüllung zeigt einen zweifachen Klima-Skandal bei der IFC: Sie finanziert nicht nur die massive Expansion von Kohlekraftwerken, sondern auch die Zerstörung der Wälder, damit die Kohle gefördert werden kann. Es ist eindeutig, dass die Kreditvergabe der IFC an den Finanzsektor außer Kontrolle ist und die Klimazusagen von Weltbank-Präsident Kim untergräbt", kritisiert Kate Geary, Wald-Expertin bei der Organisation Bank Information Center.

Die Kreditvergabe an den Finanzsektor bedeutet einen grundlegenden Wandel im Geschäft der Weltbank-Tochter IFC. Während sie in den vergangenen Jahrzehnten Kredite fast ausschließlich an Unternehmen und Projekte direkt vergeben hat, lagert das Mitglied der Weltbankgruppe nun den Großteil der Entwicklungsarbeit an profitorientierte Finanzinstitutionen aus. Im Zeitraum 2011 bis 2015 hat die IFC 40 Milliarden US-Dollar an solche externen Finanzpartner vergeben. Diese haben das Geld im Anschluss investiert, wie sie es für angebracht hielten, mit kaum erkennbarer Aufsicht durch die IFC.

"Die IFC behauptet, dass die Geldvergabe an den Finanzsektor kleinen Unternehmen in Entwicklungsländern einen besseren Zugang zu Krediten ermöglicht, das Wirtschaftswachstum antreibt und Armut reduziert. Doch, wie unsere Untersuchung zeigt, haben die Finanzpartner von IFC das Geld der Weltbankgruppe in Wirklichkeit dafür verwendet, um einige der größten und zerstörerischsten Konzerne der Welt zu finanzieren", sagt David Pred, Geschäftsführer von Inclusive Development International.

Die heute veröffentlichten Ergebnisse der Untersuchung enthüllen, dass durch die von IFC-Partnern finanzierten Projekte und Unternehmen Zehntausende Menschen gewaltsam vertrieben und in Armut gestürzt wurden. Sie haben den Klimawandel beschleunigt, Meere und Flüsse verseucht und gefährdete Arten getötet. Kritiker, die sich diesen Projekten in den Weg gestellt haben, wurden inhaftiert, misshandelt und sogar ermordet.

Die Projekte gehören zu einer ganzen Reihe hochriskanter Sektoren wie Energie, Agrarwirtschaft, Bergbau, Transport und Infrastruktur. Sie werden in Asien, Afrika und Lateinamerika umgesetzt. Die Ergebnisse der neuen Untersuchung beinhalten einige der am schärfsten kritisierten Entwicklungsprojekte der Welt - und bis heute war die Rolle der IFC dabei weitgehend unbekannt.

"Die Ergebnisse der Untersuchung sind bestürzend. Noch skandalöser ist, dass die IFC verheimlicht, wo ihre Investitionen im Finanzsektor letztendlich landen. Der einzige Weg, um solche Informationen zu erhalten, führt über teure Finanz-Datenbanken und aufwändige Recherchen in Konzern-Unterlagen, was sie unzugänglich für die meisten Betroffenen macht", sagt Pol Vandevoort, Experte für internationale Finanzinstitutionen bei der Entwicklungsorganisation 11.11.11 in Belgien.

Zu den Projekten gehört das geplante Kohlekraftwerk Rampal in Bangladesch, das die größten noch intakten Mangrovenwälder der Erde und die Gesundheit von zwei Millionen Menschen zu zerstören droht. In Afrika steht IFC in Verbindung mit einigen der größten Fälle von Landraub auf dem Kontinent, unter anderem bei landwirtschaftlichen Projekten in Gabun, Mosambik und Äthiopien. In Südostasien befeuert IFC die zerstörerische Ausbreitung von Kohle- und Staudamm-Projekten, durch die Hunderttausende Menschen von Vertreibung betroffen sind.

"Während die IFC versucht hat, sich von Projekten ihrer Finanzpartner zu distanzieren, steht fest, dass diese die Umwelt- und Sozial-Auflagen der IFC schamlos missachtet haben. So hat die Weltbankgruppe letztendlich Projekte gefördert und von Projekten profitiert, die für gewaltiges menschliches Leid, Umweltzerstörung und in einigen Fällen schwere Verbrechen verantwortlich sind", kritisiert Pred.

Inclusive Development International hat die Ergebnisse der Untersuchung [2] in Abstimmung mit ihren internationalen Partnern Bank Information Center, Accountability Counsel, urgewald und 11.11.11 online veröffentlicht. Die Ergebnisse werden regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht. Im Laufe der nächsten sechs Monate werden die Partner-Organisationen eine Reihe von Schwerpunktartikeln veröffentlichen, die die Spuren der IFC-Investitionen nachverfolgen und analysieren, welche Folgen diese für Menschen vor Ort in Entwicklungsländern haben.

Der heute veröffentlichte erste Artikel beleuchtet die Verantwortung der IFC-Finanzpartner für Klimawandel und Waldzerstörung: Der Bericht "Disaster for Us and the Planet": How the IFC is Funding a Coal Boom zeigt, auf welchen Wegen die Finanzpartner der IFC mindestens 41 Kohle-Projekte finanziert haben, nachdem die Weltbank einen weitgehenden Kohle-Stopp beschloss. Diese neuen Projekte haben eine gesamte Kapazität von über 56.000 Megawatt. Zum Vergleich: Das ist die gesamte Kohle-Kraftwerkskapazität Deutschlands.

In den Philippinen, einem dem Klimawandel besonders stark ausgesetzten Inselstaat, fördert die IFC eine Kohle-Expansion über zwei Geschäftsbanken, Rizal und BDO Unibank. Nachdem sie Hunderte Millionen US-Dollar von der IFC erhielten, haben sie mindestens 20 neue Kohlekraftwerke finanziert.

"Kohle tötet. Und die Weltbank-Investitionen töten buchstäblich die Menschen in meinem Land, indem sie es immer verletzlicher gegenüber dem Klimawandel machen", sagt Valentino de Guzman von der Protestbewegung Philippine Movement for Climate Justice. "Die Bank und ihre lokalen Vertreter müssen den Menschen der Philippinen Rede und Antwort stehen und sie müssen zur Verantwortung gezogen werden."

"Die mangelnde Aufsicht durch das Direktorium der Weltbank muss aufhören. Einflussreiche Weltbank-Anteilseigner wie Deutschland müssen den Systemfehler der IFC angehen und beenden", sagt Knud Vöcking, Weltbank-Experte bei urgewald.

Die Gruppen rufen die IFC dazu auf, umgehend Investitionen in Banken zu stoppen, die Kohle und weitere zerstörerische Projekte finanzieren. Sie muss ihre Geschäfte mit dem Finanzsektor endlich mit ihren Umwelt- und Sozialstandards [3] in Einklang bringen.


Anmerkungen:
[1] Sog. "Financial Intermediaries" oder "Finanzintermediäre"
[2] Titel: Outsourcing Development: Lifting the Veil on the IFC's Harmful Private-Sector Lending
[3] "Environmental and Social Performance Standards"

*

Quelle:
Pressemitteilung, 03.10.2016
Herausgeber: urgewald e.V.
Hauptgeschäftsstelle:
Von-Galen-Straße 4, 48336 Sassenberg
Telefon: 02583/1031, Fax: 02583/4220
urgewald Büro Berlin
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Tel.: 030/28482271, Fax: 030/28482279
Internet: www.urgewald.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2016

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