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INTERNATIONAL/103: Guatemala - Auslandsinvestitionen kontrovers diskutiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. August 2012

Guatemala: Große Geschäfte mit kleinem Nutzen - Auslandsinvestitionen kontrovers diskutiert

von Danilo Valladares



Guatemala-Stadt, 22. August (IPS) - In Guatemala ist eine Debatte darüber entbrannt, welchen Nutzen ausländische Unternehmen dem Land und der Bevölkerung bringen. Auslöser war die Entscheidung der Regierung, einer spanischen Firma die Konzession für den Betrieb eines Hafens an der Pazifikküste zu entziehen, weil gegen das Unternehmen mehrere Korruptionsvorwürfe erhoben worden waren.

"Die Regierungen der vergangenen Jahrzehnte haben sich nicht darum gekümmert, ob ihre Entscheidungen dem Wohle der Gemeinschaft dienten. Stattdessen trafen sie Entscheidungen, die nur den großen transnationalen Konzernen etwa im Öl- und Bergbausektor zugute kamen", sagt Ramón Cadena von der Internationalen Juristenkommission.

Cadena verweist auf den Fall des ehemaligen Leiters des staatlichen Nationalrates für geschützte Regionen, Sergio Veliz. Er wurde am 31. Juli zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er den Masterplan für den Nationalpark 'Laguna del Tigre' manipuliert hatte. Auf diese Weise sollte das Schutzgebiet mit einer Fläche von 334.080 Quadratmetern für die Ölförderung erschlossen werden.

Auch die in diesem Jahr abgetretene Regierung unter Álvaro Colom (2008-2012) hat verschiedene Rechtsnormen verletzt. Unter anderem umging sie das Kohlenwasserstoffgesetz und das Gesetz für Schutzgebiete, um im August 2010 den Vertrag der anglofranzösischen Öl- und Gasfirma 'Perenco' zu verlängern, die in einem Biosphärenreservat im nördlichen Department Petén operierte.


Militär schützt Unternehmen

Der Anwalt Cadena kritisiert die Regierung zudem dafür, in den entsprechenden Gebieten die Militärpräsenz zum Schutz der Unternehmen erhöht zu haben.

Guatemala ist ein armes Land. Der im letzten Jahr veröffentlichten Nationalen Studie über die Lebensbedingungen zufolge gelten 54 Prozent der 15 Millionen Guatemalteken als arm. 13 Prozent leben im Elend. Dies trifft besonders auf die indigene Bevölkerung zu. Sie lebt häufig dort, wo die Unternehmen operieren und sind somit unmittelbar von den Auswirkungen der Öl- und Bergbauarbeiten betroffen.

Einer dieser ausländischen Firmen, der spanischen 'Terminales de Contenedores de Barcelona' (TCB), warfen Oppositionspolitiker, Gewerkschaftler und Unternehmer in der vergangenen Zeit immer häufiger Korruption vor. Präsident Otto Pérez Molina sah sich daraufhin genötigt, den Konzessionsvertrag der Firma am 10. August dieses Jahres auszusetzen. Die TCB besaß die Konzession über eine Fläche von 350.000 Quadratmetern an der Pazifikküste im Süden des Landes.

"Die Konzession diente dazu, den Guatemalteken einen modernen, effizienten und wettbewerbsfähigen Hafen zu ermöglichen", sagte Ex-General Molina. Vertreter der rechtsgerichteten Oppositionspartei 'Líder' hingegen halten den Vertrag mit TCB für einen schlechten Deal. Ihren Angaben zufolge erhält der Staat pro Container, der am TCB-Hafen verladen wird, vier Dollar. In anderen Staaten seien 400 Dollar pro Container üblich.

Bevor der Staat die Konzession neu vergebe, müsse er sich auf die Vorteile für die Bevölkerung besinnen, fordert Anwalt Cadena. Die Arbeiten der Firmen dürfen weder die Gesundheit der Bevölkerung gefährden, noch der Umwelt schaden. Letztlich müsse auch im Voraus geklärt werden, in welchem Ausmaß der Staat von dem Geschäft profitiere.


'Brotkrumen für Guatemala'

"Die ausländischen Unternehmen machen hier Millionen, während sie uns nur die Brotkrumen lassen", wettert José Pinzón von der Gewerkschaft 'Central General de Trabajadores de Guatemala'. Beispielsweise habe die mexikanische Firma 'Marhnos' 1998 die Konzession für den Bau der Autobahn von Palín nach Escuintla erhalten. Sie habe seitdem das Recht, zweimal im Jahr die Mautgebühren anzuheben. Der Staat erhalte von den Einnahmen nicht mehr als ein Prozent. Nach Schätzungen von Journalisten summieren sich die Erträge des Unternehmens bis zum Jahr 2023, wenn der Konzessionsvertrag ausläuft, auf 650 Millionen Dollar.

Kritik kommt auch von Seiten der Indigenen. "Die Meinung der Bevölkerung ist nicht gefragt", sagt die Anthropologin vom Volk der K'iche, Irma Alicia Velásquez.

Ein weiteres Beispiel für die Diskrepanz zwischen den Einnahmen für die Unternehmen auf der einen Seite und für den Staat auf der anderen ist die Goldmine 'Marlin' im südwestlichen Departement San Marcos. So zahlte die 'Montana Exploradora', eine Niederlassung von 'Goldcorp', Lizenzgebühren von gerade einmal 16 Millionen Dollar, während ihre Gewinne zwischen 2010 und 2011 um 269 Millionen auf 607 Millionen Dollar anstiegen.

Für Velásquez ist das schwerwiegendste Problem dieser Auslandsinvestitionen, dass sie die Menschenrechte der Guatemalteken verletzten. Tatsächlich hat auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission am 20. Mai 2010 die Regierung aufgefordert, die Goldmine stillzulegen. Gemeint war dies als Vorsichtsmaßnahme, um 18 indigene Gemeinschaften zu beschützen. Doch das hat nichts genutzt - die Goldmine wird bis heute weiter betrieben. (Ende/IPS/jt/2010)


Links:

http://www.perenco.com/
http://www.confederacioncgtg.org
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101407

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2012