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REDE/500: Bundeskanzlerin Dr. Merkel zum Haushaltsgesetz 2013, 12.09.12 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zum Haushaltsgesetz 2013 vor dem Deutschen Bundestag am 12. September 2012 in Berlin:



Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Deutschland sendet heute einmal mehr ein starkes Signal nach Europa und darüber hinaus. Deutschland nimmt seine Verantwortung als größte Volkswirtschaft und verlässlicher Partner in Europa entschlossen wahr - wie sehr, das haben nicht nur die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat in allen Entscheidungen der letzten Monate mit zum Teil überwältigender Mehrheit, auch in diesem Hause, deutlich gemacht - dafür möchte ich mich auch ausdrücklich bedanken -, sondern das hat heute auch unser oberstes Gericht, das Bundesverfassungsgericht, der Hüter unserer Verfassung, mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, indem es den Weg für den ESM und den Fiskalvertrag frei gemacht hat.

Das Gericht macht den Weg genau in dem Geiste frei, der uns und mich auch ganz persönlich immer geleitet hat, und das ist das Zusammenwirken aller Institutionen, insbesondere auch mit dem Deutschen Bundestag. Die Bekräftigung der Rechte des Parlaments gibt allen, diesem Haus, aber auch den Steuerzahlern, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande, Sicherheit, und diese Sicherheit ist wichtig für den Kurs, den wir einzuschlagen haben. Deshalb sage ich: Das ist ein guter Tag für Deutschland, und es ist ein guter Tag für Europa.

Wir können das in dem Bewusstsein heute hier debattieren: Deutschland ist Stabilitätsanker, und Deutschland ist Wachstumsmotor. Deutschland geht es gut, obwohl wir natürlich auch nicht abgekoppelt von den anderen Ländern in Europa leben können. Deutschland hat in all den Krisenjahren seit 2008 gezeigt, was in unserem Land steckt. Deutschland hat, nachdem die Wirtschaft im Jahr 2009 um fünf Prozent eingebrochen war, das damalige Wirtschaftsniveau wieder erreicht. Wir hatten letztes Jahr drei Prozent Wachstum, und wir sind auch robust in dieses Jahr gestartet. Die Arbeitslosigkeit liegt unter drei Millionen. Es ist im Augenblick die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist zurückgegangen. Die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen unter 25 Jahren hat sich seit 2005 mehr als halbiert. Die Jugendarbeitslosigkeit gehört zu den geringsten Jugendarbeitslosigkeiten in Europa. Das zeigt: Gerade junge Menschen haben in Deutschland eine Chance.

Wir haben immer wieder gesagt: Wir wollen stärker aus der Krise hervorgehen, als wir hineingegangen sind. - Genau das ist uns gelungen. Das ist vor allen Dingen der Erfolg der Menschen in diesem Lande, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Unternehmer. Aber es ist auch der Erfolg der christlich-liberalen Koalition. Unsere Politik folgt dabei drei Prinzipien: solide Finanzen, Solidarität mit den Schwachen und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, um die Zukunft zu sichern. Das gilt sowohl - da sprechen wir immer mit der gleichen Stimme - für unser Vorgehen in Europa als auch für unsere Politik hier bei uns zu Hause, und zwar ist das gespeist aus der festen Überzeugung, dass es Deutschland auf Dauer nur gut geht, wenn es auch Europa gut geht.

Deshalb sagen wir: Wir haben eine schwere Krise, eine Krise, die mit Staatsschulden zu tun hat, eine Krise, die mit unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit zu tun hat. Wir haben diese Krise noch nicht überwunden. Wir werden sie auch niemals mit einem Paukenschlag überwinden. Aber ich sage auch: Wir haben erste Fortschritte bei der Krisenbewältigung erreicht. Wir haben Solidaritätsmechanismen - das sind der ESM und die EFSF - und auch Fortschritte bei der Wettbewerbsfähigkeit. Das heißt, wir haben auf der einen Seite Solidarität und auf der anderen Seite die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit immer zusammen gesehen.

Die Schwierigkeiten, die wir zurzeit haben, sind ganz wesentlich in den einzelnen Mitgliedsländern, insbesondere der Euro-Zone, entstanden. Deshalb müssen die Probleme, auch wenn es hart ist, auch wenn es den Menschen in diesen Ländern viel abverlangt und auch wenn schon sehr viel dabei erreicht wurde, ganz vorrangig in den einzelnen Ländern gelöst werden.

Herr Steinmeier, Sie haben es so hingeworfen, Griechenland sei ein 40-Milliarden-Problem. Ich weiß nicht, ob Sie das ernsthaft glauben. Schauen Sie sich bitte einmal die strukturellen Probleme Griechenlands an! Ich glaube, verantwortliche Politiker in Griechenland, die es gut mit Griechenland meinen und die die Probleme sehen - vom Katasteramt bis zum Eintreiben von Steuern und vielem anderen mehr -, würden einen solchen Satz nicht sagen, dass Griechenland ein 40-Milliarden-Problem ist.

