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ROHSTOFFE/128: Mehr Durchblick im deutschen Rohstoffsektor? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2017

Die Wissenschaft hat festgestellt ...
Forschung zwischen Geld, Macht und Gemeinwohlinteressen

Mehr Durchblick im deutschen Rohstoffsektor?
Erster EITI-Transparenzbericht in Deutschland veröffentlicht

von Cathrin Klenck und Josephine Koch


Im August 2017 haben Rohstoffunternehmen erstmals ihre mit dem Rohstoffabbau in Deutschland verbundenen Zahlungen an staatliche Stellen gebündelt offengelegt. Der Grund: Deutschland setzt die Transparenzinitiative EITI um und hat nun den ersten Transparenzbericht veröffentlicht. Dieser gibt einen Überblick über den Rohstoffsektor und reißt einige Problemfelder an. Ein Schritt in die richtige Richtung, mit viel Luft nach oben.

Anfang August war es so weit: Das Steuerungsgremium der deutschen Initiative für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor - kurz D-EITI - beschloss den ersten D-EITI-Bericht.(1) Dieser liefert Informationen zum deutschen Rohstoffsektor und gibt beispielsweise einen Überblick darüber, welche Rohstoffe in Deutschland gefördert werden, wie groß der Rohstoffsektor in Deutschland überhaupt ist oder welche Steuern und Abgaben die rohstofffördernden Unternehmen zahlen. Außerdem werden in einem Zahlungsabgleich die mit der Rohstoffförderung verknüpften Zahlungen von Unternehmen an den Staat - z. B. Steuern oder Förderabgaben - mit den entsprechenden Einnahmen der staatlichen Stellen abgeglichen. Das hört sich technisch an und ist es zunächst auch.

Die Veröffentlichung eines solchen Berichts im jährlichen Turnus gehört zu den Anforderungen, die die globale Initiative EITI an umsetzende Länder stellt. Gesteuert wird die Umsetzung der Initiative in den EITI-Ländern durch Multi-Stakeholder-Gruppen (MSGs), in denen VertreterInnen aus Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Die deutsche MSG hat im März 2015 ihre Arbeit aufgenommen, Ende 2015 die deutsche Kandidatur für eine Vollmitgliedschaft bei EITI eingereicht und nun den ersten deutschen EITI-Bericht vorgelegt.


Viel Bekanntes, wenig Neues

Sorgt der Bericht nun für mehr Durchblick im Rohstoffsektor? Zunächst einmal bündelt er viele Informationen rund um die Rohstoffförderung in Deutschland, die anderswo bereits veröffentlicht sind: So zeigt er beispielsweise auf, dass der Rohstoffsektor in Deutschland mit einem Anteil von 0,14 Prozent am Bruttoinlandsprodukt keine große Rolle spielt. Oder dass der Klimakiller Braunkohle mit 2,4 Milliarden Euro (2015) Produktionswert die wirtschaftlich größte Rolle bei der deutschen Rohstoffförderung spielt. Auch wenn diese wie viele weitere Fakten bereits bekannt sind, liegen sie nun erstmals zusammengefasst und übersichtlich in einem Dokument vor.

Neu ist die Veröffentlichung der Finanzströme zwischen Rohstoffunternehmen und staatlichen Stellen. So zeigt der Bericht, in welcher Höhe die einzelnen Rohstoffunternehmen Steuern und rohstoffspezifische Abgaben an die Haushalte von Bund und Ländern zahlen. Für den ersten Bericht haben jedoch lediglich 12 von 48 identifizierten Unternehmen diese Finanzströme offengelegt. Das liegt auch daran, dass verbindliche Transparenzregeln der EU Unternehmen ohnehin bis Ende des Jahres verpflichten, ihre mit der Rohstoffförderung verknüpften Zahlungen offenzulegen. Unternehmen können ihre Zahlungen für den ersten D-EITI-Bericht deshalb noch bis Anfang 2018 nachmelden. Der Mehrwert von D-EITI gegenüber den EU-Regeln liegt mit Blick auf die veröffentlichten Zahlungen dann also noch darin, dass auch die staatliche Seite ihre Einnahmen veröffentlicht und diese mit den Unternehmenszahlungen abgeglichen werden. Der erste EITIBericht ermittelte hier eine ungeklärte Differenz von 3 Cent - und damit wenig Aufregendes. Das war auch nicht anders zu erwarten. Wenn, dann dürfte Korruption in Deutschland subtiler ablaufen. Um jeglichen Verdacht auszuräumen, plädierte die Zivilgesellschaft dafür, den Fall der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit in den D-EITI Bericht aufzunehmen. Medienberichten zufolge gab es in den letzten Jahren intransparente Zahlungen von Rohstoffunternehmen an die staatliche Rohstoffbehörde. Auch die industrienahe Hans-Joachim Martini-Stiftung, die an die BGR angegliedert ist, war in Verruf geraten. Allerdings fand der Vorschlag der Zivilgesellschaft keinen Konsens in der MSG.


