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MELDUNG/126: Verurteilungen im Fall Umar Israilow in Wien (ECCHR)


European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) - Pressemitteilung vom 2. Juni 2011

Verurteilungen im Fall Umar Israilow in Wien:

Mord an tschetschenischem Regimegegner geschah im Auftrag von Grosny


Wien/Berlin, 01.06.2011. Im Strafverfahren zum Mordfall Umar Israilow vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien wurden die drei angeklagten Exiltschetschenen zu Freiheitsstrafen von lebenslang, 19 und 16 Jahren verurteilt. Nach einem halben Jahr Prozessdauer sah es der Schwurgerichtshof als erwiesen an, dass die Angeklagten an der unmittelbaren Tatorganisation und -ausführung des Mordes beteiligt waren. In der mündlichen Verhandlung wurden darüber hinaus die Strukturen der Machtausübung durch die tschetschenische Führung und Verbindungen dieser zu den Tatbeteiligten thematisiert. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse erfordern nach Überzeugung des ECCHR weitere Ermittlungen durch die österreichischen und russischen Staatsanwaltschaften gegen den Haupttäter und die Hintermänner des Mordes in Tschetschenien. Russland ließ die Begehren des Wiener Gerichts, durch Einholung von Zeugenaussagen das Verfahren aktiv zu unterstützen, unbeantwortet und unterließ damit, zur Aufklärung des Mordes insbesondere hinsichtlich der Verantwortung Tatverdächtiger in Tschetschenien beizutragen.

Das ECCHR war mit einem eigenen Anwalt in dem Verfahren präsent, der die langjährige Wiener Anwältin von Umar Israilow und dessen Hinterbliebenen Nadja Lorenz unterstützte, und präsentierte unter anderem drei der führenden Expertinnen und Experten zu Tschetschenien als Zeugen. Diese stellten den Mord an Umar Israilow in einen Gesamtkontext von Menschenrechtsverletzungen und beschrieben das konstante Klima der Angst und Straflosigkeit in der Region.

Umar Israilow wurde in Tschetschenien mehrfach gefoltert und brutal misshandelt. Im Sommer 2007 wurde er in Österreich als Flüchtling anerkannt. Von dort leitete er juristische Schritte unter anderem gegen das tschetschenische Oberhaupt Ramsan Kadyrow ein. Am 13. Januar 2009 wurde Umar Israilow in Wien auf offener Straße erschossen, nachdem er mehrfach von Exiltschetschenen bedroht und aufgefordert worden war, seine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurückzunehmen und nach Tschetschenien zurückzukehren. Der abschließende Bericht des österreichischen Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vom März 2010 stellte damals eine direkte Verbindung der Täter in Österreich zu Ramsan Kadyrow her.

ECCHR-Anwalt Andreas Schüller meint zum Prozessausgang: "Das Verfahren hat deutlich gezeigt, dass es sich um einen politischen Auftragsmord gehandelt hat. Weitere Ermittlungen gegen die Hintermänner der Tat aus der ehemaligen und aktuellen Führung Tschetscheniens müssen folgen."

Siehe auch: http://www.ecchr.eu/fall_kadyrow.html


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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. Juni 2011
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) e. V.
Zossener Str. 55-58, Aufgang D, 10961 Berlin
Telefon: + 49 - (0)30 - 40 04 85 90, Fax: + 49 - (0)30 - 40 04 85 92
E-Mail: info@ECCHR.eu
Internet: www.ecchr.eu


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2011