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MELDUNG/649: Auch im Bußgeldverfahren darf Effizienz nicht zu Lasten Betroffener gehen (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 13. März 2020

Auch im Bußgeldverfahren: Effizienz darf nicht zu Lasten Betroffener gehen!

Statement von Rechtsanwalt Christian Janeczek, Mitglied des Ausschusses Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV), zum Gesetzentwurf Hessens zur Vereinfachung des Bußgeldverfahrens


Der Versuch, das Bußgeldverfahren zu vereinfachen und praxisgerechter zu gestalten, ist zu begrüßen. Den Gesetzentwurf Hessens lehnen wir jedoch ab: Die geplanten Maßnahmen dienen allein dem Zweck, Gerichte zu entlasten - und höhlen dabei die Rechte Betroffener aus.

Der Gesetzentwurf will die Betroffenen in bestimmten Verfahren vor die Wahl stellen: entweder Gerichtsentscheidung durch Beschluss oder Durchführung einer Hauptverhandlung - diese aber zwingend in Anwesenheit des Betroffenen. Gerade bei Verkehrsordnungswidrigkeiten liegen zwischen dem zuständigen Amtsgericht und dem Wohnort des Betroffen häufig mehrere hundert Kilometer. Da persönliches Erscheinen meist nur dann erforderlich ist, wenn es um eine Identifizierung des Betroffenen geht, lassen sich die Betroffenen in der Regel vertreten. Nach dem Entwurf fiele das Recht weg, von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung entbunden zu werden.

Da allgemein bekannt ist, dass Betroffene den Weg zu weit entfernten Gerichten oft scheuen, liegt der Grund für die Regelung nahe: Das Gesetz soll die Betroffenen zum Verzicht auf eine Hauptverhandlung verleiten. Dies verkürzt unzumutbar die Rechte Betroffener auf effektiven Rechtschutz: Es zeigt sich häufig, dass die Hauptverhandlung zu anderen Ergebnissen kommt als das Verwaltungsverfahren. Das gilt insbesondere, wenn man auch die weiteren Rechte des Betroffenen, etwa auf vollständige Akteneinsicht, ernst nimmt.

Der 58. Verkehrsgerichtstag in Goslar im Januar 2020 hatte seinerseits verschiedene Vorschläge für eine flexiblere, praxistauglichere Reform des Bußgeldverfahrens gemacht.

Am heutigen Freitag wird sich der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf Hessens beschäftigen.

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Quelle:
Statement vom 13. März 2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2020

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