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INTERNATIONAL/030: Peru - 'Andenschlächter' aus USA ausgeliefert, späte Sühne für Accomarca-Opfer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Juli 2011

Peru: 'Andenschlächter' aus USA ausgeliefert - Späte Sühne für Opfer von Accomarca

Von Angel Páez


Lima, 19. Juli (IPS) - Der als 'Andenschlächter' berüchtigte peruanische Ex-Militär Telmo Hurtado ist 26 Jahre nach dem Massaker von Accomarca aus den USA in sein Heimatland überstellt worden. Er wird sich nun wegen des Mordes an 16 Männern, 30 Frauen und 23 Kindern vor Gericht verantworten müssen.

"Wir haben gemischte Gefühle", bekennt Celestino Baldeón Chuchón, Leiter der Vereinigung der Opferfamilien. Einerseits sei man froh über die Auslieferung, andererseits wecke Hurtados Rückkehr schmerzhafte Erinnerungen. Baldeón Chuchón selbst verlor durch das Blutbad vom 14. August 1985 seine Mutter, mehrere Onkel und Cousins.

Die von dem damaligen Heeresleutnant Hurtado befehligten Soldaten hatten in dem Dorf in der südlichen Andenregion Ayacucho erst die Frauen vergewaltigt und sie dann zusammen mit Männern und Kindern erschossen. Baldeón Chuchón überlebte nur, weil er sich an dem Tag nicht in der Ortschaft aufhielt. Sein Vater konnte sich vor den Angreifern verstecken und wurde Augenzeuge der schrecklichen Ereignisse. Er habe sich immer gewünscht, der Verurteilung Hurtados beizuwohnen, sei aber vor drei Jahren verstorben, berichtet der Sohn.

Hurtados Militärpatrouille hatte am Tag des Massakers Jagd auf Mitglieder der maoistischen Guerillabewegung 'Leuchtender Pfad' gemacht. Als die Einheit in Accomarca nicht fündig wurde, gab er Befehl, alle Einwohner zu töten, derer man habhaft werde. Der schmutzige Krieg zwischen Armee und Rebellen in den Jahren 1980 bis 2000 kostete insgesamt 70.000 Menschen das Leben.


Lange Straffreiheit

Hurtado war 1992 vom Obersten Rat der Militärjustiz wegen Amtsmissbrauchs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Die Mordvorwürfe spielten in dem damaligen Verfahren jedoch keine Rolle. Drei Jahre später wurde der Militär im Zuge des vom damaligen Staatspräsidenten Alberto Fujimori erlassenen Amnestiegesetzes auf freien Fuß gesetzt. Als diese Regelungen später aufgehoben wurden und er erneut mit juristischen Konsequenzen rechnen musste, setzte er sich im Jahr 2000 in die USA ab.

Sieben Jahre danach wurde er in Miami festgenommen, nachdem die US-Behörden erfahren hatten, dass gegen ihn ein Strafverfahren anhängig war. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurde seine Auslieferung beschlossen. Es sollten neun weitere Monate vergehen, bis er am 14. Juli peruanischen Boden betrat.

Gemeinsam mit Hurtado sind weitere 29 ehemalige Offiziere und Soldaten im Zusammenhang mit dem Massaker von Accomarca angeklagt. Bei dem Verfahren, das im vergangenen November begann, wird Baldeón Chuchón als Zeuge auftreten. Der Fall des 'Andenschlächters' zeigt, mit welcher Brutalität der Bürgerkrieg von 1980 bis 2000 geführt wurde.

"Die Auslieferung Hurtados ist ein klares Signal an alle Menschenrechtsverbrecher, die sich bisher damit brüsten konnten, vor der Justiz geflohen zu sein", erklärt die Anwältin Karim Ninaquispe, die die Hinterbliebenen der Opfer von Accomarca rechtlich vertritt. Hurtados Verbrechen werde nicht ungesühnt bleiben. Schließlich habe er vor der Militärjustiz bereits ein Geständnis abgelegt und die Namen verantwortlicher höherrangiger Offiziere genannt. Hurtado hat zudem gestanden, selbst eine Granate gezündet zu haben, um die Spuren des Blutbads zu verwischen.


Werkzeug seiner Vorgesetzten

Wilfredo Pedraza, der das Massaker von Accomarca für die staatliche peruanische Wahrheitskommission untersucht hatte, sieht Hurtado allerdings nicht als Hauptschuldigen. Hurtado sei damals noch ein unerfahrener Offizier gewesen, der das Verbrechen nicht selbst angeordnet habe, meint er. Die Razzia in dem Dorf sei Teil einer groß angelegten Operation gewesen, die von seinen Vorgesetzten in der Region geplant worden sei. Als Hauptverantwortlichen sieht Pedraza den damaligen militärischen Oberbefehlshaber in der Region, General Wilfredo Mori.

Die US-Aktivistin Jo-Marie Burt hofft darauf, dass den Familien der Opfer von Menschenrechtsverbrechen in Peru endlich Gerechtigkeit widerfährt. Als einen der großen Fortschritte bei der Aufarbeitung der Vergangenheit bezeichnete sie die Verurteilung von Ex-Präsident Fujimori zu 25 Jahren Haft. In den meisten Fällen seien die Verantwortlichen schwerer Verbrechen allerdings noch nicht bestraft worden, sagte die Beraterin des unabhängigen 'Washington Office on Latin America' (WOLA). (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2011