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FINANZEN/104: Stichwort zur Wirtschaftspolitik - Basel III (spw)


spw - Ausgabe 5/2010 - Heft 180
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Stichwort zur Wirtschaftspolitik: Basel III

Von Arne Heise


Die jüngste Weltfinanzkrise hat die Verletzlichkeit des Bankensystems und die davon wiederum ausgehende Bedrohung des gesamten Finanzsystems aufgezeigt. Gewiss spielte eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle bei der Entwicklung der weltweiten Finanzmarktkrise: die höchst spekulative Vergabe von Immobilienkrediten (Ponzi-Finanzierung) im Subprime-Segment vor dem Hintergrund des Weiterverkaufs in informationsverschleiernder Form als strukturierte Verbriefungen oder die dubiose Rolle der Rating-Agenturen bei der Bewertung dieser Kreditpakete. Aber auch der tatsächliche oder drohende Zusammenbruch einzelner Banken (Lehman Brothers) bzw. sogar des ganzen Bankensystems trugen zur Tiefe und Breite der Krise bei. Banken sind insofern besondere Wirtschaftsunternehmen, als sie ihr Geschäft der Intermediation zwischen privaten Sparern und institutionellen Anlegern einerseits und Investoren andererseits im Grunde weitgehend ohne eigenes Kapital betreiben könnten. Ihr Kapital ist das Vertrauen der An- bzw. Einleger, dass die Bank das ihnen anvertraute Kapital treuhänderisch verwaltet, d.h. sich und damit auch die Einleger durch die Einforderung von Sicherheiten gegen möglichen Kreditausfall versichert. Der Gewinn der Banken - zumindest im klassischen Kreditgeschäft - resultiert also nicht daraus, ein besonderes Anlagerisiko eingehen zu müssen, sondern Fristen (kurzfristiges Einlagen-, mittel- bis langfristiges Kreditgeschäft) zu transformieren. Hierbei können offensichtlich Liquiditätsrisiken entstehen, die Solvenzrisiken halten sich aber bei typisch "konservativem" Geschäftsgebahren in Grenzen.

Nun hat allerdings nicht erst die jüngste Finanzkrise gezeigt, dass Banken - Investmentbanken wie auch klassische Kreditbanken - getrieben von Konkurrenzdruck und schierer Profitgier, höchst spekulative Kredit- und Anlagegeschäfte betreiben. Diese Geschäfte sind mit großem Solvenzrisiko verbunden und können dann, wenn die Solvenz der Bank selbst fraglich wird, zu unüberwindbaren Liquiditätsproblemen führen, sofern die kurzfristige Verschuldung bei anderen Banken (Interbankengeschäft) nicht mehr möglich ist. Im Herzen der Finanzkrise standen nicht nur einige als "systemrelevant" eingeschätzte Banken vor dem Bankrott: Durch den weitgehenden Zusammenbruch des Interbankenmarktes drohte das gesamte internationale Finanzsystem zu kollabieren. Nur dem beherzte Eingriff der Notenbanken und Regierungen war es zu verdanken, dass dieser schlimmste denkbare Fall vermieden werden konnte.

Um die Finanzmärkte zu stabilisieren, kann man einerseits die Finanzprodukte - z. B. strukturierte Verbriefungen, in denen Kredite unterschiedlichster Bonität zu schwer durchschaubaren Paketen verschnürt werden - regulieren oder andererseits die Haftungsfähigkeit der Banken als Anbieter und gleichzeitig Nachfrager solcher spekulativen Produkte erhöhen. Auf diese Weise führen konjunkturell oder strukturell steigende Ausfälle nicht zur sofortigen Insolvenz der Bank und damit zur Instabilität des Finanzsystems. Erstmalig 1974 hat eine Gruppe von Experten aus nationalen Zentralbanken im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit der internationalen Finanzmärkte durch die Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) - der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht - nach dem Zusammenbruch der Herstatt-Bank in Deutschland Vorschläge für eine Mindestanforderung an haftendem Eigenkapital gemacht, um allzu schnelle Insolvenzen einzelner Banken und die durch den allgemeinen Vertrauensverlust entstehenden Liquiditätsrisiken des gesamten Bankensystems zu reduzieren. Diese als "Basel I" bekannt gewordenen Vorschläge sind später modifiziert worden und waren als "Basel II" die Grundlage der Haftungsanforderungen an Banken vor der Weltfinanzkrise: Danach mussten Banken zumindest eine Kern-Eigenkapitalquote von 4 Prozent ausweisen. Verschiedene Geschäftsrisiken sind hierbei mit unterschiedlicher Eigenkapitalunterlegung zu versehen. Die als Basel I und Basel II bekannten Vorgaben der BIZ sind allerdings nicht verbindlich, sondern müssen durch nationale Gesetzgebung umgesetzt werden, was immer wieder zu massiven Kooperationsproblemen führt. Denn eine Nicht-Umsetzung der Basel-Beschlüsse kann den jeweiligen nationalen Banken Wettbewerbsvorteile verschaffen, wenn die Kreditvergabemöglichkeiten weniger durch Eigenkapitalanforderungen eingeschränkt sind. So waren es gerade die USA, die sich mit der effektiven Umsetzung der Basel-II-Beschlüsse vor der Weltfinanzkrise schwer taten.

Im September 2010 hat nun der Baseler Ausschuss bei der BIZ die Eigenkapitalanforderungen als Reaktion auf die Weltfinanzkrise erneut erhöht: Nun sollen die Banken eine Kern-Kapitalquote von mindestens 6 Prozent ausweisen und zusätzlich einen "Eigenkapital-Puffer" in Zeiten überdurchschnittlicher Kreditausweitung aufbauen, um für den im konjunkturellen Abschwung zu erwartenden Anstieg des Ausfallrisikos vorbereitet zu sein. Diese als "Basel III" bekannten Vorgaben sollen auf dem G-20-Gipfel im November 2010 beschlossen und dann, so die Vorstellungen, auf nationaler Basis umgesetzt werden. Als Folge von Basel III könnte entweder der Bedarf an Eigenkapital einzelner Banken steigen oder die Notwendigkeit der Bilanzkürzung (Rückführung von Kreditvergaben bis zum Erreichen der erforderlichen Kern-Kapitalquote) entstehen. Im Vorfeld der Verhandlungen zu Basel III sprach das deutsche Bankgewerbe von zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen in Höhe von über 100 Mrd. Euro allein für die 10 größten deutschen Banken, tatsächlich aber zeigte sich, dass die meisten deutschen Banken bereits heute die Basel III-Anforderungen zur Kern-Kapitalquote erfüllen. Um es anderen Banken (z.B. den öffentlichen Banken) oder anderen Ländern zu ermöglichen, die Kern-Kapitalquote zu erfüllen, ist einerseits vorgesehen, Basel III erst ab 2013 in Kraft treten zu lassen (wenn es denn tatsächlich von allen Ländern umgesetzt wird!) und lange Übergangsfristen zu gewähren.

Die Basel-Beschlüsse lavieren zwischen dem Sicherungsbedürfnis einer extrem instabilen Branche und den Kreditvergabemöglichkeiten eines für die Realwirtschaft extrem wichtigen Sektors. Wenn die internationalen Finanzmärkte nicht insgesamt stärker reguliert werden (z.B. durch die Überwachung und ggf. Einschränkung von Finanzinnovationen), wird die Erhöhung der Haftungsbestimmungen nach Basel III sicher nicht in der Lage sein, künftige Finanzmarktkrisen zu verhindern.

Dr. Arne Heise ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg.


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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 5/2010, Heft 180, Seite 55-56
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2010