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INTERNATIONAL/186: Arme Länder verlieren jährlich rund eine Billion Dollar durch Kapitalflucht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Dezember 2013

Entwicklung: Arme Länder verlieren jährlich rund eine Billion Dollar durch Kapitalflucht - Bericht fordert Staaten zum Handeln auf

von Carey L. Biron



Washington, 13. Dezember (IPS) - Durch illegale Finanzströme aus kriminellen Geschäften verlieren Entwicklungsländer neuen Schätzungen zufolge jährlich mehr als eine Billion US-Dollar. Der rasch weiter ansteigende Betrag übersteigt die gesamten ausländischen Hilfen für diese Staaten bereits um das Zehnfache.

Zwischen 2002 und 2011 verloren die Regierungen in den Ländern des Südens vermutlich insgesamt fast sechs Billionen Dollar, vor allem wegen schlechter Amtsführung und lascher Regelungen, wie die in Washington ansässige Organisation 'Global Financial Integrity' (GFI) mitteilte. In diese Schätzungen eingeschlossen sind unter anderem Eigentum, das unrechtmäßig mit Hilfe gefälschter Warenrechnungen erworben wurde sowie die Nutzung von Mantelgesellschaften und Steueroasen.

"Die Vermutung, dass illegale Finanzströme das schlimmste Problem für die Wirtschaft des Südens sind, wird dadurch erhärtet", sagte GIF-Präsident Raymond W. Baker bei der Vorstellung eines am 11. Dezember veröffentlichten Berichtes. Die Zahlen nannte er "einen Weckruf" an die Mächtigen der Welt, die verstehen müssten, dass das Problem der illegalen Finanzströme mit größter Dringlichkeit anzugehen sei.

Besorgniserregend ist vor allem der Umstand, dass die Wachstumsrate von Finanzströmen, die das Land verlassen, substanziell ansteigt. 2002, dem ersten von GIP untersuchten Jahr, lagen die illegalen Finanzströme bei etwa 270,3 Milliarden Dollar. 2011 waren es bereits 946,7 Milliarden Dollar. Und seither dürfte die Zahl weiter gestiegen sein.


Kapitalflucht im Aufwind

Inflationsbereinigt liegt das durchschnittliche Wachstum bei mehr als zehn Prozent jährlich, 2011 wurde ein Anstieg von 13,7 Prozent im Vergleich zu 2010 ermittelt. "Die Kapitalflucht hat sicherlich zugenommen", sagte Dev Kar, der Chefökonom von GFI und Co-Autor des neuen Berichts. "Während der Wirtschaftskrise gingen sowohl Importe als auch Exporte zurück. Seit sich die Wirtschaft wieder erholt hat, sind die Kapitalströme wieder angestiegen."

Kar wies darauf hin, dass die Schätzungen von GIF eher konservativ seien. Sie enthielten weder "inoffizielle" Finanzströme noch große Bargeschäfte und könnten daher keine Einblicke in Schattenfinanzsysteme, etwa von Drogen- und Menschenhändlern geben.

Dem Report zufolge hat Asien mit etwa 40 Prozent aller illegalen Finanzströme in Entwicklungsländern die größten Probleme. Auch wenn Afrikas Anteil 2011 nur bei sieben Prozent lag, waren die durchschnittlichen illegalen Geldströme im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dort mit etwa 5,7 Prozent höher als anderswo.

Da Afrika auch die Region der Welt ist, die am meisten von Hilfe abhängt, machen sich Experten zunehmend Gedanken darüber, wie sich zumindest ein Teil der illegalen Kapitalflüsse stoppen und in öffentliche Bereiche wie den Gesundheits-, Bildungs- oder Infrastruktursektor zurückführen lassen könne.

Große Entwicklungsinstitutionen haben begonnen, ihr Augenmerk auf solche Diskrepanzen zu richten. Die britische Hilfsorganisation 'Oxfam' schätzt, dass etwa 32 Billionen Dollar derzeit weltweit in Steueroasen liegen. Die verlorenen Steuereinnahmen würden sich demnach auf fast 190 Milliarden Dollar belaufen.

"Die Regierungen sollten sich darauf einigen, bis 2015 den Hunger in der Welt und die Steueroasen zu beseitigen", forderte Stephen Hale von Oxfam. "Steuerhinterziehung nimmt den Hungernden die Nahrung."


Kampf gegen Steuerhinterziehung ohne sichtbare Ergebnisse

Im vergangenen Jahr unternahm die internationale Gemeinschafr immerhin Schritte, um zu verhindern, dass das Vermögen weiter versteckt werden kann. Die Gruppe der Acht (G8) reichen Länder und die Gruppe der 20 (G20) Industrieländer, haben die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt.

In diesem Sommer hatte ein hochrangiger Ausschuss der Vereinten Nationen, der die nächste Phase auf dem Weg zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele ab 2015 plant, erklärt, dass eines der dringlichsten Ziele der Kampf gegen die Offshore-Steueroasen und illegalen Finanzströme sein muss. In den folgenden Monaten verständigten sich fast ein Dutzend EU-Mitglieder auf das erste multilaterale System für Informationsaustausch.

Organisation wie GFI pochen aber darauf, dass noch weit mehr getan werden müsse. Kar erklärte, er rechne nicht damit, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen große Auswirkungen auf die illegalen Finanzströme hätten. "Die G20 hat im Grunde das Schattenfinanzsystem nicht angetastet. Es ist nichts getan worden, um die Transparenz zu verbessern", kritisierte er.

Die bestürzenden Schätzungen der Organisation haben laut Kar in den meisten Staaten "fast keine Auswirkungen" gezeigt. "Zwischen Politikern und Unternehmern bleiben mächtige, von Korruption geprägte Beziehungen bestehen, durch die die Finanzierung von Wahlen, Geschäftsvorgängen und die Zahlung von Schmiergeldern bei der Vergabe staatlicher Aufträge verschleiert werden." (Ende/IPS/ck/2013) Ende Spaltenformat


Links:

http://iff.gfintegrity.org/iff2013/Illicit_Financial_Flows_from_Developing_Countries_2002-2011-HighRes.pdf
http://www.oxfam.org/
http://www.ipsnews.net/2013/12/illicit-capital-leaving-developing-countries-14-percent/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2013