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TELEKOMMUNIKATION/664: Breitband-Kluft stoppt Entwicklung (DGVN)


Eine-Welt-Presse Nr. 1/2010
Nord-Süd-Zeitung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)

Breitband-Kluft stoppt Entwicklung

Das Handy boomt zwar in armen Ländern - doch die digitale Kluft zeigt sich heute im ungleichen Zugang zum Breitband-Internet

Von Petko Draganov


Informations- und Kommunikationstechnologien (ICTs) haben viele neue Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen und können im Kampf gegen die Armut potenziell viel bewirken. Ihr Nutzen ist beträchtlich und eindeutig nachweisbar. Weltbankstudien machen deutlich, dass bei einer Ausweitung des schnellen Breitband-Zugangs in Entwicklungsländern um zehn Prozent ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent ausgelöst wird.


Aus dem "Information Economic Report 2009" des UN-Programms UNCTAD (Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen) geht hervor, dass sich der Zugang zu ICTs in Entwicklungsländern deutlich ausweitet, wobei die Nutzung von Mobiltelefonen besonders rasch wächst und ICT-Dienste inzwischen weit besser zugänglich sind. Aber während sich die Kluft bei grundlegenden Informations- und Kommunikationstechnologien wie Festnetz- und Mobiltelefonen zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern vermindert hat, bleibt sie beim Breitband-Zugang groß. 40 Prozent aller Festnetztelefon-Kunden lebten Ende 2008 in Entwicklungsländern, das waren immerhin 400 Millionen Kunden. Aber während in entwickelten Ländern 24 von 100 Einwohnern einen Breitband-Zugang haben, sind es in Entwicklungsländern nur 2,8. Und diese Kluft wächst sogar noch, weil der Zugang in Industrieländern mehr als vier Mal so rasch wächst wie in Entwicklungsländern.

Innerhalb der Entwicklungsregionen im Süden der Welt ist der Breitband-Zugang sehr ungleich verteilt. In Asien zum Beispiel leben mehr als 80 Prozent der Breitband-Nutzer in Indien, China und Vietnam. Von den weltweit 400 Millionen Breitband-Nutzern lebte Ende 2008 nur ein Prozent in Afrika. Sehr auffällig ist zudem, dass 80 Prozent dieser afrikanischen Nutzer in nur fünf Ländern leben - Algerien, Ägypten, Marokko, Südafrika und Tunesien. Insgesamt hat Afrika weniger Breitband-Nutzer als Australien, obwohl die Bevölkerung Afrikas mehr als 40 Mal so groß ist.

Es bestehen weiterhin viele Hindernisse für eine flächendeckende Nutzung des Internets in Entwicklungsländern und dies besonders außerhalb der großen Städte. UNCTAD hat herausgefunden, dass eine Kombination von schlechter Telekommunikations-Infrastruktur, geringer Bevölkerungsdichte auf dem Land, unzureichender Regulierung und hohen Gebühren die großflächige Einführung von Breitband-Netzen behindert. Verbraucherinnen und Verbraucher in Ländern mit hohem Einkommen zahlen im Durchschnitt nur zwei Prozent ihres monatlichen Einkommens dafür, einen Breitband-Zugang zu nutzen. Demgegenüber sind in Entwicklungsländern und besonders in Afrika die Gebühren für einen Breitband-Zugang mehr als neun Mal so hoch wie die durchschnittlichen monatlichen Einkommen.


Breitband-Kommunikation als Motor von Entwicklung

Die digitale Kluft nimmt dadurch eine neue Dimension an, dass sich die Kluft beim Breitband-Internetzugang vergrößert. Die Kluft zeigt sich immer weniger in Ungleichheiten bei der "Quantität" und hinsichtlich des "Zugangs" - die Kluft betrifft nun stärker die Bereiche "Qualität" und "Kapazität". Kurz gefasst: Die digitale Kluft wird zunehmend eine Breitband-Kluft. Diese Kluft stellt ein gravierendes Handicap für Entwicklungsländer dar. Ein Breitband-Zugang ist unerlässlich für die Verwendung der neuesten Dienste, die über das Internet zugänglich sind. Viele Anwendungsmöglichkeiten funktionieren nicht ohne Breitband-Zugang. Hat man diesen Zugang, lassen sich viele soziale und ökonomische Entwicklungsziele besser erreichen. Er kann zum Instrument auf Gebieten wie Bildung, Informationszugang, Geschäftswelt und Gesundheitsversorgung werden. Und er kann es Ländern ermöglichen, sehr viel effektiver an der globalen digitalen Ökonomie teilzuhaben.

