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TOURISTIK/364: Bereiste Bevölkerung profitiert kaum vom Boom der Tourismusindustrie (NFD)


NaturFreunde Deutschlands - 6. März 2012

Bereiste Bevölkerung profitiert kaum vom Boom der Tourismusindustrie


Berlin, 6. März 2012 - Anlässlich der Eröffnung der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) am 7. März in Berlin erklärt Hans-Gerd Marian, Bundesgeschäftsführer der NaturFreunde Deutschlands:

Die Wachstumsraten des Tourismussektors führen in vielen Ländern des Südens dazu, dass immer mehr Investitionen in die Tourismuswirtschaft gelenkt werden. Dieses "In Wert setzen" von Kultur und Natur soll nach offiziellen Angaben Arbeitsplätze und Einkommen auch in den Zieldestinationen schaffen.

Doch die Realität sieht häufig anders aus: Die großen internationalen Tourismuskonzerne drängen auf Steuererlass in den Zielstaaten, fordern hohe Ausgaben für erneuerte Infrastrukturen und sorgen mit ihren Anforderungen an eine "vermarktungsfähige Umgebung" dafür, dass immer mehr eingezäunte "Sonderzonen für Touristen" geschaffen werden - nicht selten wird sogar die angestammte Bevölkerung vertrieben.

Lukrative Beschäftigungsverhältnisse erhält häufig allein das aus dem globalen Norden stammende Management, während für die einheimische Bevölkerung oft nur schlecht bezahlte Aufgaben bleiben.

Zudem profitiert die Tourismusindustrie nicht selten von einer Ausbeutung junger Menschen durch Kinderarbeit. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) etwa geht davon aus, dass weltweit 13-19 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in den verschiedenen Bereichen der Tourismusindustrie tätig sein müssen.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern, dass

- Tourismusunternehmen verpflichtet werden, die ILO-Kernarbeitsnormen konsequent einzuhalten und Betroffene die Möglichkeit erhalten, durch die Nichteinhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen entstehende Schäden vor europäischen Gerichten einzuklagen;

- die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen von den internationalen Tourismuskonzernen konsequent eingehalten werden müssen und die Konzerne auch für die Handlungen ihrer Subunternehmen verantwortlich gemacht werden können;

- keine Investitionen genehmigt oder gefördert werden dürfen, bei denen negative Auswirkungen für die arme Bevölkerung in den Zieldestinationen zu erwarten sind;

- verbindliche Standards beschlossen werden, die das Recht auf Nahrung und das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser für die einheimische Bevölkerung schützen und alle Tourismusinvestitionen, die diese Rechte beeinträchtigen, nicht unterstützt werden;

- Betroffene unterstützt werden, ihre Rechte gegenüber den internationalen Tourismuskonzernen vertreten zu können.

Hintergrundinformationen:

Der Tourismussektor hat heute einen Anteil von etwa zehn Prozent an der globalen Wirtschaftsleistung und ist damit viertgrößter Wirtschaftszweig. Weltweit ist die Tourismusindustrie der zweitgrößten Arbeitgeber, zehn Prozent aller Arbeitnehmer sind vom Tourismus abhängig. Etwa 100 Millionen Menschen sind direkt oder indirekt in Hotels, Reiseunternehmen oder in touristischen Dienstleistungsunternehmen beschäftigt. Weitere 100 Millionen Menschen arbeiten in Zulieferbetrieben. Das "World Travel and Tourism Council" (WTTC) schätzt, dass insgesamt etwa 240 Millionen Menschen in diesem Wirtschaftszweig arbeiten.


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Quelle:
Presseinformation vom 06.03.2012
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur
Bundesgeschäftsstelle
Warschauer Str. 58a, 10243 Berlin
Tel.: 030/29 77 32 65, Fax: 030/29 77 32 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2012