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INTERNATIONAL/009: Argentinien - Positive Wachstumsprognosen, Erfolgsgeschichte setzt sich fort (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Januar 2011

Argentinien: Positive Wachstumsprognosen - Erfolgsgeschichte setzt sich fort

Von Marcela Valente

Buenos Aires, 12. Januar (IPS) - Die argentinische Wirtschaft wird auch 2011 - zum neunten Mal in Folge - wachsen. Geschätzt wird ein Plus von 5,5 bis 6,5 Prozent, bedingt durch eine Reihe günstiger externer Faktoren, die das südamerikanische Land nach Ansicht von Experten nutzen wird.

Der Verband der Automobilhersteller (ADEFA) vermeldet für das letzte Jahr eine Rekordproduktion von 724.023 Fahrzeugen. Das entspricht einem Anstieg von 41,2 Prozent gegenüber 2009, das ebenfalls ein Erfolgsjahr gewesen war. Der Großteil der Wagen ging an Brasilien, das zusammen mit Argentinien, Paraguay und Uruguay dem Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) angehört. ADEFA zufolge wird das Wachstum im Neuen Jahr moderater ausfallen, allerdings immer noch zwölf Prozent betragen.

Auch in anderen Branchen stehen die Zeichen auf Wachstum. So wurden im letzten Jahr 67 Prozent mehr Elektronikartikel verkauft. Der Einzelhandel legte um fast 40 Prozent zu und die Bauwirtschaft um zehn Prozent. Auch der Agrarsektor konnte seine Einnahmen steigern, nachdem im letzten Jahr 95 Millionen Getreide geerntet wurde, 50 Prozent mehr als 2009.


Überdurchschnittliches Wachstum

Nach Schätzungen der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) legte das Wirtschaftswachstum der Region 2010 um sechs Prozent zu. Argentinien sprengte mit 8,4 Prozent den regionalen Durchschnitt. Nach Angaben der Regierung von Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner waren es sogar 8,9 Prozent.

Damit verbuchte das südamerikanische Land zum achten Mal in Folge einen Anstieg seines Bruttoinlandsprodukts (PIB) um sieben bis neun Prozent. Lediglich 2009 beschränkte sich das Plus infolge der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise auf 0,9 Prozent.

2010 verbuchte Argentinien zugleich einen Anstieg der Investitionen um 17,9 Prozent, der Exporte um 24 Prozent und der Importe um 45 Prozent, wie das Ministerium für Wirtschaftspolitik in einer Studie festhielt, die exklusiv in der Tageszeitung 'Página 12' veröffentlicht wurde.

Erfolgreich gestaltete sich im zurückliegenden Jahr zudem der Arbeitsmarkt. So konnte die Arbeitslosigkeit auf 7,3 Prozent gedrückt werden. Auch die Armut ging zurück, allerdings in geringerem Maße. Experten zufolge steht die Fernández-Administration nun vor der großen Herausforderung, die prekäre Beschäftigung, die relative und absolute Armut sowie die Inflation von jährlich 25 Prozent zu bekämpfen. Eine geringere Teuerungsrate, wie vom Nationalen Statistikamt angegeben, hält der Privatsektor für unrealistisch.

"Für 2011 gehen wir von einem Wachstum zwischen sechs und 6,5 Prozent aus, weil die Welt aufgrund niedriger Zinsen und eines schwachen Dollars einen sehr hohen Anstieg des Konsums ermöglicht", meint die Wirtschaftsexpertin Marina Dal Poggetto.


Hohe Pro-Kopf-Importe

Dass die Preise für Basisprodukte steigen, wird sich ihrer Meinung positiv auf Argentinien auswirken. Das südamerikanische Land exportiert in erster Linie Getreide, Lebensmittel, Mineralien und Erdgas.

Auch der Wirtschaftswissenschaftler Ramiro Castiñeira von der Beraterfirma 'Econométrica' sieht für 2011 gute Zeiten für Argentinien aufziehen. "Dieses Jahr verspricht ausgezeichnet für Argentinien zu werden, auch weil sich der internationale Kontext günstig für unser Land auswirkt", erläutert er und prognostiziert für 2011 ein Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent.

Dafür spricht seiner Meinung nach die Ernte, die trotz der Dürre seit Ende des letzten Jahres gut ausfallen und auf dem Weltmarkt hoch gehandelt wird. Soja, das zweitwichtigste Exportgut des Landes, erzielt Einnahmen von 500 Dollar de Tonne - die höchsten der letzten zehn Jahre.

Castiñeira mahnt aber auch Stabilisierungsmaßnahmen an, will Argentinien ein Schicksal wie Venezuela verhindern, dessen Wirtschaft im letzten Jahr um 1,6 Prozent zurückgegangen ist. Den optimistischsten Prognosen zufolge wird der nördliche Nachbar nach CEPAL-Schätzungen nicht in der Lage seit, das verlorene Terrain wettzumachen. So dümpeln Konsum und Investitionen bei hoher Inflation vor sich hin.


Haushaltsüberschüsse und Währungsreserven

Argentinien konnte dank hoher Rohstoffpreise einen Haushaltsüberschuss generieren, Währungsreserven anlegen und seine Auslandsschulden umschichten und somit die Anfälligkeit für mögliche Krisen verringern. Die Auslandsschulden betragen derzeit 127 Milliarden Dollar - 48 Prozent des BIP. 2001, als sich das Land zahlungsunfähig erklärte, hatten die Außenstände mit 144 Milliarden 70 Prozent des BIP verschlungen. Der Schuldenberg konnte seit 2005 zu 95 Prozent refinanziert werden.

Die Währungsreserven sind inzwischen auf 52,5 Milliarden US-Dollar angewachsen. Und für 2010 hat sich die Regierung vorgenommen, ihre Schulden gegenüber dem Pariser Club der reichen Industriestaaten abzubezahlen. Dann wäre der letzte Schritt vollzogen, um das Vertrauen in Argentinien wiederherzustellen, das durch das wirtschaftliche, finanzielle und politische Fiasko zerstört worden war.

Auch für die Börse in Buenos Aires stellte sich 2010 als erfolgreiches Jahr heraus. So konnten die führenden Unternehmen 50-prozentige Zugewinne verbuchen, wobei sich die Schatzanweisungen mit Erträgen von 200 Prozent als beste Investition herausstellten, was die Peso-Anleihen anging. "Argentinien verfügt nun über eine solide Wachstumsgrundlage", meinte Castiñeira. "Sollten sich die externen Voraussetzungen verändern, hätte dies sicherlich auch Folgen für unsere Volkswirtschaft. Doch Argentinien wird die derzeitige Situation für sich zu nutzen wissen." (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2011