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ROHSTOFFE/077: Lateinamerika - Teure Geschenke für Bergbaukonzerne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2013

Lateinamerika:
Teure Geschenke für Bergbaukonzerne - Kritik an überholtem Entwicklungsmodell

Von Joe Hitchon


Bild: © Milagros Salazar/IPS

Aufräumarbeiten am peruanischen Fluss Opamayo
Bild: © Milagros Salazar/IPS

Washington, 27. März (IPS) - In einem neuen Bericht warnen Experten die lateinamerikanischen Länder vor der Ausbeutung der nationalen Ressourcen zu Lasten der indigenen Bevölkerung. Mit ihrem Festhalten an einem längst überholten Entwicklungsmodell verstießen sie massiv gegen die Rechte von Mensch und Natur.

"Ohne eine Anerkennung der Rechte der lokalen Bevölkerung und ohne mehr Transparenz bei den Geschäften, Entscheidungen und Mechanismen, die Regierungen und Investoren rechenschaftspflichtig machen, werden die ökologischen, menschlichen und Landbesitzrechte der Waldbewohner einen schweren Rückschlag erfahren", sagte Omaira Bolaños, Programmdirektorin für Lateinamerika der 'Rights and Resources Initiative' (RRI) mit Sitz in Washington.

"Ausländische Investoren suchen sich für ihre Geschäfte Länder mit laxen Vorschriften. Deshalb müssen Regierungen, Bürger, Zivilgesellschaft und Unternehmer kooperieren, um die Chancen und Risken abzuwägen und für eine wirtschaftliche Entwicklung und für Wohlstand für alle Lateinamerikaner zu sorgen", betonte Bolaños. "Dabei gilt es die Menschen- und Landbesitzrechte der ländlichen, indigenen und schwarzen Bevölkerung zu wahren."

Der neuen PRI-Studie zufolge gibt es in Lateinamerika zahlreiche Beispiele dafür, wie Länder den Ressourcenabbau ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Auswirkungen auf Umwelt und lokale Bevölkerung forcieren.

Margarita Florez von der 'Asociación Ambiente y Sociedad', einer Umwelt- und Menschenrechtsorganisation in Kolumbien, hat die Auswirkungen von Erdölförderung, Bergbau und anderen Aktivitäten auf die Land- und Waldrechte von Menschen in Kolumbien, Peru, Guatemala und Panama untersucht.

Florez zufolge wurden die Bergbauaktivitäten in diesen Ländern in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich ausgeweitet. Betroffen sind vor allem die Gebiete, in denen indigene und afro-lateinamerikanische Gemeinschaften leben. "Ein Großteil der negativen Auswirkungen wird erst gar nicht bekannt", meinte Augusta Molnar, Leiterin der RRI-Länder- und Regionalprogramme.

"Regierungen rechtfertigen die Ausweitung ihrer Bergbau- oder Erdölförderaktivitäten damit, dass diese prozentual gesehen nur auf einer kleinen Fläche stattfinden und die negativen Auswirkungen somit gering blieben. Dabei finden die Arbeiten zu 90 bis 100 Prozent inmitten von Wäldern und indigenen Territorien statt. Somit sind die Auswirkungen massiv", erläuterte Florez. In allen vier Ländern hätten die wasserintensiven Bergbauaktivitäten vitale Wasserquellen indigener Gemeinschaften zerstört.

Zudem konzentrierten sich die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) dort auf den Abbau von Rohstoffen. In Kolumbien zum Beispiel hatten die Erdölförderung und der Bergbau 2011 einen Anteil an den FDI von 92 Prozent. Die FDIs in diesen Bereichen stiegen auch in Guatemala, Peru und Panama an. Tatsächlich traten diese Länder in einen Wettbewerb, was zu einer Lockerung beziehungsweise Abschaffung der Restriktionen oder Bestimmungen führte.

In ihrem Bericht kommt Florez weiter zu dem Schluss, dass die Beratungen zwischen Regierung und den betroffenen Gemeinschaften eher karg ausfallen, was wiederum dazu führte, dass sich die Waldbewohner auf sich allein gestellt mit den Unternehmen auseinandersetzen müssen. Dadurch seien Konflikte und Präzedenzfälle programmiert.

"Insgesamt gesehen kamen wir zu dem Schluss, dass es auf staatlicher Ebene keine Institutionen gibt, die die Umweltverträglichkeitsstudien und deren Umsetzung kontrollieren", so Florez. Allgemein herrsche die Meinung vor, dass der Beratungspflicht des Staates mit der Durchführung einiger Anhörungen auch ohne die Existenz von Kontrollmechanismen Genüge getan werde.

Gegen viele der Projekte habe sich zwar Widerstand aufgebaut, der jedoch an den erfolgreichen Bemühungen der Behörden gescheitert sei, die indigenen Gemeinschaften als Hindernisse für den lang ersehnten Fortschritt zu geißeln. "Eine vollständige Anerkennung der Rechte der Völker sieht aber anders aus. So müssen die betroffenen indigenen Gemeinschaften in den Verhandlungen zwischen Staat und Unternehmen im Mittelpunkt stehen."

Doch ein solcher Ansatz könne nur dann Wirklichkeit werden, wenn die Regierungen rechenschaftspflichtig gemacht würden. "Wir wissen, dass indigene Völker wichtige Akteure sind, wenn es darum geht, die Wälder zu schützen und in Einklang mit den Wäldern zu leben. Und wir wissen, dass die Armut zunimmt, wenn man nicht mit diesen Menschen zusammenarbeitet."

2011 hatte James Anaya, der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte der indigenen Völker, das derzeit in vielen lateinamerikanischen Ländern praktizierte Entwicklungsmodell hinterfragt, wonach der Ressourcenabbau zu Fortschritt führe. Vielmehr sei dieses Verständnis ein Freibrief für den Verstoß gegen die kulturellen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Rechte der indigenen Völker. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.rightsandresources.org/publication_details.php?publicationID=5915
http://www.ipsnews.net/2013/03/group-warns-of-natural-resources-giveaway-in-latin-america/

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IPS-Tagesdienst vom 27. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2013