Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

REDE/473: Bundesminister Brüderle - "Desertec - von der Vision zur Realität" (BMWi)


Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - Berlin, 10. Februar 2011

Desertec - von der Vision zur Realität

Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie Rainer Brüderle anlässlich des Parlamentarischen Abends der Desertec-Industrieinitiative (Dii)


Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Staatsminister Zeil,
sehr geehrter Herr Petschke,
sehr geehrter Herr van Son,
sehr geehrter Herr Aringhoff,
sehr geehrte Damen und Herren!

Wir verfolgen alle sehr aufmerksam die Entwicklungen in Nordafrika.

In der Region finden politische Prozesse statt, deren Ausgang ungewiss ist.

Der Westen muss ein Interesse daran haben, dass sich die Länder öffnen: Für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte.

Ein wichtiger Baustein dabei ist die weitere wirtschaftliche Entwicklung.

In dieser Umbruchsphase kommt es noch stärker auf wirtschaftliche Kooperation an.

Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern ist gerade jetzt von größter Bedeutung.

Die Menschen in Nordafrika brauchen Perspektiven.

Sie brauchen die Aussicht, dass sich ihre Lebensbedingungen verbessern.

Hierfür steht das Projekt Desertec.

Es kann einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Region leisten.

Es schafft Arbeitsplätze.

Es verbindet die Nachbarländer.

Und es verbindet die Kontinente.

Die Grundidee von Desertec ist einleuchtend:

Die durchschnittliche Zahl der jährlichen Sonnenstunden in Deutschland liegt bei 900 bis 1.000.

In Nordafrika liegt diese Zahl bei fast 3.000.

Die Sonneneinstrahlung in Nordafrika ist also dreimal stärker als in Deutschland.

In Nordafrika herrschen hervorragende Bedingungen für Wind- und Solarenergie.

Deutsche Unternehmen sind weltweite Marktführer bei Solar- und Windkraft.

Auch bei der Netz- und Übertragungstechnik sind sie führend.

Jetzt kommt es darauf an, Technik und Standortbedingungen zusammen zu bringen.

Das genau hat Desertec zum Ziel.

Desertec ist gelebte, effiziente internationale Arbeitsteilung.

Deshalb hat die Bundesregierung das Projekt von Anfang an unterstützt.

Und sie wird dies weiterhin tun.

Die zuständigen Ressorts begleiten Desertec aktiv. Das gilt für das Entwicklungsministerium, das Umweltministerium und das Auswärtige Amt.

Und das gilt für das federführende Bundeswirtschaftsministerium.

Im BMWi haben wir eine Task Force gegründet.

Sie ist die Plattform für einen umfassenden Informationsaustausch zwischen den Ressorts und der Dii.

Wir haben zudem für die Dii eine Anlaufstelle Desertec bei den Auslandshandelskammern in Nordafrika eingerichtet.

Hier werden vor Ort Kontakte hergestellt und Marktinformationen aufbereitet.

Auch die Botschaften, die GIZ und die KfW leisten Unterstützung vor Ort.

Sie sehen: Die Bundesregierung koordiniert, vermittelt und öffnet Türen.

Klar ist aber auch: Desertec ist ein Industrieprojekt. Und das soll es auch bleiben.

Wir können Ihnen manche Türen öffnen.

Entschlossen durchgehen müssen Sie selber.

Eine Tür öffnet sich gerade. Es ist die Tür nach Marokko.

Vor zwei Wochen war die marokkanische Energieministerin zu Gast im BMWi.

Die Bundesregierung will eine umfassende Energiepartnerschaft mit Marokko eingehen.

Marokko ist erstes Desertec Zielland.

Uns geht es um eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe.

Wir wollen Themen angehen, bei denen beide Seiten profitieren können.

Neben dem Stromexport geht es auch um Energieeffizienz, Stromnetze und Forschung im Solarbereich.

Die Energiepartnerschaft mit Marokko kann Vorbild für weitere Partnerschaften mit Tunesien, Ägypten oder Algerien sein.

Natürlich hängt viel von der weiteren Entwicklung in diesen Ländern ab.

Sie sind für uns nicht nur Standorte für Wind- und Sonnenenergie.

Sie sind unsere Nachbarn und Partner. Deswegen haben wir ein klares Interesse an demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen.

Offene Gesellschaften und offene Märkte sind zwei Seiten derselben Medaille.

Wir können jetzt nicht einfach die Hände in den Schoß legen.

Energiepartnerschaften eröffnen deutschen Firmen ganz neue Möglichkeiten im nordafrikanischen Markt. Diese gilt es zu nutzen.

Mit der Partnerschaft mit Marokko können wir zeigen, welche Vorteile sich für beide Seiten ergeben.

Auf beiden Seiten des Mittelmeers soll Wertschöpfung stattfinden.