Deshalb sage ich, dass die Dinge an der Wurzel angegangen werden müssen. Neben der Frage der Überwindung der Schuldenkrise zeigt sich immer mehr - das macht die Schwierigkeit aus -, dass wir gleichzeitig eine unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit in Europa haben. Das ist das eigentliche Problem. Da stellt sich die Frage: Wohin wollen wir denn mit unserem europäischen Kontinent? Wollen wir vorne mit dabei sein, oder wollen wir uns durch eine schnelle Haftungsunion in der Mitte treffen und dann alle von den Weltmärkten und den Schwellenländern abgekoppelt sein? Das wollen wir nicht, die christlich-liberale Koalition. Das ist der Unterschied.

Es ist doch verständlich: Wir in der Europäischen Union sind weniger als zehn Prozent der Bevölkerung der Welt. Wir produzieren ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts der Welt. Wir geben 50 Prozent der Sozialausgaben in der Welt aus. Das muss miteinander in Einklang gebracht werden, entweder indem wir wettbewerbsfähiger werden oder indem wir kürzen müssen. Ich möchte, dass wir wettbewerbsfähiger, innovativer, kreativer werden. Dieser Weg muss beschritten werden, und daran arbeiten wir.

In dieser schwierigen Krise hat jede Institution ihre Verantwortung. Da ist es richtig, dass der Europäische Rat, die Parlamente der Mitgliedstaaten des Euro-Raums, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament ihre Verantwortung wahrnehmen. Aber dazu gehört auch, dass die Europäische Zentralbank im Rahmen ihrer Verantwortung - sie gründet auf Unabhängigkeit und ist auf die Erhaltung der Geldwertstabilität begrenzt - ihre Pflichten wahrnimmt. Das tut sie, und sie tut es mit einer Maßgabe, die unseren Kurs unterstützt, nämlich mit der Maßgabe, dass die Ursachen ganz wesentlich in den Mitgliedstaaten selbst liegen und dass deshalb eine strenge Konditionalität die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank begleiten muss. Das hat die Europäische Zentralbank gesagt, und nicht die, die ihre Unabhängigkeit zu respektieren haben. Deshalb sage ich: Wir empfinden das als Unterstützung unseres Kurses.

Im Kern geht es in Europa um noch etwas anderes. Das, was ich genannt habe, sind die Indikatoren; aber insgesamt geht es um die Rückgewinnung von verloren gegangenem Vertrauen. Die Glaubwürdigkeit unseres Handelns in der Europäischen Union und ganz besonders in der Euro-Zone ist angekratzt; sie ist erschüttert worden und muss wiedergewonnen werden. Man kann drum herumreden, wie man will: Das Zurückgewinnen von Vertrauen dauert. Das ist ein schwieriger Prozess, und an dem arbeiten wir.

Neben all den Maßnahmen, die in den Nationalstaaten zu passieren haben, neben den Solidaritätsmechanismen, die wir etabliert haben, brauchen wir natürlich auch etwas, das die Gründungsdefizite der Wirtschafts- und Währungsunion, das, was damals nicht geleistet wurde, ausgleicht. Deshalb müssen wir auch die Wirtschafts- und Währungsunion fortentwickeln. Wir haben dabei wichtige Schritte schon erreicht: Der Fiskalpakt ist heute vom Bundesverfassungsgericht genehmigt worden. Wir haben erreicht, dass wir einen Euro-Plus-Pakt haben, in dem wir sagen: Wir müssen koordinierter zusammenarbeiten. Aber ich sage, dass die Verbindlichkeit dieser Zusammenarbeit in beiden Bereichen noch nicht ausreicht. Deshalb wird sich Deutschland aktiv daran beteiligen, wenn es um die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion geht, wie wir es bereits tun.

Das Prinzip dabei muss sein, dass wir nicht möglichst viel nach Europa geben, sondern nur das verbindlich machen, was unbedingt notwendig ist, auf der anderen Seite aber das bei den Nationalstaaten lassen, was bei den Nationalstaaten bleiben kann, aber dass das, was wir untereinander versprechen, auch wenn es zwischen den Regierungen ist, auch wirklich eingehalten wird. Was soll die Welt denn davon halten, wenn wir vor Jahr und Tag - im Übrigen unter meinem Vorgänger - beschlossen - haben, dass jedes europäische Land drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgibt, und man heute in Europa zwischen 0,7 Prozent und 3,5 Prozent alles finden kann, sich also keiner an das hält, was man beschlossen hat? Das muss aufhören. Deshalb müssen die nationalen Politiken verbindlicher werden; es muss von der Kommission eingefordert werden können, dass diese nationalen Politiken auch durchgesetzt werden. Darum geht es.

