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ROHSTOFFE/122: D-EITI am Scheideweg - Umsetzung der Initiative für mehr Transparenz im Rohstoffsektor (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2016
Völlig losgelöst
Lässt sich die EU noch demokratisieren?

D-EITI am Scheideweg
Die deutsche Umsetzung der Initiative für mehr Transparenz im Rohstoffsektor

Von Josephine Koch


Im Februar dieses Jahres hat der internationale Vorstand der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) den Kandidaturantrag für die deutsche Mitgliedschaft angenommen. Damit hat die eigentliche Arbeit der Multi Stakeholder Group (MSG), dem Steuerungsgremium des deutschen EITI-Prozesses, jedoch gerade erst begonnen: die Aushandlung der konkreten Inhalte des ersten Transparenzberichts über den deutschen Rohstoffsektor. Bis zu seiner Fertigstellung im August 2017 ist es noch ein weiter Weg. Denn noch ist nicht klar, ob der D-EITI-Bericht einen echten Mehrwert schafft oder deutsche Transparenz in Rohstofffragen da aufhört, wo es unbequem wird.


Die EITI will als Standard global Maßstäbe setzen, worüber die größten Rohstoffkonzerne der Welt Rechenschaft ablegen sollen. Im Kern geht es darum, durch jährlich veröffentlichte Berichte mehr Transparenz in den Zahlungsströmen zwischen den Rohstoffunternehmen und Regierungen des jeweiligen Landes herzustellen - um so Korruption und Misswirtschaft vor allem in den Ländern des globalen Südens einzudämmen. In den MSGs der EITI-Mitgliedstaaten sitzt dafür die Zivilgesellschaft zusammen mit Regierungsinstitutionen und der extraktiven Industrie gleichberechtigt an einem Tisch, erstmals auch in Deutschland.

Die deutsche MSG hat sich vielversprechende Ziele gesteckt, was durch den D-EITI-Bericht erreicht werden soll. Das wichtigste Ziel besteht darin, durch Umfang, Anwendungsbereich und Innovationsgrad des deutschen Transparenzberichts auf einen hohen globalen Transparenzstandard hinzuwirken. Dadurch soll die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik in der EITI gestärkt und eine breite, informierte Debatte über Rohstoffpolitik auch in der deutschen Öffentlichkeit angestoßen werden. Ob der D-EITI-Bericht diesen Ansprüchen gerecht wird, hängt vor allem davon ab, inwieweit er über die verpflichtenden Transparenzvorgaben der EU hinausgeht. Diese schreiben nämlich allen Rohstoffunternehmen, die an der Frankfurter Börse gehandelt werden oder ihren Sitz in Deutschland haben, ab 2017 vor, über ihre Zahlungen an Regierungen weltweit zu berichten. Soll der D-EITI-Prozess also einen echten Beitrag zur EITI leisten, muss Deutschland in seinem eigenen Transparenzbericht über das hinausgehen, wozu es in Kürze ohnehin gesetzlich verpflichtet ist.

Eine gute Chance, einen tatsächlichen Mehrwert zu erzeugen, bietet die Verknüpfung von Transparenz im Rohstoffabbau mit den wichtigen Umwelt-, Klima- und Menschenrechtsfragen dieser Zeit.

Was steht bereits sicher im deutschen Bericht?

Gemäß des internationalen EITI-Rahmenwerks besteht jeder EITI-Bericht aus 2 Teilen: einem Zahlungsabgleich, in dem die Finanzströme zwischen den Rohstoffunternehmen und dem Staat abgeglichen werden, und einem Kontextbericht, der weiterführende Informationen über die Rohstoffindustrie geben soll.

In den Zahlungsabgleich des D-EITI-Berichts werden Unternehmen und deren Tochterunternehmen aufgenommen, die jährlich mindestens 100.000 Euro Staatsabgaben für den Abbau von Braunkohle, Erdgas, Erdöl, Kali, Salze, Steine und Erden leisten.

Der Kontextteil des D-EITI-Berichts wird Produktionsdaten, Lizenzregister sowie Erläuterungen zum Rechtsrahmen und Steuersystem des deutschen Rohstoffsektors enthalten. Daneben hat die MSG beschlossen, hier die staatlichen Subventionen im auslaufenden Steinkohlesektor transparent zu machen und die wirtschaftlichen Eigentümer hinter den in Deutschland ansässigen Rohstoffkonzernen offenzulegen. Die Details stehen jedoch noch nicht fest. Mit diesen Punkten erfüllt der deutsche Transparenzbericht allerdings noch nicht viel mehr als der EITI-Standard und die EU-Vorgaben fordern.

Bisherige Teilerfolge

Auf Betreiben der Zivilgesellschaft wurde in der MSG ausgehandelt, dass sich der Kontextbericht auch mit den ökologischen Kosten der Rohstoffförderung beschäftigen muss. Dies stellt ein wirkliches Plus gegenüber den Gesetzesvorgaben und dem EITI-Standard dar. Verabschiedet wurde bereits ein Kapitel über Rückstellungen und Sicherheitsleistungen. Es thematisiert die gesetzliche Verpflichtung von Rohstoffunternehmen, finanzielle Vorsorge für Renaturierungs- und Kompensationsmaßnahmen zu betreiben, damit die durch Rohstoffförderung entstandenen Schäden an der Natur ausgeglichen werden können. Die anhaltenden Debatten um die zu gering angesetzten Rückstellungen der RWE Power AG für ihre Braunkohletagebaue in Nordrhein-Westfalen machen die Brisanz des Themas deutlich.