Und ein substanzieller Teil der Desertec-Stromproduktion soll die Region vor Ort versorgen.

Ausreichender Zugang zu Energie ist die Voraussetzung für Wachstum und Fortschritt.

Dafür müssen die Energiemärkte auch in Nordafrika liberalisiert werden.

Hier wird der Verbrauch fossiler Energien noch massiv subventioniert.

Diese Wettbewerbsverzerrung muss ein Ende finden.

Nur dann werden sich erneuerbare Energien in Nordafrika langfristig im Wettbewerb behaupten können.

Die politische Unterstützung für Desertec ist da.

Die Ziele sind gesteckt.

Jetzt müssen erste Projekte angegangen werden.

Und ein konkreter Businessplan muss auf den Tisch.

Hier sind Sie als Unternehmen gefordert.

Der Businessplan muss Antworten auf entscheidende Finanzierungsfragen geben.

Dabei ist klar: Der Strom aus der Wüste kann nicht über eine Einspeisevergütung nach EEG bezahlt werden.

Wir führen gerade intensive Diskussionen über die Belastungen durch die EEG-Umlage.

Die Umlage ist in den letzten Monaten geradezu explodiert.

In diesem Jahr werden die Verbraucher voraussichtlich über 13 Milliarden Euro für die Förderung der erneuerbaren Energien bezahlen.

Und die EEG-Umlage wird in den nächsten Jahren noch weiter steigen.

Der deutsche Stromverbraucher ist bereit, mehr für erneuerbare Energien zu zahlen.

Diese Bereitschaft dürfen wir aber nicht überstrapazieren.

Wir brauchen eine intelligente Lastenteilung in Europa.

Die Verteilung muss langfristig angelegt sein. Investoren müssen Projekte sicher planen können.

Eines kann nicht sein: Der Wüstenstrom wird nach Italien oder Spanien exportiert. Und allein der deutsche Stromverbraucher muss dafür zahlen.

Hier ist eine europäische Lösung erforderlich.

Desertec soll Nordafrika und Europa politisch und wirtschaftlich verbinden.

Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die physische Verbindung über Stromnetze.

Wir brauchen mehr Stromverbindungen von Nordafrika nach Europa.

Wir brauchen grenzüberschreitende Verbindungen in Nordafrika.

Und wir brauchen freie Fahrt für den Strom innerhalb Europas.

Für einen echten EU-Energie-Binnenmarkt brauchen wir ein europäisches Stromnetz.

Auf unseren Autobahnen transportieren wir bereits heute Waren durch Europa.

Unsere Netze müssen zukünftig Strom durch ganz Europa transportieren.

Hier müssen wir so genannte Grenzkuppelstellen ausbauen. So können wir Engpässe zu unseren Nachbarn reduzieren.

Dadurch wird in Deutschland die Versorgung sicherer.

Dadurch nimmt der Wettbewerb zu.

Und dadurch erhält Desertec eine faire Chance.

Es gibt visionäre Pläne für ein europäisches Supernetz.

Dabei muss man realistisch bleiben: Der Weg zu einem europäischen Supernetz wird lang, teuer und sicher nicht ohne Rückschläge sein.

Aber: Es ist für mich ein notwendiger und letztlich unumkehrbarer Prozess.

Und wenn wir national und international zusammenarbeiten, können wir es schaffen.

Meine Damen und Herren,
die Weichen für die Energieversorgung der Zukunft werden heute gestellt.

Das Energiekonzept der Bundesregierung liegt auf dem Tisch.

Es enthält konkrete Ziele und Maßnahmen. Jetzt geht es um die Umsetzung.

Das gilt auch für Desertec.

Die Dii und ihre Aktionäre sind jetzt gefordert, ihr Engagement mit konkreten Vorschlägen unter Beweis zu stellen.

Nur wenn jetzt gehandelt wird, kommt der Strom aus der Wüste rechtzeitig im Zeitalter der regenerativen Energien an.

Ich wünsche Ihnen und der Dii viel Erfolg!


Weiterführende Informationen

Strom aus der Wüste: Brüderle hält europäische Lösung bei Desertec für erforderlich
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=380206.html

Wirtschaftliche Beziehungen - Marokko
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Aussenwirtschaft/Bilaterale-Wirtschaftsbeziehungen/laenderinformationen,did=277836.html

Zur Rubrik Erneuerbare Energien
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/Energietraeger/erneuerbare-energien.html

Zur Rubrik Energiepolitik
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/energiepolitik.html

Zur Rubrik Stromnetze
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/Energietraeger/netze.html


*


Quelle:
BMWi-Pressemitteilung vom 10. Februar 2011
Herausgeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Pressestelle des BMWi
Telefon: 03018-615-6121 oder -6131
E-Mail: buero-L2@bmwi.bund.de
Internet: http://www.bmwi.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2011