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ROHSTOFFE/064: Kanada - Interesse an Rohstoffen Afrikas wächst, Entwicklungshilfe jedoch gekürzt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. November 2012

Kanada: Interesse an Rohstoffen Afrikas wächst - Entwicklungshilfe jedoch gekürzt

von Fawzia Sheikh



Toronto, 15. November (IPS) - Kanada schaut sich verstärkt nach Handelspartnern in Afrika um, nachdem es sich zunächst auf den Erdölproduzenten Nigeria und das rohstoffreiche Ghana konzentriert hat. Bei internationalen Entwicklungs- und Wirtschaftsexperten ruft die Strategie Ottawas allerdings Besorgnis hervor.

Vor einigen Jahren wurde die kanadische Regierung dafür kritisiert, dass sie ihre Entwicklungshilfe kürzte. Die zuständige Behörde beendete die bilateralen Programme in Ländern wie Ruanda, Sambia, Simbabwe, Malawi und Niger, wo die Bemühungen durch hohe Operationskosten behindert wurden. Die Behörde für internationale Entwicklung reduzierte außerdem ihr Engagement in weiteren fünf afrikanischen Staaten, darunter Mosambik, Äthiopien und Tansania.

Nachdem Kanada den Kontinent jahrelang hauptsächlich als Empfänger von Entwicklungshilfe gesehen hatte, gab die konservative Regierung kürzlich bekannt, im kommenden Januar eine Handelsmission einzurichten. Im Fokus stehen die Rohstoffindustrie und die für Energiegewinnung und Bergbau erforderlichen Infrastrukturen.


Afrika im Aufschwung

Die neue Aufmerksamkeit ist nicht überraschend, da sich Afrika mitten im Aufschwung befindet. Zwischen 1995 und 2010 konnte der Kontinent ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 4,3 Prozent jährlich vorweisen. Damit wurde Afrika zu einer der am schnellsten wachsenden Weltregionen, wie Rudy Husny, der Pressesprecher des kanadischen Ministers für Außenhandel, Ed Fast, erklärte. Auch in diesem und im folgenden Jahr soll sich das solide Wirtschaftswachstum weiter fortsetzen.

Etwa hundert kanadische Unternehmen sind zurzeit in Ghana tätig, wo laut dem Handelsministerium das Geschäftsklima politisch stabil ist und die Gesetze respektiert werden. Der bilaterale Warenaustausch belief sich nach Angaben aus beiden Ländern im vergangenen Jahr auf 321 Millionen US-Dollar. Nach Angaben von Husny bedeutete dies einen Anstieg um 61 Prozent.

Der Handel mit Nigeria, Kanadas größtem Partner in Subsahara-Afrika, erreichte 2011 sogar mehr als 2,7 Milliarden Dollar und erhöhte sich laut dem Ministerium um 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die noch junge Nigerianisch-Kanadische Unternehmensvereinigung verfolgt das Ziel, Firmen auf beiden Seiten dabei zu helfen, das Handelsvolumen bis 2015 auf sechs Milliarden Dollar zu steigern.

Sylvie Perras vom Kanadischen Rat für Internationale Zusammenarbeit (CCIC) in Ottawa bemerkt eine Zunahme der Aufmerksamkeit für die Wachstumsraten in Afrika. "Auch die reichen Bodenschatzvorkommen üben eine große Anziehungskraft auf kanadische Firmen aus", sagte die Koordinatorin des Afrika-Kanada-Forums des Rats.

Die kanadische Regierung von Premierminister Stephen Harper bewege sich von der Entwicklungshilfe weg zum Handel, erklärte Perras. Die Strategien des privaten Sektors in Kanada in Afrika müssten aber auch darauf abzielen, in den Ländern die Armut zu reduzieren und die dort gesteckten Entwicklungsziele zu erreichen.

Wie die Expertin hervorhob, müsse ein Entwicklungsland zum einen die sozialen, ökonomischen und ökologischen Vorteile durch auswärtige Investitionen und Handel erhöhen und zugleich den potenzialen Schaden durch diese Gelder so gering wie möglich halten. Aus diesem Grund fordere ihre Organisation, dass die Überprüfung der Menschenrechtslage Voraussetzung für alle Handels- und Investmentabkommen zwischen Kanada und dem Ausland werden müsse.

Im Oktober schloss Kanada eine Übereinkunft mit Tansania zur Investitionsförderung. Kanadische Unternehmen wollen sich in dem Land unter anderem im Bergbau, bei der Öl- und Gasförderung und im Verkehrssektor engagieren. Weitere Handels- und Investitionsinitiativen werden mit Benin, Burkina Faso, Kamerun, Côte d'Ivoire, Ghana, Tunesien, Sambia und Senegal vorangetrieben.


Unternehmen zu mehr sozialer Verantwortung aufgefordert

Auf der Suche nach neuen Chancen für Unternehmen aus dem Bergbau- und Infrastruktursektor wird der kanadische Handelsminister Anfang nächsten Jahres mit einer Delegation nach Westafrika reisen. Perras' Organisation versucht zudem, die kanadischen Firmen zu mehr sozialer Verantwortung anzuhalten, vor allem im Bergbau. "Davon haben afrikanische Länder bisher kaum profitieren können", sagte sie. Wenn man genau hinschaue, könne man nicht erkennen, dass auf diese Weise neue Jobs und höhere Einnahmen entstünden.

Auch andere Beobachter im Umkreis des CCIC sehen keine positiven Wirtschaftsentwicklungen für die einheimische Bevölkerung. Speziell im Minensektor seien Arbeitslosigkeit und Armut weit verbreitet.

Laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Anfang des Jahres erschienen ist, könnten die Kürzungen bei der internationalen Entwicklungshilfe Kanadas seit 2011 und die Konzentration auf wenige Länder mit vorwiegend mittleren Einkommen "die Unterstützung aushöhlen, die Kanada in den vergangenen Jahren armen Ländern insbesondere in Subsahara-Afrika geleistet hat". Im vergangenen Jahr sank nach Erkenntnissen der OECD die internationale Netto-Entwicklungshilfe Kanadas im Vergleich zu 2010 um 5,3 Prozent auf 5,3 Milliarden Dollar.

Nach Angaben von Lucien Bradet, dem Präsidenten und Geschäftsführer des in Ottawa ansässigen 'Canadian Council on Africa', stieg der bilaterale Handel mit Afrika seit Beginn des Jahrtausends rapide von zwei Milliarden Dollar jährlich auf 13 Milliarden Dollar an. Eine weitere Steigerung um 15 auf 20 Prozent hält der Experte für möglich.

Die kanadische Entwicklungshilfe sei zwar nach wie vor wichtig für die Förderung von Gesundheitsversorgung, Bildung und Nichtregierungsorganisationen in Afrika, sagte er. Dennoch habe es Kanada bisher versäumt, einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents zu leisten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.acdi-cida.gc.ca/home
http://www.ccic.ca/ccic/ccic_e.php
http://www.oecd.org/
http://www.ipsnews.net/2012/11/canada-eyes-african-resources-as-foreign-aid-shrinks/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2012