Schritte in Richtung mehr Transparenz

Interessant wird der Bericht vor allem dort, wo er über die Vorgaben der EITI hinausgeht. Dies ist in 3 Sonderkapiteln der Fall, die allesamt auf Initiative der zivilgesellschaftlichen Stakeholder-Gruppe in D-EITI zurückgehen: Der Umgang mit Umweltschäden wird ebenso behandelt wie Subventionen und steuerliche Begünstigungen im Rohstoffsektor sowie der Themenkomplex Erneuerbare Energien. Viele der mit der Rohstoffförderung verknüpften Probleme werden hier zumindest angerissen. Im Umweltkapitel etwa wird ein bedeutsames Detail hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben für die Kompensation von Umweltschäden durch Rohstoffabbau klargestellt: Bisher war es Interpretationssache, in welchem Verhältnis die Kompensationsvorgaben des Bundesberggesetzes (BBergG) zu den wesentlich weitergehenden Verpflichtungen nach dem Bundesnaturschutz (BNatSchG) stehen. In dem mit der Regierung abgestimmten Kapitel steht nun erstmals Schwarz auf Weiß, dass das BNatSchG auch für den unter das BBergG fallenden Rohstoffabbau vollumfänglich gilt. Daneben macht der Bericht deutlich, wo Transparenz- und Umsetzungsdefizite liegen: Alle Bundesländer sind verpflichtet, Kompensationsverzeichnisse für die Eingriffe in die Natur zu erstellen. Der EITI-Bericht zeigt, dass sich die Qualität dieser Verzeichnisse stark unterscheidet. Einige sind öffentlich einsehbar, andere nicht. In manchen Bundesländern werden die Eingriffe zentral erfasst und detaillierte Informationen bereitgestellt, in anderen nicht.

Auch der Wasserverbrauch der Rohstoffförderung wurde auf Initiative der Zivilgesellschaft aufgenommen. So ist der Rohstoffsektor trotz seiner geringen Größe für 5 Prozent des gesamten in Deutschland durch Wirtschaft und Privathaushalte entnommenen Wassers verantwortlich. In einigen Bundesländern - insbesondere dort, wo Kohle abgebaut wird - liegt der Anteil deutlich höher, bei bis zu 30 Prozent. Gleichzeitig variieren die Entgeltsätze für die Wasserentnahme durch den Rohstoffsektor bundesweit erheblich, bis hin zu Befreiungen in 9 Bundesländern.

Das brisante Thema Rückstellungen und Sicherheitsleistungen wird im Bericht ebenfalls angeschnitten, also die gesetzliche Verpflichtung von Rohstoffunternehmen, finanzielle Vorsorge für Renaturierungsmaßnahmen zu leisten, damit die durch Rohstoffförderung entstandenen Schäden wieder ausgeglichen werden und am Ende nicht die SteuerzahlerInnen auf den Kosten sitzen bleiben. Gerade bei der Braunkohle drohen bei der Sanierung der Tagebaugebiete und der Bewältigung der ökologischen Folgeschäden große finanzielle Risiken, falls die Sicherheiten der TagebaubetreiberInnen zu gering angesetzt werden. Die Zivilgesellschaft konnte sich bisher jedoch nicht damit durchsetzen, dass der D-EITI-Bericht neben einer allgemeinen Darstellung auch die konkreten Rückstellungen und Sicherheitsleistungen der Rohstoffunternehmen veröffentlicht.

Ebenfalls keinen Konsens konnte die MSG in der Frage erzielen, auch Subventionen, die über die im Subventionsbericht der Bundesregierung aufgeführten Begünstigungen hinausgehen, in den D-EITI-Bericht aufzunehmen. Zwar werden Befreiungen für Rohstoffunternehmen bei der Förderabgabe oder bei Wasserentnahmeentgelten sowie Vergünstigungen bei der Strom- und Energiesteuer an verschiedenen Stellen im Bericht genannt. Sie werden aber weder mit konkreten Zahlen als Subventionen im Subventionskapitel hinterlegt noch als Zahlungsstrom in den Zahlungsabgleich aufgenommen.


Nächster D-EITI-Bericht muss nachlegen

Klar ist, der nächste D-EITI-Bericht muss nachlegen. D-EITI könnte - gerade vor dem Hintergrund der ab Ende des Jahres ohnehin verpflichtenden Offenlegung für Rohstoffunternehmen durch die EU-Regeln - einen deutlichen Mehrwert schaffen, wenn auch die bisher in Sonderkapiteln abgehandelten Themen wie Rückstellungen und Sicherheitsleistungen, Kompensationszahlungen für Umweltschäden oder indirekte Subventionen für die Rohstoffindustrie konkretisiert und mit Zahlen hinterlegt in den Zahlungsabgleich aufgenommen würden. Diese Aspekte gehören in eine ehrliche Kosten- und Nutzenrechnung des Rohstoffabbaus und damit in einen progressiven DEITI-Bericht mit hinein. Außerdem sind sie Voraussetzung für das selbstgesteckte Ziel der MSG, mit D-EITI eine "breite rohstoffpolitische Diskussion" zu fördern.

Nach der Erfahrung der ersten 2,5 Jahre EITI-Umsetzung in Deutschland gilt deshalb: Nicht im technischen Klein-Klein verlieren, sondern mit relevanten Informationen die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung bereichern.


Die Autorinnen arbeiten beim Forum Umwelt und Entwicklung. Cathrin Klenck vertritt den Arbeitskreis Rohstoffe, einen bundesweiten Zusammenschluss von Entwicklungs-, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, im deutschen EITI-Prozess. Josephine Koch hat D-EITI in dieser Funktion bis vor Kurzem begleitet.

Anmerkung:
(1) https://www.d-eiti.de/wp-content/uploads/2017/08/1_D-EITI_Bericht_-fuer_-2016.pdf.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NGOs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 3/2017, Seite 33-34
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2017

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