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ENERGIE/1577: Jamaika - Ölimporte verschlingen Staatseinnahmen, alternative Energien gefragt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2012

Jamaika: Ölimporte verschlingen Staatseinnahmen - Alternative Energien gefragt

von Zadie Neufville

Ineffiziente Stromversorgungssysteme sind teuer - Bild: © Zadie Neufville/IPS

Ineffiziente Stromversorgungssysteme sind teuer
Bild: © Zadie Neufville/IPS

Kingston, 7. Mai (IPS) - Jamaika sucht intensiv nach alternativen Energiequellen, um seine Abhängigkeit von teuren Erdölimporten zu verringern. Auf der 2,7 Millionen Einwohner zählenden Karibikinsel kostet Strom weit mehr als in den meisten anderen Ländern der Region.

Die Kosten für die Öleinfuhren überstiegen im Zeitraum Januar bis Juni 2011‍ ‍mit 1,48 Milliarden US-Dollar sogar die jamaikanischen Exporteinnahmen, die sich zwischen Januar und September desselben Jahres auf insgesamt 1,3 Milliarden Dollar beliefen. Umweltschützern zufolge macht diese Situation den Inselstaat besonders anfällig für externe Schocks und erhöht den Druck auf die Umwelt.

Die meisten Strominstallationen beschränken sich auf einen zehn Meter breiten Küstenstreifen, der nach Erkenntnissen von Klimaexperten von einem zunehmenden Anstieg des Meerespegels betroffen sein wird.

Jamaikas Wirtschaft gilt als hochgradig energieineffizient, da der Strombedarf des Landes zu 95 Prozent mit Ölimporten gedeckt wird. Die Stromproduktion verschlingt ganze 23 Prozent dieser Importe, was unter anderem auf veraltete Stromanlagen, eine ineffiziente -verteilung und -diebstahl zurückgeführt wird.

Das in Washington ansässige unabhängige 'Worldwatch Institute' macht die hohen Kosten bei der Energieumwandlung, Verluste bei der Verteilung und die hohe Nachfrage der Bauxit- und Aluminiumindustrie für die Energieprobleme des Landes verantwortlich. "Wir produzieren nicht genug, und so wie die Dinge jetzt stehen, werden wir uns noch mehr Geld leihen müssen, um das Öl bezahlen zu können", sagte Vincent Wright von der 'Northern Caribbean University'.

Die Weltbank hält die Beschwerden jamaikanischer Unternehmer, die die hohen Energiekosten als größtes Hemmnis für das Wirtschaftswachstum sehen, für berechtigt. Die Strompreise sind innerhalb von zehn Jahren um 135 Prozent in die Höhe geschnellt. Damit wurde die jährliche Wirtschaftswachstumsrate von etwa einem Prozent pro Jahr deutlich überholt.


Familien stellen aus Ersparnisgründen Kühlschränke ab

Obwohl mittlerweile mehr als 90 Prozent aller Haushalte auf der Insel einen Stromanschluss haben, können sich die meisten Menschen den Strom nicht leisten. Der Taxifahrer John Thompson verzichtet aus diesem Grund auf eine Waschmaschine. "Da wir die Rechnung sonst nicht mehr bezahlen könnten, stellen wir nachts den Kühlschrank ab und schalten das Licht aus. Und meine Frau wäscht die Wäsche jetzt vor allem mit der Hand."

Um den Einsatz neuer Energien zu fördern und weniger für Öl auszugeben, hat die Regierung neue Regelungen eingeführt. Seit November vergangenen Jahres hat die zuständige Behörde OUR Einzelpersonen in Aussicht gestellt, Strom aus alternativen Quellen zu erzeugen und Überschüsse an die lokalen Versorger zu verkaufen. Bislang wurden zehn Anträge privater Stromproduzenten für Lizenzen zum Weiterverkauf der Ressource gestellt, wie OUR-Sprecher Michael Bryce berichtete.

