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UNTERNEHMEN/2302: Private Equity seit der Finanzkrise (WZB)


WZB Mitteilungen - Nr. 137/September 2012
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Was ist mit den Heuschrecken passiert?
Private Equity seit der Finanzkrise

von Sigurt Vitols



Kurzgefasst: Franz Münterfering löste 2005 eine internationale Debatte um Private Equity aus, indem er diese Fonds als Heuschrecken kennzeichnete. Seit der Finanzkrise wird dieses Thema in den Medien viel seltener diskutiert, aber Private Equity ist nicht aus Deutschland verschwunden. Dieser Artikel diskutiert die neuesten Entwicklungen zu Private Equity und die aktuellen Herausforderungen an diese Fonds.


In den Jahren vor der Finanzkrise gerieten in Deutschland Private Equity-Fonds immer stärker ins Zentrum der öffentlichen Debatte. Diese Fonds, die zuvor hauptsächlich in kleine und mittelständische Unternehmen investiert hatten, erwarben damals immer häufiger Mehrheitsbeteiligungen an Großunternehmen (darunter Hugo Boss, ProSiebenSat.1 Media, Kabel Deutschland und die Bundesdruckerei) und strukturierten sie in der Hoffnung um, die Beteiligungen einige Jahre später mit hoher Rendite wieder zu verkaufen. Im Jahr 2005 löste der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering durch seinen Vergleich der Fonds mit "Heuschrecken" eine heftige Kontroverse aus, die auch im Ausland aufmerksam verfolgt wurde. Seit der Finanzkrise ist das Thema Private Equity jedoch weitgehend aus der öffentlichen Debatte in Deutschland verschwunden. Zum einen sind die Private Equity-Investitionen seit dem Höhepunkt der Investitionstätigkeit in den Jahren 2007 und 2008 stark zurückgegangen. Zum anderen wird, wenn derzeit in den Medien über das Finanzsystem diskutiert wird, fast ausschließlich über Banken und die Euro-Krise gesprochen. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung von Private Equity seit Beginn der Finanzkrise, um der Frage nachzugehen, ob diese Form der Kapitalbeteiligung ein fester Bestandteil der deutschen Wirtschaft geworden ist.


Was ist Private Equity?

Da das Geschäftsmodell von Private Equity häufig missverstanden wird, sollte zuerst die Strategie dieser Investoren kurz beschrieben werden. Erstens investieren Private Equity-Firmen vor allem in das Eigenkapital (equity) von Unternehmen und erwerben meistens eine Kapitalmehrheit oder zumindest einen substanziellen Einfluss auf das operative Geschäft. Die Firmen nutzen diese Mehrheitsbeteiligung, um die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu bestimmen und/oder neues Führungspersonal einzustellen und so eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Zweitens investieren Private Equity-Firmen meist in private Unternehmen, oft indem sie börsennotierte Unternehmen reprivatisieren (sogenannte Public-to-Private-Transaktionen). Dies unterscheidet sie von Portfolio-Investoren wie Aktienfonds oder Versicherungsgesellschaften, die den Großteil ihres Gelds in börsennotierte Unternehmen anlegen.

Die Auswirkungen von Private Equity sind schwer zu erfassen, denn es gibt sehr unterschiedliche Modelle von Private Equity-Investitionen. Die meisten Private Equity-Gesellschaften haben sich nur auf eins oder zwei dieser Modelle spezialisiert. Risikokapitalfonds (Venture Capital) konzentrieren sich auf Investitionen in sehr junge Unternehmen (zum Beispiel Start-ups) oder Projekte, die aufgrund von innovativen Produkten oder Dienstleistungen Zugriff auf große neue Märkte versprechen. Wachstumsfonds konzentrieren sich auf die Ausnutzung des Wachstumspotenzials bestehender Unternehmen, zum Beispiel durch internationale Expansion über Akquisitionen im Ausland. Turnaround-Fonds konzentrieren sich auf Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden und neu strukturiert werden müssen, um wieder Gewinne zu erwirtschaften.

