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ENERGIE/1871: Pakistan setzt auf Kohlekraft, dabei sind saubere Alternativen durchaus vorhanden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Juni 2014

Pakistan: Energie aus Kohle - Dabei sind saubere Alternativen durchaus vorhanden

von Farrukh Zaman und Chaitanya Kumar


Bild: © WWF-Pakistan

Windkraftanlage in Pakistan
Bild: © WWF-Pakistan

Karachi/Neu-Delhi, 16. Juni (IPS) - Die andauernde Energiekrise ist derzeit eines der größten Probleme in Pakistan. Den Schätzungen zufolge fehlen dem südasiatischen Land etwa 6.000 Megawatt Strom - mit verheerenden Folgen für den Industriesektor. Kohlekraftwerke sollen Abhilfe schaffen.

Seit 2011 mussten fast 70 Prozent der Fabriken schließen oder die Produktion wurde in andere Länder wie Malaysia und Bangladesch ausgelagert. Aus dem Wirtschaftsbericht für Pakistan für den Zeitraum 2011 bis 2012 geht hervor, dass durch Stromausfälle rund 4,8 Milliarden US-Dollar - zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts - verloren gingen.

Nach jahrelangen massiven Ausfällen, die einen Großteil des Industriesektors vernichtet haben, will Pakistan für die Zukunft auf Kohlekraftwerke setzen. Seit kürzlich Kohle von geringer beziehungsweise geringer bis mittlerer Qualität im Süden des Landes gefunden worden ist, unterstützen viele Experten die Entscheidung, das Energiedefizit durch Kohlekraftwerke auszugleichen.

Kohle gilt jedoch als der schmutzigste aller fossilen Brennstoffe. Sie gehört zu den Energieträgern, die mit am stärksten zu den CO2-Emissionen beitragen, die den Klimawandel beschleunigen. Weltweit hat der Streit um Kohle Sozial- und Umweltkonflikte sowie Vertreibungen verursacht.

Hinzu kommt, dass auf Kohle angewiesene Unternehmen außerdem für Wasserknappheit und Ernährungsunsicherheit verantwortlich gemacht werden. Das gilt insbesondere in Staaten, in denen der Verwendung von Wasser für Energiezwecke eine höhere Priorität eingeräumt wird als der Agrar- und Nahrungsproduktion.


Neue Kohlekraftwerke beschleunigen Klimawandel

"Kohle ist eine sich erschöpfende und somit nicht nachhaltige Ressource", sagt Umama Binte Azhar, Expertin an der Brunei-Universität in London. "Pakistan gehört zu den Ländern, die in den vergangenen Jahren am stärksten von extremen Wetterlagen betroffen waren, die durch den Klimawandel entstanden sind", erklärt sie. "Wir werden das Problem weiter verschlimmern, wenn wir noch mehr Kohle und andere fossile Energieträger verwenden."


Große Kohlevorkommen im Süden Pakistans entdeckt

Dennoch ist die Entdeckung von Kohlevorkommen in der Thar-Wüste in der südpakistanischen Provinz Sindh im In- und Ausland auf großes Interesse gestoßen. China will beispielsweise etwa 1,5 Milliarden Dollar in die Thar-Kohle investieren. Die Firma 'Burj Power' mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat sich in einem Abkommen dazu verpflichtet, für 700 Millionen Dollar vier Kohlekraftwerke in Port Qasim nahe Karachi zu bauen.

Erwartet wird, dass auch in Großbritannien und Tschechien ansässige Unternehmen derartige Investitionen tätigen werden. Kürzlich unterzeichnete die pakistanische Regierung eine Übereinkunft mit der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB), die sich mit 900 Millionen Dollar am Bau eines Kraftwerks in Jamshoro in Sindh beteiligen wird.

Etwa vier Kohlekraftwerke sollen bis 2016 in verschiedenen Teilen des Landes in Betrieb genommen werden. Alarmierend an diesen Plänen ist, dass dazu enorme Mengen an Kohle aus Staaten wie Indonesien und Südafrika importiert werden müssen, da die meiste in Pakistan selbst geförderte Kohle nur eine geringe Energiedichte hat.

Die extrem kostspieligen Importe werden Pakistan für viele Jahre von den internationalen Märkten abhängig machen - eine bittere Erfahrung, wie sie bereits der Nachbarstaat Indien machen muss. Angesichts der hohen Kohleimportkosten erwiesen sich die indischen Wärmekraftwerke als unrentabel. Die Regierung sah sich zu kostspieligen Rettungsmaßnahmen gezwungen, und die Energiepreise für die Endverbraucher schossen in die Höhe.

Pakistan ist nicht der einzige Staat, der künftig verstärkt Kohle für die Energiegewinnung nutzen will. Entwicklungsländer vor allem in Südasien bewerben sie als eine geeignete Energiequelle, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Armut zu bekämpfen.


Auch Indien setzt auf fossile Energieträger

In der Region Südasien sollen fast 450 neue Kohlekraftwerke entstehen. Doch die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die Pläne wahrscheinlich größtenteils nicht umsetzen lassen werden.

Eine schlechte Bergbau- und Transportinfrastruktur sowie eine Reihe von Korruptionsskandalen haben dem weltgrößten Kohleproduzenten, 'Coal India Limited' (CIL), massiv zugesetzt. Bemühungen, Kohle aus Staaten wie Indonesien und Australien zu importieren, werden durch den Anstieg der Preise ausgebremst. Mehr als 30 Kraftwerke mussten im vergangenen Jahr zu Schleuderpreisen zum Verkauf angeboten werden, da sie aufgrund von Kohleknappheit nicht weitergeführt werden konnten. Experten zufolge ist es dringend erforderlich, dass die Kohlefinanzorganisationen ihre Investitionsstrategien überdenken.

"Wer profitiert überhaupt von dieser Entwicklung, und wer verliert?", fragt Vaishali Patil, eine Aktivistin aus dem westindischen Bundesstaat Maharashtra. Weltweit sind Proteste gegen den Bau von Kohlekraftwerken im Gang, da durch die Vorhaben Menschen von ihrem Land vertrieben werden und Wasserquellen, Gesundheit und Umwelt leiden.

In den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten ist auf breiter Ebene deutlich geworden, welche gravierenden negativen Auswirkungen der Kohlebergbau und die Kohlestromgewinnung auf die Ökosysteme haben. Anti-Kohlekraft-Aktivisten mobilisieren sich, um das Appalachen-Gebirge in den USA zu retten, Fischer in Indien zu schützen sowie Korruption und Landraub in Südafrika zu bekämpfen.

Die Stromerzeugung in Kohlekraftwerken erfordert riesige Mengen an Wasser. Ein Kohlekraftwerk mit der üblichen Produktionskapazität von 660 Megawatt verbraucht jährlich mehr als elf Millionen Kubikmeter Wasser für seine Kühlungssysteme. In Ländern, die bereits von Dürren und Wassermangel heimgesucht werden, ist diese Option untragbar.


Saubere Alternativen in greifbarer Nähe

Pakistan verfügt, was die erneuerbaren Energien angeht, über ein hohes Potenzial. Für die Nutzung der Solarkraft beispielsweise spricht auch, dass die Preise für Solarzellen weltweit gesunken sind.

Auch der Windkorridor in Gharo-Keti Bunder in der Küstenprovinz Sindh ist eine viel versprechende Option, um weiter ausgeschöpft zu werden. Laut einem Bericht der pakistanischen Behörde für Meteorologie können dort bis zu 11.000 Megawatt Strom erzeugt werden. (Ende/IPS/ck/2014)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2014