Wir werden deshalb in diesem Deutschen Bundestag bis Dezember über weitere Schritte zu einer Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion sprechen. Ich sage noch einmal: Dabei geht es nicht um die Form - brauchen wir eine Vertragsänderung: ja oder nein? -, sondern um das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion. Was dafür notwendig ist, wird gemacht, und dann wird man auch den rechtlich notwendigen Weg finden. Es geht zunehmend - das sage ich ausdrücklich - auch um die demokratische Legitimierung dieser Schritte. Wir werden uns darüber zu unterhalten haben: Welche Rolle spielt das Europäische Parlament? Welche Rolle spielen die nationalen Parlamente? - Das ist ganz wichtig, um Akzeptanz in der Bevölkerung für unsere Weiterentwicklung zu schaffen.

Es ist auch vollkommen richtig, sich noch einmal daran zu erinnern, wie die ganze Krise eigentlich entstanden ist, und zu fragen: Was haben wir denn in der Finanzmarktregulierung erreicht, was haben wir im Bereich der Banken erreicht? Die Krise ist von Bankenversagen ausgegangen, und deshalb ist es richtig, dass wir festgestellt haben: In Europa - auch das müssen wir sehen - haben die nationalen Bankenaufsichten nicht ausreichend Handlungsfähigkeit bewiesen. Deshalb ist es gut und richtig, jetzt insbesondere im Euro-Raum Vorschläge für eine gemeinsame Bankenaufsicht zu machen. Die Kommission hat Vorschläge vorgelegt. Dazu wird die Bundesregierung Stellung nehmen; darüber werden wir uns im Parlament unterhalten. Aber auch hier sage ich: Es geht vor allen Dingen darum, dass diese Aufsicht qualitativ funktioniert, nicht darum, dass sie möglichst schnell in Kraft tritt, aber dann nicht funktioniert. Es geht auch nicht darum, dass möglichst jeder überwacht wird - das kann die Europäische Zentralbank gar nicht leisten -; es geht um die Qualität der Überwachung und nicht allein um die Quantität. Das wird der Maßstab unserer Prüfung sein.

Ich darf sagen, dass wir natürlich einiges bei der Regulierung erreicht haben, zum Beispiel schärfere Eigenkapitalregeln. Wir haben längst die für die Restrukturierung der Banken in Deutschland notwendigen rechtlichen Grundlagen erarbeitet; jetzt werden sie in Europa erarbeitet. Wir haben einzelne Finanzgeschäfte, zum Beispiel die Leerverkäufe, eingeschränkt; Europa ist nachgezogen. Wir werden jetzt im Bereich Hochfrequenzhandel tätig, und auch hier wird Deutschland Motor sein. Auf internationaler Ebene wird zurzeit insbesondere über die Schattenbanken gesprochen. Auch hier sage ich: Deutschland und Europa müssen Motor sein, um diese internationale Finanzmarktregelung voranzutreiben. Es gibt Tendenzen, die zeigen, dass andere daran nicht so interessiert sind, und dagegen müssen wir uns mit aller Macht stemmen.

Wir haben hier im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Fiskalpakts miteinander davon gesprochen, dass wir eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer wollen. Der Bundesfinanzminister wird natürlich alles tun und tut alles, um dies umzusetzen. Dass die Kommission im August nicht gearbeitet hat, Herr Steinmeier, können Sie uns nicht anlasten. Aber schon beim nächsten Treffen der Finanzminister wird das Thema wieder auf die Tagesordnung kommen; denn wir wollen die Finanztransaktionssteuer. Tatsache ist, dass sich bei den Ländern, die im Augenblick akute Schwierigkeiten mit ihren Banken haben, die Euphorie, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, im Augenblick etwas in Grenzen hält. Das heißt, wir werden in dieser Frage Treiber sein; aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es Länder gibt, die dazu eine andere Meinung haben. Es ist gut, dass es dem Finanzminister gelungen ist, eine Gruppe von Ländern zusammenzubringen, die sich für eine verstärkte Zusammenarbeit einsetzen will. Selbstverständlich werden wir Ihnen regelmäßig darüber berichten.

Unsere nationale Politik findet jetzt in einem international schwierigen Umfeld statt. Das weltweite Wirtschaftswachstum ist schwach; das europäische Wachstum zeigt leicht rezessive Tendenzen, wenngleich wir das nicht kleinreden sollten. Als wir jüngst in Spanien auf der großen Investorenkonferenz waren, ist etwas sehr Interessantes berichtet worden; ich finde, man muss den Ländern auch ein bisschen Mut machen. Die Spanier haben gesagt: Die Absätze in der Industrie, insbesondere im Bereich Export, wachsen. - Der Einbruch beim Wirtschaftswachstum rührt natürlich daher, dass im öffentlichen Sektor erhebliche Reduktionen vorgenommen werden. Aber wollen Sie denn allen Ernstes sagen, dass das nicht gemacht werden soll, nur um kurzfristig gute Wachstumszahlen zu haben? Diese Anpassungen sind notwendig; gleichzeitig muss die Wettbewerbsfähigkeit für den unternehmerischen Sektor gestärkt werden, und genau das macht Spanien. Auf diesem Weg wünschen wir Spanien allen Erfolg.

