Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

INTERNATIONAL/123: Afrika - Solide Wirtschaftspolitik lässt Mittelschicht rasch wachsen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Dezember 2012

Afrika: Solide Wirtschaftspolitik lässt Mittelschicht rasch wachsen - Tunesien ganz vorn

von Fred Ojambo


Ugander bei einem Pop-Konzert - Bild: © Will Boase/IPS

Ugander bei einem Pop-Konzert
Bild: © Will Boase/IPS

Kampala, 27. Dezember (IPS) - Steigende Investitionen im Dienstleistungssektor, die Erschließung umfangreicher Rohstoffquellen und eine solide Wirtschaftspolitik während der vergangenen Jahrzehnte haben in Afrika dazu geführt, dass die soziale Mittelschicht prozentual rascher wächst als die gesamte Bevölkerung. Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend in Tunesien.

Zu der Entwicklung hätten vor allem Investitionen im Finanzsektor und in der Telekommunikation, der Informationstechnologie, dem Verkehrswesen, dem Tourismus und in der Immobilienbranche beigetragen, sagt Lawrence Bategeka von dem in Uganda ansässigen 'Policy Research Center'. "Die Liberalisierung der afrikanischen Volkswirtschaften hat die Effizienz gestärkt und ein rasches Wachstum des Dienstleistungssektors hervorgerufen. Die Expansion der Privatwirtschaft hat die Mittelschicht des Kontinents wachsen lassen."

Dieser Bevölkerungsgruppe werden diejenigen zugerechnet, die täglich zwischen zwei und 20 US-Dollar ausgeben. Der Konsum vieler Angehöriger dieser Schicht sei allerdings am unteren Ende der Skala anzusiedeln, heißt es in einem Bericht der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) mit dem Titel 'The Middle of the Pyramid'.

Laut der Bank hatte die afrikanische Mittelschicht 2010 einen Anteil von 34 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Das entspricht 350 Millionen Menschen und einen Anstieg um sieben Prozent im Vergleich zu 1980. "Somit hat die Mittelschicht zwischen 1980 und 2000 um 3,1 Prozent zugelegt. Die gesamte Bevölkerung Afrikas ist in dem Zeitraum um 2,6 Prozent gewachsen", geht aus dem Report hervor.

Dass die Mittelschicht die Zukunft des Kontinents ist und die wirtschaftliche und politische Entwicklung prägen wird, ist mittlerweile weithin anerkannt. Nach Ansicht der AfDB ist es allerdings schwierig zu erkennen, wie viele Afrikaner dieser Gruppe überhaupt zuzurechnen sind.

In Uganda charakterisiert sich die Mittelschicht durch gute Bildung, komfortable Wohnverhältnisse, Zugang zum Internet, häufige Besuche im Supermarkt und eine Kaufkraft von umgerechnet durchschnittlich 15 Dollar täglich, wie Stephen Kaboyo von der Forschungsfirma 'Alpha Partners' erklärt.


Steigende Einkommen treiben Nachfrage nach Land voran

Joseph Nsubuga, ein Grundstücksmakler nahe der ugandischen Hauptstadt Kampala, hat seine Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg ergriffen. "Die steigenden Einkommen haben die Nachfrage nach Land vorangetrieben", berichtet er. "Das habe ich zu meinen Gunsten genutzt. Erst verkaufte ich das Grundstück, das ich von meinen Eltern geerbt habe. Inzwischen bin ich hauptberuflich Grundstücksmakler. Mein Verdienst ist so weit gestiegen, dass ich meine Kinder mittlerweile auf gute Schulen schicken kann."

James Babalanda, ein Pädagoge aus Kampala, hat sich ebenfalls nach oben gearbeitet. "Die Besserverdiener wollten gute elektronische Geräte. Deswegen habe ich in der Hauptstadt mehrere Geschäfte eröffnet, die diese Artikel anbieten. Ich führe seitdem ein gutes Leben. Mein Unternehmen wächst, weil der Markt dafür bereit ist."

Nach Ansicht von Bategeka konnte die Mittelschicht in Afrika wachsen, weil der Staat die Wirtschaft nicht mehr so stark kontrolliert wie früher und auf den Privatsektor zugeschnittene Strategien entworfen worden seien. Er sieht nun großen Spielraum für eine weitere Expansion dieser Schicht. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Regierungen mehr in den Ausbau der Infrastruktur investierten.

"Uganda ist ein gutes Beispiel dafür, wie Wirtschaftsreformen die Einkommenschancen der Bevölkerung verbessern. Dieses Wachstum wäre noch höher, wenn der Staat mehr Geld in die Infrastruktur gesteckt hätte", meint er. In den meisten Ländern sei der private Sektor nur langsam gewachsen, weil diese Voraussetzung nicht erfüllt worden sei.

In den neunziger Jahren setzten die Länder des Kontinents Strukturanpassungsprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) um und förderten damit die freie Marktwirtschaft. "Eine Liberalisierung der Wirtschaft, die sich auf das Wachstum des privaten Sektors konzentriert, ist entscheidend für das Erstarken der Mittelschicht in Afrika", sagt Bategeka.


Höhere Direktinvestitionen aus dem Ausland erwartet

"Die Länder haben vernünftige Strategien entworfen, die eine Kontrolle der Inflation und eine Förderung von Investitionen vorsahen." Als Motor für ein Wachstum der Mittelschicht sieht er Investitionen im Dienstleistungsbereich. Eine solide makroökonomische Politik ziehe zugleich Direktinvestitionen aus dem Ausland an, erklärt er.

Besonders groß ist die Mittelschicht in Nordafrika. An der Spitze liegt Tunesien mit einem Anteil von 89,5 Prozent an der gesamten Landesbevölkerung, gefolgt von Marokko mit 84,6 Prozent. Am anderen Ende der Skala stehen Liberia mit lediglich 4,8 Prozent und Burundi mit 5,3 Prozent.

Nach Erkenntnissen des IWF verzeichnen die Staaten südlich der Sahara allerdings allgemein ein robustes Wachstum, das auch im nächsten Jahr anhalten wird. Die Region sei nicht von den negativen Faktoren betroffen, die zurzeit das Wachstum in den Industrieländern hemmten, teilte der IWF im Oktober mit. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.afdb.org/en/
http://www.eprc.or.ug/
http://www.imf.org/external/pubs/ft/survey/so/2012/car101212b.htm
http://www.ipsnews.net/2012/12/africa-rising-investments-rising-middle-class/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Dezember 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2012