Unter dem Druck der steigenden Preise versprach der Minister für Energie, Wissenschaft und Technologie, Philip Paulwell, im Januar, die Stromtarife in den nächsten vier Jahren um bis zu 50 Prozent zu senken. Technokraten kritisierten die Ankündigung als "Wunschtraum". Paulwell treibt jedoch seine Pläne, die die Ölimporte um bis zu 60 Prozent verringern sollen, unverdrossen voran. Er hofft, den Anteil alternativer Treibstoffe an der Stromproduktion von den seit 2009 festgelegten 20 Prozent bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent zu steigern.

Wright gehört zu den Skeptikern, die befürchten, dass der Minister seine Ziele kaum erreichen kann. Der Plan sei "extrem schwierig" zu realisieren, erklärte der Wissenschaftler am College für natürliche und angewandte Wissenschaften der Northern Caribbean University. "Schon um einen Anteil von 20 Prozent zu erreichen, sind umfangreiche Investitionen in moderne Technologien erforderlich." Auch gelte es die Öffentlichkeit und den Privatsektor durch umfangreiche Sensibilisierungskampagnen zum Stromsparen zu erziehen.


Benzin mit Ethanol-Anteil landesweit verkauft

Weitere Reformpläne sehen eine nationale Energiestrategie sowie weitere Richtlinien vor, um die Regierung näher zu ihrem Ziel eines "modernen und effizienten Energiesektors, der der Umwelt nicht schadet" zu bringen. Seit 2008 wird der Kraftstoff E10, der zu zehn Prozent aus aus Zuckerrohr gewonnenem Ethanol und zu 90 Prozent aus Erdöl besteht, landesweit an Tankstellen verkauft.

Der staatliche Wigton-Windpark hat außerdem seine Kapazität um mehr als 40 Megawatt aufgestockt. Das entspricht einem Anteil von 2,6 Prozent an der Stromerzeugung in Jamaika und reicht aus, um monatlich 50.000 Haushalte zu beliefern. "Wigton hilft dem Land dabei, seine Emissionen und somit seinen ökologischen Fußabdruck zu verringern", sagte Nicole O'Reggio, die die Abteilung für Verschmutzungskontrolle im Umweltministerium leitet. Die 32 Windräder in Wigton sollen den Treibhausgasausstoß um schätzungsweise 85.000 Tonnen jährlich reduzieren.

Zwischen April und August 2011 konnten die Ausgaben für Erdölexporte dank der Energie aus dem Windpark bereits um 2,7 Millionen Dollar gesenkt werden. Der tägliche Ölverbrauch liegt in Jamaika bei 77.000 Barrel. Nach Angaben von O'Reggio wird der Wigton-Windpark durch eine Übereinkunft mit den Niederlanden zum CO2-Handel unterstützt.


Staatlicher Monopolist unter Beschuss

Mehrere unabhängige Versorger auf der Insel können Strom bereits günstiger anbieten als der staatliche 'Jamaica Public Service' (JPS). Nachdem die Monopolstellung von JPS rechtlich angefochten wurde, hat sich das Unternehmen um eine Diversifizierung der Elektrizitätserzeugung bemüht. Zu der Gesamtkapazität von 840 Megawatt tragen seit einigen Jahren auch neun Wasserkraftwerke und ein Windpark bei.

JPS will zudem zwei weitere Wasserkraftwerke ans Netz anschließen. Kürzlich erhielt die Firma außerdem die Genehmigung für den Bau eines Kombikraftwerks mit einer Leistung von 360 Megawatt, das mit Flüssiggas betrieben werden soll. Die neue Anlage soll bis 2014 fertiggestellt werden. Laut JPS werden die Stromkosten dadurch um 31 bis 45 Prozent sinken.

Seit 2007 wurden zudem mehr als drei Millionen Energiesparlampen an schätzungsweise 600.000 Privathaushalte im Land verteilt. Geplant ist zudem, 90.000 Natriumdampflampen zu ersetzen sowie die Energieeffizienz von Regierungsbehörden und anderen Institutionen zu steigern. (Ende/IPS/ck/2012)


Link:
http://www.worldwatch.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107620

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012