Unsere nationale Politik entspricht den Prinzipien von soliden Finanzen, Solidarität mit den Schwachen und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Aber wir tragen auch im europäischen Umfeld Verantwortung. Immer wieder wird uns gesagt: Versucht, durch eine gute Binnennachfrage einen Beitrag zur Ankurbelung der Weltwirtschaft zu leisten, weil ihr es euch aufgrund eurer Haushaltssituation leisten könnt. - Genau das spiegelt sich in unserem Haushalt wider.

Ich bin etwas traurig, erschüttert und durcheinander, weil Sie zwischen Soll und Ist immer noch nicht unterscheiden können und deshalb falsche Informationen über die Haushalte verbreiten. Aber wir werden nicht nachlassen, unsere Statistiken immer wieder sorgsam nachzureichen. Wir werden Ihnen unsere Statistiken immer wieder zur Verfügung stellen. Auf jeden Fall werden wir schon im nächsten Jahr, also drei Jahre früher, als nach Vorgabe des Grundgesetzes erforderlich, die Schuldengrenze von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. In dieser schwierigen Situation werden die Haushalte 2014 bis 2016 auf nahezu dem gleichen Niveau bleiben - das zeigt die mittelfristige Finanzplanung -, und bei gutem Verlauf ist ein ausgeglichener Haushalt wieder in Reichweite gerückt. Wenn man einmal überlegt, dass wir 2009 mit einem veranschlagten Defizit von über 80 Milliarden Euro in die Debatte gegangen sind, kann ich nur sagen: Die christlich-liberale Koalition hat hier wunderbar gearbeitet.

Dieser Haushalt war, soweit es die Bundeskanzlerin betrifft, von mir zu verantworten. Ich finde nur, wir haben super gearbeitet. Wenn ich mit einem Defizit von über 80 Milliarden Euro gestartet bin und jetzt bei 18 Milliarden Euro angekommen bin, dann ist das doch eine tolle Arbeit. Entschuldigung, das wird man doch einmal sagen dürfen.

Wir wollen, dass Deutschland menschlich und wirtschaftlich erfolgreich ist. Deshalb setzen wir vor allen Dingen auf Investitionen in die Zukunft. Das ist es, woran wir uns auch messen lassen. Deshalb haben wir Jahr für Jahr mehr Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben: 13 Milliarden Euro insgesamt in dieser Legislaturperiode. Man denkt: Da, wo nicht geklagt wird, passiert nichts. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir im gesamten Forschungsbereich - durch die Hightech-Strategie, durch unsere Bildungsausgaben, durch den Ausbildungspakt und durch vieles andere mehr - Dinge geschafft haben, die man vor Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte. Wir haben benachteiligten Kindern und Jugendlichen mehr Chancen gegeben. Wir haben mehr Studierende an den Hochschulen. Wenn der Bund nicht durch den Hochschulpakt helfen würde, hätten wir riesige Probleme. Benachteiligten Kindern helfen wir durch das Bildungspaket.

Wir haben die berufliche Bildung modernisiert und neu strukturiert. Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Egal wohin wir kommen in Europa - ob das Portugal ist, ob das Italien ist, ob das Spanien ist, ob das Frankreich ist -, wir werden um unser duales Ausbildungssystem beneidet; denn es ist für eine moderne Industriegesellschaft das geeignete Ausbildungssystem. Deshalb ist es auch unsere gemeinsame Aufgabe, bei der OECD dafür zu sorgen, dass, neben den vielen guten und richtigen Aufforderungen, dass mehr Menschen studieren, das Berufsbildungssystem nicht einfach abgeschlagen zur Seite gestellt wird, sondern die Priorität hat und die Anerkennung bekommt, die diesem System in hochentwickelten Industriegesellschaften zukommt.

Ich habe doch nur gesagt, Herr Gabriel: Lassen Sie uns das gemeinsam bei der OECD angehen. Ich bin schon in Brüssel vorstellig geworden und habe gesagt: Man kann auch eine gute Pflegekraft werden, wenn man nur zehn Jahre zur Schule gegangen ist und drei Jahre Ausbildung gemacht hat. Man muss nicht Abitur haben. - Das müssen wir gemeinsam vertreten. Das ist es, woran wir arbeiten müssen.

