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INTERNATIONAL/099: Argentinien - Operation Cóndor vor Gericht, Ex-Diktator Videla auf Anklagebank (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. März 2013

Argentinien: Operation Cóndor vor Gericht - Ex-Diktator Videla auf Anklagebank

von Marcela Valente


Bild: © Canal 12

Der Angeklagte Manuel Cordero 2009 in Brasilien bei der Missachtung seines Hausarrests
Bild: © Canal 12

Buenos Aires, 6. März (IPS) - In Buenos Aires hat am Dienstag der Prozess gegen die sogenannte Operation Cóndor begonnen. Auch der argentinische Ex-Diktator Jorge Rafael Videla steht für die länderübergreifende Zusammenarbeit der Militärdiktaturen der 70er und 80er Jahre vor Gericht.

Im Verfahren um die strategische Unterdrückung, Verfolgung und Verschleppung von Regimegegnern in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay, Peru und Uruguay sitzen neben dem 87-jährigen Videla weitere 24 Verantwortliche auf der Anklagebank, um unter anderem für Folter und Mord zur Verantwortung gezogen zu werden.

Zu ihnen gehören ranghohe Ex-Generäle wie Videlas Nachfolger Reynaldo Bignone und Luciano Benjamín Menéndez. Von Brasilien wurde der uruguayische Ex-Oberst Manuel Cordero ausgeliefert, da er im Folterzentrum 'Automotores Orletti' in Buenos Aires tätig gewesen war. Drei Angeklagte mussten wegen ihres labilen Gesundheitszustands nicht vor Gericht erscheinen. 15 weitere sind bereits verstorben.

"Verschleppte Ausländer wurden ins Folterzentrum Orletti gebracht", erläutert Luz Palmas von der Argentinischen Liga für Menschenrechte (FUNLADDHH). Die Anwältin vertritt die Überlebenden des Folterzentrums.


Verfahren kann zwei Jahre dauern

Der Prozess kann sich über zwei Jahre hinziehen. Die Angeklagten müssen sich für die illegale Freiheitsberaubung von 106 Menschen verantworten. Die meisten dieser Verschleppten sind Uruguayer (48), aber es sind auch Argentinier, Bolivianer, Chilenen, Paraguayer und eine Peruanerin darunter.

Der Fall wird bereits seit 1999 verhandelt. Damals galten in Argentinien jedoch noch die Amnestiegesetze, die den Verbrechern der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 Straffreiheit gewährten. Als der Oberste Gerichtshof im Jahr 2005 schließlich die Amnestiegesetze aufhob, gewann auch das Verfahrung um die Operation Cóndor an Fahrt.

Bei den im Folterzentrum Orletti begangenen Verbrechen geht es um illegale Freiheitsberaubung und um Folter von 65 Menschen. Viele der Opfer haben die Gefangenschaft überlebt, darunter die Uruguayerin Ana Inés Quadros. Quadros hatte bereits im Jahr 2010 gegen vier der Angeklagten ausgesagt. Sie berichtete, im Juli 1976 in Buenos Aires entführt und ins Folterzentrum Orletti gebracht worden zu sein. Dort sei sie von Cordero gefoltert und vergewaltigt worden. Später wurde sie in ein illegales Haftzentrum in Uruguay verlegt, von wo aus sie schließlich befreit wurde.

Für die Verbrechen, die Cordero im Folterzentrum Orletti selbst begangen haben soll, kann er im Rahmen des aktuellen Prozesses nicht belangt werden: Brasilien hat der Auslieferung nur im Falle des Vorwurfs der illegalen Freiheitsberaubung zugestimmt.

"Dieser Prozess ist der bisher größte, der die Operation Cóndor im Fokus hat", sagt Lorena Balardani von der Menschenrechtsorganisation CELS. Sie hofft, dass er als Vorbild für andere Länder Südamerikas dienen wird, wo die Aufarbeitung der Militärdiktatur und der Verbrechen im Rahmen der Operation Cóndor teilweise ins Stocken geraten ist.

In Uruguay beispielsweise habe es einen Rückschritt gegeben, sagt Balardini. Dort hat das Oberste Gericht am 22. Februar ein Gesetz für ungültig erklärt, dass die Gräuel, die während der dortigen Militärdiktatur (1973-1985) begangen wurden, zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt hatte.


Systematischen Charakter der Repression sichtbar machen

Balardini sieht den am 5. März gestarteten Prozess als wichtig an, um den systematischen Charakter der Operation Cóndor und die länderübergreifende Zusammenarbeit der Militärdiktaturen sichtbar zu machen. Die Anwälte von CELS vertreten mehrere Opfer im laufenden Prozess, die selbst nicht für sich eintreten können, weil sie tot oder verschwunden sind. Die Organisation stützt sich vor allem auf einige 'exemplarische' Fälle.

Dazu zählt der Fall Marcelo Gelman und María Claudia García Irureta Goyena. Das Paar wurde 1976 in Buenos Aires verschleppt. Gelman, der Sohn des Dichters Juan Gelman, war damals 20 Jahre alt, seine Frau 19 und im siebten Monat schwanger.

Marcelo Gelman wurde getötet. Seine Leiche wurde 1989 gefunden. María Claudia García wurde zunächst ins Folterzentrum Orletti verschleppt und dann nach Uruguay gebracht. Dort brachte sie ihre Tochter Macarena Gelman zur Welt. Das Mädchen erfuhr von ihrer wahren Identität erst im Jahr 2000 als sie 23 Jahre alt war. Ihre Mutter ist bis heute verschwunden.

CELS vertritt außerdem die Argentinier Horacio Campiglia und Susana Pinus, die 1980 auf dem internationalen Flughafen Galeão im brasilianischen Rio de Janeiro gefasst und nach Argentinien gebracht worden waren. Seitdem sind sie verschwunden. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.cels.org.ar/home/index.php
http://www.ipsnews.net/2013/03/operation-condor-on-trial-in-argentina/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102460

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2013