Neue Forschungsergebnisse zeigen zum Beispiel, dass Unternehmen den Breitband-Zugang nutzen können, um ihre Geschäftsbeziehungen sehr stark auszuweiten. Auch haben solche Unternehmen tendenziell eine deutlich höhere Arbeitsproduktivität. Wenn dieser Zugang aber fehlt, werden die Möglichkeiten von Unternehmen und anderen Nutzern stark eingeschränkt, von den Vorteilen moderner ICT zu profitieren. Die Frage des Breitband-Zugangs verdient daher große Aufmerksamkeit in Hinblick auf sein Potenzial, komplexe elektronische Geschäftsaktivitäten zu betreiben, die Wettbewerbsfähigkeit von Firmen auf globalen Märkten zu verbessern und wirtschaftliches Wachstum anzukurbeln. Die Verbesserung des Breitband-Zugangs und die Bereitstellung bezahlbarer und hoch entwickelter ICT-Dienste für die ganze Bevölkerung ist eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahre.


Drahtlose Verbindungen als Alternative?

Da viele Entwicklungsländer nicht über gut entwickelte Festnetz-Telekommunikationsverbindungen verfügen, könnte die Nutzung von drahtlosen Breitband-Netzwerken eine attraktive Option darstellen, um die digitale Kluft zu überwinden. So könnte es den Entwicklungsländern gelingen, den Anschluss an die Breitband-"Informationsgesellschaft" zu schaffen. Es muss deshalb drahtlosen Technologien wie der "dritten Generation" (3G) der Mobiltelefone mehr Beachtung geschenkt werden, in der Hoffnung, dass sie helfen können, die abgrundtiefe Breitband-Kluft zu überwinden. In Brasilien zum Beispiel ist der drahtlose Breitband-Zugang bereits in manchen Gebieten die schnellste Breitband-Möglichkeit.

Insgesamt betrachtet haben sich aber die Hoffnungen, die in die drahtlose Breitband-Kommunikation gesetzt werden, noch nicht erfüllt. Abgesehen von einigen Erfolgsgeschichten wie Südafrika gibt es wenig Belege dafür, dass das drahtlose Breitband signifikante Auswirkungen auf die flächendeckende Ausweitung des Internet-Zugangs in Entwicklungsländern hat. Tatsächlich ist es so, dass viele Entwicklungsländer bei der zweiten Generation der mobilen Kommunikation stecken geblieben sind und erst noch die Chancen ergreifen müssen, die durch den Sprung zu 3G eröffnet werden.

Vor diesem Hintergrund bleibt noch viel zu tun, bevor wir von einer Informationsgesellschaft sprechen können, in die alle einbezogen sind. UNCTAD hat im letzten Jahrzehnt viel unternommen, um die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für Entwicklungsaufgaben zu fördern. So wurde Entwicklungsländern dabei geholfen, ihre Statistiken zu verbessern, Regierungen und andere Beteiligte wurden über relevante Trends und Entwicklungen auf dem ICT-Gebiet informiert, nationale politische Programme wurden evaluiert und es wurde daran mitgewirkt, bessere gesetzliche Grundlagen und einen besseren Regulierungsrahmen zu schaffen. UNCTAD und andere UN-Einrichtungen, die auf diesem Gebiet arbeiten, sind überzeugt, dass die Verwirklichung der Zielsetzungen, wie sie beim Weltgipfel für die Informationsgesellschaft (2005) und durch die Millenniums-Entwicklungsziele formuliert wurden, ganz entscheidend davon abhängt, dass wirkliche Partnerschaften, Zusammenarbeit und Solidarität unter allen Beteiligten entstehen. Aber die Zeit wird knapp, und die Herausforderungen sind groß. Für die Armutsbekämpfung braucht es weitere Innovationen und einen bezahlbaren und verlässlichen ICT-Zugang. Ressourcen müssen mobilisiert und die richtige Politik betrieben werden, um ein sich selbst tragendes Wachstum und Gleichheit miteinander zu verbinden. Für all dies beinhaltet die Breitband-Technologie große Verheißungen.


Petko Draganov ist stellvertretender UNCTAD-Generalsekretär.

Übersetzung aus dem Englischen: Frank Kürschner-Pelkmann


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Quelle:
Eine-Welt-Presse Nr. 1/2010, 27. Jahrgang, Seite 4-5
Nord-Süd-Zeitung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2010