Der Bericht "Bildung in Deutschland" zeigt, dass wir heute weniger Kinder mit sozialem und wirtschaftlichem Bildungsrisiko haben, dass wir bei der Bildungsbeteiligung von Migrantinnen und Migranten Fortschritte machen. Unsere Integrationsgipfel - das ist übrigens die Arbeit nicht allein der Bundesregierung, sondern auch der Länder und Kommunen - haben sich bewährt. Das Niveau der Schulabschlüsse ist gestiegen. Mehr junge Menschen studieren Ingenieurwissenschaften, als wir es vor Jahr und Tag hatten. Das alles sind Entwicklungen, die sich in der Zukunft für uns auszahlen werden. Dabei leitet uns das Ziel: Jedes Kind soll die gleichen Chancen auf eine hervorragende Bildung haben. Ich habe in meinem Bürgerdialog, bei dem ich mit vielen Menschen gesprochen habe, die sich online beteiligt haben, immer wieder gehört, dass der Wunsch geäußert wird, den Menschen eine Chance auf Bildung zu geben, und dass Bund, Länder und Kommunen eng zusammenarbeiten. Deswegen unterstütze ich das, was Annette Schavan sagte, nämlich einen Bildungsrat einzurichten und alle Akteure zusammenzunehmen, um hier voranzukommen.

Investitionen in die Zukunft, das heißt auch, sich auf die augenblicklichen und zukünftigen Entwicklungen vorzubereiten. Wir alle wissen, dass der demografische Wandel, die Veränderung der Altersstruktur unserer Gesellschaft, das Thema der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein wird. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland heute schon das Land mit dem höchsten Altersdurchschnitt in der Welt ist. Diese Tendenz wird sich verstärken. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass die schleichende Veränderung, die wir gar nicht jeden Tag mitbekommen, dazu führt, dass sich in Zukunft Lebenszeit anders verteilen wird, dass sich in den ländlichen und städtischen Regionen der Bundesrepublik Deutschland die Bevölkerungsstrukturen verändern werden. Das heißt, die Frage: "Wie gestalte ich meine Lebenszeit?" wird das tragende Thema der nächsten Zeit werden. Genau deshalb haben wir gesagt: Darauf brauchen wir Antworten. Deshalb haben wir unsere Demografiestrategie begonnen: zuerst mit einem Bericht über die Fakten im Oktober 2011, dann hat der Bundesinnenminister zusammen mit den anderen beteiligten Ressorts ein Aufgabenpaket vorgestellt. Danach sind wir auf Länder, Kommunen, Sozialpartner und Bürgergesellschaft zugegangen und haben gesagt: Wir wollen sechs Handlungsfelder definieren und in Arbeitsgruppen darüber sprechen, was wir hier erreichen können. Am 4. Oktober wird der Demografiegipfel stattfinden; im Mai/Juni 2013 werden wir dann über die Ergebnisse berichten. Das Erstaunliche ist, dass alle, die wir ansprechen und mit denen wir reden, mehr als bereit sind, sich dieses Themas anzunehmen, und sagen: Wir wollen dabei mitwirken.

Natürlich haben wir auch eigene Aufgaben. Dazu gehört die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz. Am 1. August 2013 muss dieses Ziel erreicht sein. Die Bundesregierung hat jetzt noch einmal 580 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit wir dieses Ziel wirklich erreichen können. Das war wichtig, weil die Zahl derer, die ein solches Angebot in Anspruch nehmen wollen, in unserer Gesellschaft zunimmt. Ich sage aber auch: Jetzt sind alle verpflichtet, dies umzusetzen, damit wir diesen Rechtsanspruch am 1. August nächsten Jahres einlösen können. In diesem Zusammenhang werden wir für diejenigen, die staatliche Betreuungsangebote nicht in Anspruch nehmen wollen, im Herbst ein Betreuungsgeld verabschieden. Für uns gehört beides zusammen.

Wir haben auch in einem anderen Bereich gehandelt. Wir haben gesagt: Wir müssen die Pflegeversicherung reformieren. Dabei waren zwei Dinge wichtig: Zunächst brauchen wir eine bessere Betreuung von Menschen mit Demenzerkrankungen. Wir brauchen auch eine bessere Betreuung der Personen, die in Pflege sind. Jeder weiß, wie viele Familien in unserem Lande umtreibt, wie das zu organisieren ist. Wir werden aber auch Anreize zur privaten Vorsorge setzen, weil wir glauben, dass das Pflegerisiko in der Zukunft steigen wird, und weil wir Menschen ermuntern wollen, für den Pflegefall Vorsorge zu treffen.

Private Vorsorge anzubieten, ist wie bei der Alterssicherung - darauf komme ich gleich noch - auch im Bereich Pflege sehr vernünftig. Sie haben damals die Riester-Vorsorge als private Vorsorge vorgeschlagen. Es gibt, glaube ich, gute Gründe, so auch in Bezug auf andere Lebensrisiken vorzugehen.