Buyout-Fonds konzentrieren sich meist auf die Restrukturierung am Markt etablierter Unternehmen. Diese Form von Private Equity hat die öffentliche Aufmerksamkeit am stärksten auf sich gezogen, da die größten Firmen übernommen wurden. Mithilfe von Bankkrediten können Buyout-Fonds ihre Investitionsmasse leicht verdoppeln oder verdreifachen. In den 2000er Jahren entstanden so zahlreiche sogenannte Mega-Buyout-Fonds, die Investitionen in Höhe von Hunderten Millionen oder sogar Milliarden US-Dollar tätigen. Die höchste Private Equity-Investition aller Zeiten erfolgte 2007, als die texanische Energiefirma TXU für 48 Milliarden US-Dollar übernommen wurde.

Ein zweiter Grund, warum die Auswirkungen von Private Equity schwer einzuschätzen sind, besteht darin, dass die übernommenen Unternehmen privat sind und somit nicht das Maß an Transparenz aufweisen, zu dem börsennotierte Unternehmen verpflichtet sind. Restrukturierungsmaßnahmen wie Akquisitionen oder Desinvestitionen, die typischerweise mit der Übernahme durch eine Private Equity-Gesellschaft einhergehen, machen es außerdem schwierig, deren tatsächliche Auswirkung auf die Zahl der Arbeitsplätze zu beurteilen.


Private Equity-Aktivitäten in Deutschland

Private Equity gilt als amerikanische Innovation, da die ersten Private Equity-Firmen Mitte der 1940er Jahre in den USA gegründet wurden. 16 der 20 weltweit führenden Private Equity-Firmen haben heute ihren Sitz in den USA, die restlichen vier sind in Großbritannien beheimatet. In den letzten Jahrzehnten haben sich Private Equity-Aktivitäten jedoch auch auf Kontinentaleuropa und den Rest der Welt ausgedehnt, und zwar durch Auslandsinvestitionen amerikanischer und britischer Fonds wie auch durch die Gründung neuer Private Equity-Gesellschaften außerhalb dieser beiden Länder. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), der die Private Equityty-Investitionen zwischen 1990 und dem Höhepunkt der Aktivitäten im Jahr 2007 mehr als verzehnfacht: von weniger als 500 Millionen Euro auf über 7 Milliarden Euro pro Jahr (siehe Abbildung). Zählt man Private Equity-Fonds hinzu, die ihre Investitionen von außerhalb Deutschlands tätigen, dann erreichten die Investitionen 2007 mit 10,6 Milliarden Euro ihren Höhepunkt. Die ökonomische Wirkung von Private Equity ist sogar noch größer, denn häufig werden Bankkredite genutzt, um das Akquisitionsvolumen zu steigern (der sogenannte Hebel- oder Leverage-Effekt). Rund eine Millionen Menschen arbeiten für deutsche Firmen, die sich derzeit im Besitz von Private Equity-Fonds befinden.

Dieser Anstieg verlief jedoch nicht kontinuierlich, von Jahr zu Jahr gab es erhebliche Schwankungen. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang der 2000er Jahre gingen die Private Equity-Investitionen um rund die Hälfte zurück. Während der jüngsten Finanzkrise fielen sie sogar um fast drei Viertel auf rund 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2009. Zwar erholte sich der Markt wieder etwas, aber 2010/2011 lagen die Investitionsraten noch immer weit unter dem Rekordniveau von 2007/2008. Einer der Hauptgründe für diese Schwankungen ist der Einsatz von riskanten Krediten zur Kofinanzierung von Investitionen. Diese sogenannten High-Yield-Kredite, die hauptsächlich von Banken ausgegeben werden, aber auch als "Schrottanleihen" an den Börsen gehandelt werden, sind in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs leicht verfügbar, verschwinden jedoch in Krisenzeiten fast vollständig. Deshalb zählt Private Equity zu den Teilen des Finanzsystems, die am stärksten von den makroökonomischen Rahmenbedingungen abhängig sind. Es sollte daher nicht überraschen, dass die Private Equity-Branche das Jahr 2012 auf einem Investitionsniveau begann, das mit dem des Krisenjahrs 2009 vergleichbar ist.

