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STEUER/1123: Rund 30 Milliarden Euro jährliche Einnahmeausfälle durch geplante Steuersenkungen (idw)


Hans-Böckler-Stiftung - 04.11.2009

Rund 30 Milliarden Euro jährliche Einnahmeausfälle durch geplante Steuersenkungen
Steuerschätzung des IMK

Rund 30 Milliarden Euro jährliche Einnahmeausfälle durch geplante Steuersenkungen


In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und FDP für 2011 eine Reform der Einkommensteuer vereinbart. Sollten die Pläne wirklich umgesetzt werden, kommen auf Bund, Länder und Kommunen ab 2011 Einnahmeausfälle von knapp 30 Milliarden Euro jährlich zu. Das zeigen Berechnungen zur Steuerentwicklung, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt. Die Forscher des IMK schließen aus, dass die Steuerpläne der Regierung die Konjunktur rasch und stark genug stimulieren können, um einen nennenswerten Beitrag zur Überwindung der Wirtschaftskrise leisten zu können. Auch einen substanziellen Selbstfinanzierungs-Effekt halten die Wissenschaftler daher für unwahrscheinlich. Steuerausfälle in einer Größenordnung von 30 Milliarden Euro sind mit den für Bund und Länder geltenden strikten "Schuldenbremsen"-Regeln nicht vereinbar. Falls diese erfüllt werden sollen, müsste die Bundesregierung die Einnahmeverluste durch massive Einnahmeerhöhungen oder Ausgabenkürzungen an anderer Stelle gegenfinanzieren. In der Folge könnte die geplante Steuersenkung das Wachstum sogar schwächen, warnt das IMK.

Bereits im kommenden Jahr wird der Staat insgesamt rund 21 Milliarden Euro weniger einnehmen, hat IMK-Steuerexperte Dr. Achim Truger ermittelt. Diese Mindereinnahmen beruhen auf Entscheidungen der alten und der neuen Bundesregierung: Noch von der großen Koalition wurden Steuer- und Abgabensenkungen um 14 Milliarden Euro beschlossen. Die neue Koalition aus Union und FDP hat zusätzlich Änderungen bei der Unternehmensbesteuerung, der Umsatzsteuer und der Erbschaftsteuer sowie eine Anhebung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes vereinbart.

Anschließend sieht der Koalitionsvertrag bei der Lohn- und Einkommensteuer den Einstieg in einen Stufentarif vor. Diese Veränderung führt nach Trugers Berechnungen in den Jahren 2011 bis 2013 zu Steuerausfällen von noch einmal jährlich rund 19 Milliarden Euro.

Wegen der höheren Freibeträge und des neuen Steuertarifs würde der Staat ab 2011 allein bei der Einkommensteuer 24 Milliarden Euro pro Jahr weniger einnehmen, so Truger. Insgesamt kommt der Wissenschaftler bei seiner Analyse der finanziellen Folgen des Koalitionsvertrages aber noch auf deutlich höhere Zahlen: Für 2012 würde sich die geplante Steuersenkung auf 29,4 Milliarden Euro summieren - Mindereinnahmen bei Unternehmen- und Erbschaftsteuer inbegriffen. Der Bund wäre mit etwas mehr als 12 Milliarden betroffen, die Länder ebenso, die Gemeinden mit über 4 Milliarden (siehe auch die Grafik im neuen Böckler Impuls 17/2009; Link unten).

Truger hält es für ausgeschlossen, dass die Steuersenkungen der Konjunktur starke Impulse geben und sich selbst finanzieren. Nach seinen Berechnungen lassen sich so höchstens 20 Prozent der Ausfälle kompensieren. "Wenn die Regierung einen weiteren Beitrag leisten wollte, um die Konjunktur zu stimulieren, wären Investitionen in die Infrastruktur in jedem Fall wirkungsvoller als Steuersenkungen", sagt der Wissenschaftler. "Unabhängig von dieser Grundsatzfrage hat die geplante Steuerreform aber zwei weitere Defizite: Sie kommt zu spät, und sie ist nicht zeitlich begrenzt. Das heißt: Einen Beitrag zur Krisenüberwindung wird sie nicht leisten, dafür aber auf Dauer für zusätzliche Defizite der Staatsfinanzen sorgen." Mit gravierenden Folgen. Denn gleichzeitig ließen die mittlerweile im Grundgesetz verankerten Konsolidierungsanforderungen wenig Spielraum. "Der Bund kann ja für 2011 im Rahmen der Schuldenbremse noch tricksen", erläutert der Ökonom. "Die Länder können es nicht. Und die Gemeinden werden bis dahin finanziell am Boden sein."

Vor diesem Hintergrund hält Truger es für sehr wahrscheinlich, dass die große Tarifreform 2011 verschoben wird. Will die Regierung darauf nicht verzichten, sieht der Finanzexperte zwei mögliche Szenarien: Entweder kommt es zu einem massiven Abbau von echten oder vermeintlichen Steuervergünstigungen, um die Verluste im Rahmen zu halten. Oder der Staat sieht sich gezwungen, die Ausgaben dramatisch zusammenzustreichen. Trugers Befürchtung: "Damit hätten Steuersenkungen sogar einen negativen Effekt auf das Wachstum, weil vom Staat weniger Investitionen ausgehen."

Infografik im neuen Böckler Impuls 17/2009:
http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2009_17_1.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution621


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, 04.11.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2009