Weil wir wissen, dass die Rentenversicherung und die Altersarmut ebenfalls wichtige Themen sind, haben wir bereits in unserer Koalitionsvereinbarung verankert, dass wir uns genau mit diesen Fragen beschäftigen wollen. Deshalb ist es richtig, dass die zuständige Ministerin dazu Vorschläge gemacht hat. Dieses Risiko haben wir nicht erst vor drei Tagen gesehen. Vielmehr haben wir dies bereits zu Beginn unserer Regierungstätigkeit als ein Risiko notiert, bei dem Handlungsbedarf besteht. Dass das ein sehr komplexes Fragenpaket ist, werden Sie erkennen, wenn Sie sich die Fakten anschauen. Hier sage ich: Wir brauchen unbedingt Antworten auf diese Fragen, vor allem für diejenigen, die wenig verdienen, die eine unterbrochene Erwerbsbiografie haben - hierunter übrigens viele Menschen in den neuen Bundesländern -, und zwar nicht erst in 30 Jahren, sondern relativ bald, weil schon 20 Jahre lang eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Das betrifft vor allen Dingen diejenigen, die heute niedrige Einkommen haben.

Zur Debatte gehört aber auch - und darauf werden wir achten -, dass sie realistisch geführt wird. Wer den Eindruck erweckt, dass ein Mindestlohn von 7,50 Euro oder 8,50 Euro eine Antwort auf das Problem der Altersarmut ist, der wird sich nicht um eine reale Betrachtung der Fakten verdient machen, sondern weiß, dass er mit Argumenten kommt, die nicht stimmen.

Schauen Sie sich die Fakten an, und dann können wir darüber reden. Ich bin sehr dafür. Auch bei uns in der Koalition gibt es Diskussionen über die Frage: "Brauchen wir Lohnuntergrenzen, ja oder nein?" Aber den Eindruck zu erwecken, dass das Konzept eines einheitlichen Mindestlohns von 8,50 Euro eine Antwort auf das Problem der Altersarmut ist, ist nicht redlich. Deshalb müssen wir dagegen angehen. Die Koalition wird Vorschläge unterbreiten, so wie wir es in der Koalitionsvereinbarung als Aufgabe definiert haben, und zwar relativ bald.

Wegen des demografischen Wandels werden wir uns weiterhin mit dem Thema Fachkräftemangel beschäftigen. Hier hat die Bundesregierung in zwei Bereichen gehandelt: auf der einen Seite mit der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse - diese Maßnahme beginnt jetzt zu wirken - und auf der anderen Seite mit der Umsetzung von Maßnahmen zur verbesserten Zuwanderung von Hochqualifizierten. Auch hier haben wir nicht nur weitreichende Vorschläge gemacht, sondern auch die entsprechenden Beschlüsse gefasst.

Wenn wir über Zukunft sprechen, dann sprechen wir auch über die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Natürlich war die Energiewende, natürlich waren die Beschlüsse, die wir im Juni 2011 im Lichte der Ereignisse von Fukushima gefällt haben, eine Zäsur. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Damals haben wir diese Beschlüsse in großer Gemeinsamkeit in diesem Hohen Hause gefällt. Es steht uns gut an, über dieses wirklich große Projekt, dieses große Ziel, bei dem viele Menschen auch außerhalb Deutschlands auf uns schauen und fragen: "Könnt ihr es schaffen, das Zeitalter der erneuerbaren Energien schnell zu erreichen und trotzdem ein guter Industriestandort zu bleiben?", weiter gemeinsam zu diskutieren und nicht Scheinbarrieren aufzubauen.

Man muss sagen: Wir haben gewusst, dass das kein einfacher Weg wird. Wir haben auch gewusst, dass wir dabei Neuland beschreiten. Deshalb sage ich Ihnen: Sie werden noch in diesem Jahr den ersten Monitoringbericht über das, was geschafft wurde, bekommen. Darüber wird dann hier diskutiert. Es gibt inzwischen - ich will Ihnen berichten, was geschehen ist - eine Arbeitsstruktur mit vielen Unterarbeitsstrukturen. - Ich glaube, dass das sehr wichtig ist. Schauen Sie, die Energiewende kann der Bund alleine nicht schaffen. Bund und Länder müssen zusammenarbeiten. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir viele Plattformen haben, auf denen diese gemeinsame Arbeit zwischen Bund und Ländern stattfindet. Ich spüre den Willen der Ministerpräsidenten, der Energieminister und der Umweltminister der Länder - der Wirtschaftsminister und der Bundesumweltminister sind hier viel unterwegs -, dieses für Deutschland so wichtige Problem gemeinsam zu lösen. Ich biete Ihnen, den Oppositionsfraktionen, an, Sie in diese Gemeinsamkeit einzubeziehen. Es wäre schön. Je gemeinsamer wir das machen, desto besser.