Die ersten Private Equity-Firmen in Deutschland konzentrierten sich auf die frühen Investitionsphasen (Risiko und Wachstum). Darüber hinaus machte eine besondere Form der Private Equity, die sogenannte Mittelstandsbeteiligungsgesellschaft (MBG), die sich oft in öffentlicher oder quasiöffentlicher Hand befindet, einen großen Teil der Private Equity-Investitionen der 1980er Jahre aus. Seit den frühen 2000er Jahren überwiegen jedoch die Buyout-Fonds, die 2007 bereits 76 Prozent der Private Equity-Investitionen ausmachten. Dem BVK zufolge sind momentan mehr als 200 Private Equity-Firmen in Deutschland aktiv.


Unterschiedliche Gesichter von Private Equity?

Die Rolle von Private Equity-Fonds wird in Deutschland seit langem kontrovers diskutiert. Eva Lutz und Ann-Kristin Achleitner von der TU München haben in diesem Zusammenhang von einer Debatte zwischen "Engeln und Dämonen" gesprochen. Auf der einen Seite stehen die Befürworter, die in Private Equity einen Mechanismus zur Neustrukturierung eines risikofeindlichen, von Banken dominierten Finanzsystems sehen. Der ehemalige WZB-Direktor Horst Albach zum Beispiel hat eine Reihe einflussreicher Studien verfasst, in denen er Private Equity als die Lösung für den Konservatismus der deutschen Banken darstellt. Die Befürworter behaupten, dass Private Equity-Firmen den Großteil ihrer Gewinne durch ökonomisch positive Maßnahmen erwirtschaften, etwa indem sie ihre Kontrolle über ein Unternehmen für Veränderungen nutzen und so zum Beispiel die Produktivität steigern, unrentable Unternehmensbereiche abstoßen bzw. schließen oder die Entwicklung einer internationalen Präsenz vorantreiben.

Auf der anderen Seite stehen Gewerkschaften und linke Parteien mit der Behauptung, dass Private Equity-Firmen und andere aggressive Investoren wie Hedgefonds nur auf Profit aus sind und dabei die Kosten, vor allem im Hinblick auf den Verlust von Arbeitsplätzen, völlig außer Acht lassen. Die meisten Gewinne gehen demnach zu Lasten der Arbeitnehmer, sei es durch eine Erhöhung des Arbeitspensums oder durch Lohn- und Sozialkürzungen. Den Kritikern zufolge leiden außerdem die Steuerzahler, weil Private Equity-Investitionen in vielen Ländern (einschließlich Deutschland) von erheblichen Steuervorteilen profitieren, darunter die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen auf die Betriebsschulden sowie die Besteuerung von Wertzuwächsen von Private Equity-Investitionen (der sogenannte carried interest) als Kapitalgewinne und nicht als laufende Erträge. Beide Seiten können auf zahlreiche Beispiele für Private Equity-Investitionen verweisen, die ihre Thesen untermauern. In Deutschland ist der BVK einer der stärksten Befürworter und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung einer der stärksten Gegner. Ökonometrische Studien werden dadurch erschwert, dass es keine brauchbaren Daten zu Beschäftigung, Gehältern und wirtschaftlicher Entwicklung (insbesondere bei privaten Unternehmen) gibt. Hinzu kommen methodische Schwierigkeiten wie Probleme bei der Auswahl (selection problems) und bei der Beschreibung eines angemessenen kontrafaktischen Modells.

Angesichts der Vielfalt von Private Equity-Modellen sollte es nicht überraschen, dass die Forschung zu einer Vielzahl an Ergebnissen kommt. Die positivsten Fallstudien im Hinblick auf das Beschäftigungswachstum liegen für Risikokapital- und Wachstumsfonds-Investitionen vor, bei denen ein deutliches Wachstumspotenzial vorhanden ist. Die negativsten Beispiele stammen von Turnaround-Fonds oder Buyout-Fonds, insbesondere im Fall von Mega-Buyout-Fonds, die größtenteils kreditfinanzierte Unternehmen mit geringem Wachstumspotenzial übernommen haben. Besonders viele erfolglose Private Equity-Investitionen gab es in der Automobilzulieferindustrie: Nach einer Studie von Christoph Scheuplein an der Universität Münster hat ein Drittel der 130 deutschen Unternehmen in dieser Branche, in die Private Equity-Gelder geflossen sind, Insolvenz angemeldet.