Daneben wird derzeit ein Kapitel über die Regelung von Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzzahlungen für Eingriffe in die Natur erarbeitet. Ein womöglich heikler Aspekt, da hier tatsächliche Transparenz- und Umsetzungsdefizite bestehen. Denn statt einer zentralen Übersicht über die jeweiligen Maßnahmen und Ersatzzahlungen sowie deren Verwendung, haben wir es hier mit einer unüberschaubaren und uneinheitlichen Rechtslage und Umsetzungspraxis in den Ländern und Kommunen zu tun. Ein gescheiterter Versuch der Bundesregierung durch eine bundeseinheitliche Verordnung Klarheit zu schaffen, verdeutlicht den Handlungsbedarf. Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass Umweltauflagen teilweise unzureichend befolgt werden und die Verwendung der Ersatzzahlungen nicht immer klar ist. Naturgemäß wollen sich Regierung und Privatwirtschaft in diesem Kapitel lieber auf die Darstellung positiver Einzelfälle in einigen Bundesländern konzentrieren. An Stellen wie diesen wird sich also noch zeigen, was der deutsche Transparenzbericht wirklich taugt.

Der BGR-Korruptionsfall als Lackmustest

Auch durch den Umgang mit den Korruptionsvorwürfen gegenüber der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im D-EITI-Prozess wird sich offenbaren, wie es Deutschland mit der eigenen Transparenz und Rechenschaftspflicht hält. Dass es hier um ein Kernanliegen der EITI geht, versteht sich eigentlich von selbst: Rohstoffunternehmen nutzen den Umweg über eine von ihnen mitfinanzierte Stiftung, um Gutachten und "verdiente" MitarbeiterInnen der BGR zu bezahlen und so Einfluss auf ihre Forschungs- und Arbeitsergebnisse zu nehmen. Darüber hinaus flossen sogar direkte Zahlungen in Millionenhöhe von RWE, Vattenfall und Co. an die BGR und somit an eine staatliche Einrichtung, die die Regierung in Fragen der Gewinnung von Rohstoffen berät. Noch hat die MSG nicht über die Aufnahme dieses Falls in den D-EITI-Bericht diskutiert. Fest steht aber schon jetzt, dass dies ein Lackmustest für den deutschen Transparenzprozess in Rohstofffragen sein wird.

Viele offene Punkte

Um ein adäquates Gesamtbild über die volkswirtschaftlichen Gewinne der Rohstoffindustrie zu erhalten, sollten im Zahlungsabgleich des D-EITI-Berichts auch umgekehrte Zahlungsströme, also Zahlungen von öffentlichen Stellen an Rohstoffunternehmen, offengelegt werden. Schließlich muss als Teil der Wahrheit verstanden werden, dass Deutschland die Ausbeutung fossiler Brennstoffe subventioniert und damit die Energiewende untergräbt. Abgesehen von einer deskriptiven Darstellung der Subventionierung des Steinkohlesektors im Kontextbericht haben sich die VertreterInnen der Regierung und Privatwirtschaft in der deutschen MSG jedoch noch nicht auf eine Zahlungstransparenz in beide Richtungen eingelassen. In diesem Zusammenhang steht auch die Entscheidung über die Aufnahme von indirekten Subventionen, wie Steuervergünstigungen oder der Erlass von Wasserentnahmeentgelten für Rohstoffunternehmen im D-EITI-Bericht noch aus. Zu den weiteren offenen Punkten auf der Agenda der MSG gehört die Frage nach der Offenlegung von Rohstoffverträgen oder den Aktivitäten deutscher Rohstoffunternehmen im Ausland. Gänzlich außen vor blieb bisher das Thema der transparenten Lieferketten. Als EITI-Mitglied, das kaum über eigene Rohstoffe verfügt, aber stark vom Rohstoffimport abhängig ist, muss Deutschland dafür Sorge tragen, dass seine importierten Rohstoffe unter menschenwürdigen und umweltgerechten Bedingungen abgebaut wurden. Auch sollte die deutsche MSG das Schreiben der internationalen Zivilgesellschaft nicht weiter ignorieren, die fordert, das durch die Folgekosten des Klimawandels gestiegene Investitionsrisiko für Kohle-, Öl- und Gasunternehmen in den EITI-Standard zu integrieren.(1)

Natürlich kann D-EITI nicht allen Anforderungen auf einmal gerecht werden. Der deutsche Eröffnungsbericht wird aber die Weichen dafür stellen, wohin die Fahrt geht. Deutschland kann in der EITI viel zu einer demokratischen und global gerechten Rohstoffpolitikeitragen. Bisher ist von Regierungs- und Industrieseite jedoch noch allzu oft "zu aufwendig" oder "zu unpraktikabel" zu hören. Natürlich muss der Aufwand verhältnismäßig bleiben, aber bei einem durchorganisierten Land wie Deutschland ist hier vieles eher eine Frage des politischen Willens. Das vorläufige Fazit lautet also: Verbesserungen in Einzelbereichen sind zu erwarten, Skepsis bleibt jedoch angebracht.


Autorin Josephine Koch ist Referentin für den deutschen EITI-Prozess beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Literatur

(1) https://www.boell.de/sites/default/files/uploads/2015/10/eiti_d-final_german_12.10.15.pdf

(2) http://alternative-rohstoffwoche.de/wpcontent/uploads/2016/08/AK_Rohstoffe_demokratische_und_global_gerechte_rohstoffpolitik.pdf


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 3/2016, Seite 31-32
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2016

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