Der Ausbau der Netze kommt voran. Es gibt viele Projekte im Zusammenhang mit dem sogenannten EnLAG-Gesetz, die sich verzögert haben; ich will das hier nicht weiter ausführen. Der Netzbedarfsplan wird jetzt aber erstellt durch die Bundesnetzagentur, durch die Betreiber. Das entsprechende Gesetz werden wir vor Jahresende vorlegen. Dabei geht es um die großen Gleichspannungsübertragungsleitungen, die die Grundlage dafür sind, dass wir mehr Strom aus erneuerbaren Energien an die Industrieproduktionsstandorte bekommen.

Der Ausbau im Bereich erneuerbarer Energien geht zügig voran. Die Probleme der Offshorewindenergieerzeugung sind gelöst worden. Die entsprechenden Kabinettsbeschlüsse dazu gibt es. Wir haben eine EEG-Novelle auf den Weg gebracht, die sich mit der Reduktion der Förderung der Solarenergie befasst. Jetzt kommt ein Punkt, der zur Redlichkeit wirklich dazugehört, wenn wir das Projekt erfolgreich abschließen wollen: Der Ausbau im Bereich der Solarenergie überschreitet alle Prognosen, die wir jemals gehabt haben. Ich erinnere an die wichtigen Studien von Prognos und so weiter, die wir bekommen haben. Es hat technische Entwicklungen gegeben - das ist genau das, was ich mit "Neuland" meine -, die man so nicht hat absehen können. Wir werden Ende des nächsten Jahres wahrscheinlich um die 40 Gigawatt Leistung im Solarbereich haben. Um einen Vergleich zu geben: An einem normalen Tag braucht Deutschland eine zur Verfügung gestellte Leistung von 60 Gigawatt. 40 Gigawatt werden wir mit Solarenergie erreichen - nur dass die Sonne nicht den ganzen Tag scheint. Wir haben einen Kompromiss gefunden: Wir haben den Ausbau im Bereich Solarenergie bei 50 Gigawatt gedeckelt.

Erst dafür zu sein, dass der Bereich der Solarenergie stärker gefördert wird, und sich anschließend, jetzt, im Herbst, darüber zu beklagen, dass die Umlage stärker steigen wird, als wir gedacht haben, das geht nicht zusammen, wenn man es mit der Energiewende ehrlich meint. Es geht auch nicht, dass man verschweigt, dass Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, von der Umlage befreit werden müssen, weil sie sonst die Menschen, die dort beschäftigt sind, entlassen müssten. Man kann nicht dafür eintreten, dass auch diese Unternehmen die EEG-Umlage zahlen müssen, nur um sich bei Bürgerinnen und Bürgern lieb Kind zu machen. Das werden wir nicht durchgehen lassen; denn zur Redlichkeit gehört: Wir wollen eine effiziente Wirtschaft, wir wollen Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie, und wir wollen die Energiewende schaffen. Das muss zusammengebracht werden, und da muss man auch die unangenehmen Wahrheiten aussprechen.

Es wird im Verlaufe des Herbstes auf noch etwas ankommen. Wir haben nicht nur sehr große Kapazitäten im Solarbereich, sondern Planungen für Windenergie, nach denen wir, wenn wir sie addieren, um 60 Prozent über dem liegen, was wir an Windenergie in den nächsten Jahren brauchen werden. Deshalb müssen wir auch hier mit den einzelnen Ländern darüber sprechen: Wie bauen wir die Windenergie so aus, dass wir den richtigen Pfad von Preisgünstigkeit und Schaffung von mehr Kapazität für erneuerbare Energien hinbekommen? Auch das geht ohne Absprachen zwischen Bund und Ländern nicht. Darauf werden wir im Laufe des Herbstes zurückkommen.

Ich sage Ihnen: Kassandrarufe bei dem Thema Energiewende sind völlig unangebracht. Neulich hat jemand in der Zeitung "Die Zeit" geschrieben: Wir sind auf einem 10.000-Meter-Lauf, und wer nach 1.000 Metern schreit: "Das ist alles nicht zu schaffen", der hat die Aufgabe nicht verstanden. - Wir fühlen uns dieser Aufgabe verpflichtet - der Wirtschaftsminister, der Umweltminister, die ganze Bundesregierung, die Koalitionsfraktionen. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass wir das schaffen. Es wird eines der ganz gelungenen Projekte für Deutschland werden; ich bin davon zutiefst überzeugt.

Wir sind uns alle schnell darin einig, wenn es heißt: Der Aufschwung, das, was wir uns erarbeitet haben, muss bei den Menschen ankommen. Deshalb möchte ich noch zwei beziehungsweise drei Themen ansprechen; eines hängt mit dem Umweltschutz zusammen.