Zukunftsperspektiven für Private Equity in Deutschland

Momentan sieht sich die Private Equity-Branche mit eine Reihe zentraler Probleme konfrontiert, deren Lösung über die zukünftige Rolle von Private Equity in Deutschland entscheiden wird. Ein wichtiges Problem besteht darin, dass viele der in der Vergangenheit getätigten Investitionen sich nicht als Erfolg herausgestellt haben; das gilt insbesondere für die überwiegend kreditfinanzierten Mega-Buyouts und die Investitionen in hochgradig zyklische Branchen wie die Automobilzulieferindustrie. In vielen Fällen ist es den Private Equity-Fonds nicht gelungen, ihre Beteiligungen wieder zu verkaufen. Die Bankdarlehen, die zur Kofinanzierung dieser Investitionen aufgenommen wurden, müssen aber in den kommenden Jahren zurückgezahlt werden. Seit Beginn der Finanzkrise sind die Banken jedoch extrem vorsichtig bei der Refinanzierung dieser Darlehen geworden. Die globale Ratingagentur Fitch hat diese "Refinanzierungsklippe" kürzlich auf 912 Milliarden US-Dollar geschätzt. Findet sich in naher Zukunft keine Lösung für die Refinanzierung, wird dies dramatische Konsequenzen für die Arbeitsplätze an den betroffenen Unternehmen haben.

Ein zweites Problem ist die negative Publicity, die Private Equity über die Jahre hinweg erhalten hat. Kürzlich flammte sie im aktuellen US-Präsidentschaftswahlkampf in Form von Kritik am republikanischen Kandidaten Mitt Romney wieder auf, der in den 1980er und 1990er Jahren der Firma Bain Capital vorstand, einer der weltweit größten Private Equity-Firmen. Ähnlich wie Private Equity-Verbände in anderen Ländern und auf europäischer Ebene hat auch der BVK für seine Mitglieder einen Verhaltenskodex sowie Richtlinien eingeführt, nach denen Informationen zu großen Private Equity-finanzierten Unternehmen veröffentlicht werden müssen. Dem "Bericht zur Einhaltung der Empfehlungen der BVK-Transparenzrichtlinie" von 2011 zufolge haben allerdings nur zehn der achtzehn Private Equity-Firmen, auf die diese Richtlinie zutrifft, einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Das trägt nicht eben dazu bei, das Vertrauen in eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Transparenz zu stärken.

Andererseits gibt es viele Stimmen, die Private Equity-Investitionen in Deutschland weiterhin für notwendig halten. Risiko- und Wachstumskapital zum Beispiel sind erforderlich, um junge Unternehmen und Innovationen in Deutschland zu fördern. Private Equity kann außerdem eine positive Rolle bei der Restrukturierung von kriselnden Unternehmen spielen und Finanzmittel zur Verfügung stellen, wenn es traditionellen Geldgebern zu riskant wird.

Es wird daher darauf ankommen, einen Weg zu finden, Private Equity-Investoren dazu zu ermuntern, positive Beiträge zur deutschen Wirtschaft zu leisten und die finanziellen Exzesse der Jahre vor der Finanzkrise zu vermeiden. Teil der Lösung wird es sein, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die die positiven Aspekte von Private Equity fördern und die negativen Aspekte unterbinden helfen. Allerdings sind Deutschland hier zu einem gewissen Grad die Hände gebunden, da sich die größten Private Equity-Fonds in den USA und Großbritannien befinden. Auch die Europäische Union hat durch die Verabschiedung der AIFM-Richtlinie (Alternative Investment Fund Managers Directive) einen wichtigen Beitrag geleistet. Private Equity mag sich dauerhaft in Deutschland etabliert haben, aber die Branche kann noch mehr tun, um das zu werden, was im angelsächsischen Raum ein good citizen heißt. Sie könnte sich zum Beispiel stärker um Transparenz bemühen und im Interesse der Sozialpartnerschaft die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Betriebsräten verbessern.


Sigurt Vitols leitet die Projektgruppe Modes of Economic Governance am WZB. Zurzeit arbeitet er als Koherausgeber an einem Buch zu Private Equity, Hedgefonds und Sovereign Wealth Fonds, das 2013 bei Oxford University Press erscheinen wird.
sigurt.vitols@wzb.eu

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Quelle:
WZB Mitteilungen Nr. 137, September 2012, Seite 25-28
Herausgeberin:
Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
Professorin Jutta Allmendinger Ph. D.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2012