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INTERNATIONAL/029: Lateinamerika - Initiativen für mehr Transparenz im Bergbau- und Ölgeschäft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Mai 2011

Lateinamerika: Initiativen für mehr Transparenz im Bergbau- und Ölgeschäft

Von Gonzalo Ortiz


Quito, 24. Mai (IPS) - Lateinamerika ist eine rohstoffreiche Region. Hier befinden sich die zweitgrößten Erdölreserven der Welt, und viele Länder des Kontinents sind zu einem guten Teil von der Ausbeutung der Erdölvorräte abhängig. Damit die Einnahmen aus dem Geschäft nicht in dunklen Kanälen versickern, sondern möglichst effektiv zur Entwicklung der Herkunftsländer beitragen, sind zivilgesellschaftliche Organisationen um mehr Transparenz in dem Bereich bemüht.

"Erdöl war über vier Jahrzehnte lang der wichtigste Devisenbringer Ecuadors", berichtet Carmen Pantoja, Leiterin von 'Extrayendo transparencia'. Bei dem Programm der in dem Andenstaat angesiedelten Faro-Gruppe geht es um die Bereitstellung von Informationen und die nachhaltige Verwendung der Einnamen aus nicht erneuerbaren natürlichen Ressourcen.

Wie Akram Esanov vom 'Revenue Watch Institute' (RWI) erläutert, erwirtschaftet Öl fast 50 Prozent der venezolanischen und 40 Prozent der mexikanischen Einnahmen. In Trinidad und Tobago generiert Öl 57 Prozent der Staatseinannahmen. Und die kürzlich in Brasilien entdeckten Offshore-Reserven könnten das südamerikanische Land zu einem der ölreichsten Staaten der Welt machen. "Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass von den Einkünften die Bevölkerung möglichst umfangreich profitiert", meint Esanov.

RWI war 2006 als Instrument geschaffen worden, um die Einnahmen der Rohstoffindustrie in Zentralasien zu kontrollieren. Finanziert von den 'Open Society Foundations' des Multimilliardärs George Soros unterhält die Organisation inzwischen Büros in Lateinamerika, Afrika, Zentralasien, Südostasien sowie New York und London.


Informationen das A und O

Lateinamerikas zivilgesellschaftliche Organisationen versuchen die Wissensdefizite auf verschiedene Weisen zu schließen. In Peru ist die Bürgerorganisation 'Propuesta Ciudadana' bestrebt, möglichst viele Informationen zusammenzutragen und zu verbreiten. Sie sammelt Daten über die Einnahmen der Bergbau- und Ölindustrie und die Verwendung der Gelder auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene.

Darüber hinaus arbeitet die Gruppe eng mit lokalen Politikern zusammen. "In Peru ist die Rohstoffindustrie in zehn aller 25 Departements präsent", erläutert Epifanio Rivas von Propuesta Ciudadana. "Somit ist es gerade für lokale Entscheidungsträger wichtig, dass sie ihre Rechte kennen, um einen angemessenen Anteil an den Einnahmen einfordern zu können. Auch müssen sie wissen, wie sich das Einkommen möglichst effektiv verwenden lässt." Propuesta Ciudadana versucht auch, auf politischer Ebene Einfluss zu nehmen, indem sie Gesetze oder Steuermechanismen wie Zufallsgewinnsteuern vorschlägt.

In dem vom RWI entwickelten 'Revenue Watch Index' sind lateinamerikanische Länder wie Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Mexiko and Peru im oberen Drittel angesiedelt. Sie gehören somit zu den Staaten, die die Öffentlichkeit über die Entwicklungen im Rohstoffsektor informieren. Bolivien, Trinidad und Tobago und Venezuela werden im mittleren Drittel gelistet, da sie Informationen nur teilweise herausgeben.

"Ecuador hatte bisher alle Verträge offen gelegt", berichtet Katarina Kuai vom RWI-Programm für Training und Kapazitätenaufbau. Doch sei damit zu rechnen, dass das Land auf dem Index nach unten abrutsche. Das hat damit zu tun, dass alle Unternehmen gezwungen sind, Dienstleistungsverträge mit der Regierung zu schließen. Vertragsunterlagen und die Kriterien über Neuverhandlungen werden nicht länger veröffentlicht.

Die Mitte-Links-Regierung hatte sich 2008 vorgenommen, den Anteil Ecuadors an den Erdöleinnahmen zu erhöhen und sich sämtliche Zufallsgewinne zu sichern. Im vergangenen Juli wurde die Reform des Erdölgesetzes beschlossen, die für jedes produzierte Barrel Erdöl einen Einheitspreis von 24 bis 31,90 US-Dollar für die Ausbeutung der marginalen und von 35 bis 41 Dollar für die der großen Erdölfelder vorsieht. Wollen die Unternehmen höhere Profite erzielen, müssen sie ihre Kosten senken, was sich wiederum in höheren Steuereinnahmen für den ecuadorianischen Staat niederschlagen würde.


'Gute' Verwendung der Gelder angestrebt

"Es geht aber nicht allein um den Einblick in die Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft, sondern um die Frage, wie die Gelder verwaltet und eingesetzt werden", sagt Esanov. Ebenso wichtig sei der Erfahrungsaustausch mit anderen Staaten. "Er zeigt, was funktioniert und wie die Zivilgesellschaft befähigt werden kann, eigene Untersuchungen anzustellen."

RWI unterstützt die Rohstoff-Transparenz-Initiative (EITI), der sich Vertreter von Staaten, Unternehmen, multilateralen und Nichtregierungsorganisationen angeschlossen haben. 2002 auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg ins Leben gerufen, soll EITI die Transparenz der Geldströme bei der Rohstoffförderung zu erhöhen. Auch soll sie dafür sorgen, dass die Einnahmen auf nachvollziehbare Art und Weise in die öffentlichen Haushalte gelangen und zur Bekämpfung der Armut verwendet werden.

Bisher sind nur zwei lateinamerikanische Staaten - Guatemala und Peru - der Initative beigetreten. Beide Staaten gehören zu den 24 Ländern, die sich verpflichtet haben, EITI umzusetzen. Hinzu kommen elf Länder, die dies bereits in vollem Umfang tun. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.grupofaro.org/
http://descentralizacion.org.pe/
http://eiti.org/
http://www.revenuewatch.org/index.php
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=98218

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. Mai 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2011