Wir wissen, der große Markt, auf dem wir CO2 einsparen können, auf dem wir Wachstum generieren können, ist die Gebäudesanierung. Seit über einem Jahr verhandeln wir nun über die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung. Es gibt Rechnungen über Rechnungen, in denen nachgewiesen wird, dass die Zunahme bei den Mehrwertsteuereinnahmen die Ausfälle bei der Einkommensteuer um ein Vielfaches übersteigt. Die Umweltverbände, das deutsche Handwerk, alle Gruppen, die mir überhaupt bekannt sind, haben sich vielfach flehentlich an die SPD-regierten Bundesländer gewandt, sie mögen hier doch bitte gemeinsam mit uns eine Lösung finden. Deshalb sage ich ganz einfach: Tun Sie etwas Gutes für die Energiewende, indem Sie endlich der Gebäudesanierung das Tor öffnen, damit wir hier handeln können.

Wir sollten gerade die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die so wesentlich dazu beigetragen haben, dass wir so gut durch die Krisenjahre gegangen sind, die zu Flexibilität bereit waren - wenn man sich einmal die Arbeitszeitkonten anschaut, dann sieht man, welche Flexibilität wir da gewonnen haben -, fair an den ansteigenden Einnahmen beteiligen. Es ist absolut unverständlich, dass es so schwierig ist, über einen ansteigenden Grundfreibetrag und die Verringerung der kalten Progression mit der Sozialdemokratie und den Grünen zu diskutieren. Wir haben vorgeschlagen, dass der Bund von den Steuerausfällen einen größeren Anteil übernimmt, als es eigentlich unsere Aufgabe wäre. Dass Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht das geben wollen, was ihnen zusteht, wenn sie die verdiente Lohnerhöhung bekommen, das werden wir thematisieren, wenn Sie Ihre Meinung nicht ändern.

Wir erleben täglich, dass sich Menschen in unserem Lande den Veränderungen stellen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das in der Krise getan. Wir sehen, dass die Soldatinnen und Soldaten es tun, wenn es um die Umstrukturierung der Bundeswehr geht. Wir haben über die Maßen bei der Aussetzung der Wehrpflicht das erfreuliche Erlebnis gehabt, dass der Zivildienst durch einen Bundesfreiwilligendienst ersetzt werden konnte, weil Menschen sich eingebracht haben. Es gibt ein überwältigendes ehrenamtliches Engagement in unserem Lande. All das macht es möglich, auf eine sich verändernde Welt überhaupt reagieren zu können.

Die Menschen erheben auch ihre Stimme, wenn es um die Grundlagen unseres freiheitlichen demokratischen Zusammenlebens geht. Das haben wir bei den schrecklichen Attentaten im Zusammenhang mit den NSU-Morden erlebt. Ich wiederhole hier - auch angesichts der Vorgänge von gestern -: Wir tun alles - wenn ich "wir" sage, dann meine ich die gesamte Bundesregierung -, um die Dinge aufzuklären, und der Bundesinnenminister tut alles, um die Sicherheitsstrukturen so zu formen, wie es notwendig ist, damit sich in Zukunft solche Dinge nicht wiederholen.

Wir wollen, dass die Menschen in diesem Lande, auch wenn sie verschiedenen Religionen angehören, friedlich zusammenleben können. Deshalb wird die Bundesregierung auch das einlösen, worum sie der Bundestag gebeten hat, nämlich einen Gesetzesvorschlag für die Beschneidung vorlegen. Das ist uns wichtig. Das ist die Grundlage: Gewaltlosigkeit, Integration. Deshalb sage ich: Die Bundesregierung wird das alles unterstützen. Ich freue mich zum Beispiel darüber, dass die Bundesligavereine an diesem Samstag nicht mit ihren normalen Trikots spielen werden, sich für die Integration von Migranten einsetzen und sagen: Geh deinen Weg, egal woher du kommst. Wir wollen, dass du Erfolg in diesem Land hast. - Diese Bestrebungen wollen wir unterstützen.

Die Politik setzt Leitplanken - das tun wir -, aber die Politik ist auch darauf angewiesen, dass die Menschen in diesem Lande ihr Land gern haben, ihr Land lieben und ihren Beitrag für das Gelingen dieses Landes leisten. Ich habe Ihnen berichtet, welche Leitplanken wir setzen, und ich freue mich, das für ein Land zu tun, in dem die Menschen so aktiv, so bereit sind, eine gute Zukunft für ihre Kinder und Enkel zu gestalten. In diesem Sinne ist mir nicht bange um die Zukunft Deutschlands.

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Quelle:
Bulletin 77-2 vom 12.09.2012
Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zum Haushaltsgesetz 2013
vor dem Deutschen Bundestag am 12. September 2012 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2012