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VERKEHR/291: Verkehrsgerichtstag - Grenzüberschreitende Unfallregulierung in der EU (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin/Goslar, 28. Januar 2009

47. Deutscher Verkehrsgerichtstag - 28. bis 30. Januar 2009 in Goslar

Arbeitskreis I: Grenzüberschreitende Unfallregulierung in der EU
Anwälte fordern Möglichkeit der Zustellung im Inland
Vereinheitlichung auch mit Nicht-EU-Ländern notwendig


Goslar/Berlin (DAV). Die Regulierung von Unfällen, die sich im Ausland ereignen, hat sich in den letzten Jahren erheblich vereinfacht. Durch mehrere EU-Richtlinien und EU-Verordnungen wurden viele Probleme ausgeräumt, allerdings auch neue Fragen aufwerfen. Entgegen ersten Urteilen einiger deutscher Gerichte fordert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV), dass die Zustellung von Klagen auch an den Regulierungsbeauftragten im Inland der ausländischen Versicherung erfolgen kann. Die Vereinheitlichung der Zustellung soll zudem auch im Verhältnis zur Schweiz und zu Norwegen angewandt werden.

"Die Vereinfachung und die Transparenz des Verfahrens muss im Sinne der Betroffenen im Vordergrund stehen", erläutert Rechtsanwältin Nicola Meier-van Laak von den DAV-Verkehrsrechtsanwälten.

Mit der 4. und 5. Kfz-Haftpflichtrichtlinie der EU kann heute ein Unfall, der sich im Ausland ereignete, nach der Rückkehr im Heimatland des Geschädigten reguliert werden. Zu diesem Zweck muss jeder Versicherer, der in der EU Fahrzeuge versichert, dafür sorgen, dass er in jedem EU-Staat einen Schadensregulierungsbeauftragten (zumeist ein befreundeter Versicherer) hat, der in der Sprache des EU-Staates den Schaden bearbeitet. Dabei hat der Regulierungsbeauftragte nur drei Monate Zeit, um eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Versäumt er diese Frist oder fehlt ein Regulierungsbeauftragter völlig, tritt die Verkehrsopferhilfe an die Stelle des Versicherers.

Allerdings richten sich die Schadensersatzansprüche bei Unfällen, an denen mehrere Personen beteiligt sind, die in verschiedenen Staaten wohnen, zumeist nach dem Recht des Unfallortes. Da in den verschiedenen EU-Staaten der Umfang des Schadensersatzes höchst unterschiedlich geregelt ist, kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Insbesondere die Erstattung von Kosten für Mietwagen oder Sachverständigengutachten ist in vielen Rechtsordnungen nicht oder nur sehr eingeschränkt vorgesehen.

Nach Ansicht der Verkehrsrechtsanwälte des DAV können die Regelungen über die vereinfachte Zustellung entgegen einer ersten Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe auch im Verhältnis zu den Nicht-EU-Ländern Schweiz und Norwegen angewandt werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut eines Abkommens (Lugano-Abkommen). Im Interesse der Verfahrensvereinfachung fordern Anwälte, die in der Richtlinie auch angesprochene Zustellung an den Regulierungsbeauftragten im Inland gelten zu lassen. Dies hatte in einer ersten Entscheidung das Kammergericht Berlin noch anders gesehen.

Bei der grenzüberschreitenden Unfallregulierung ergeben sich zahlreiche Fragen und Probleme:

1. Welches Gericht ist zuständig?

das Gericht am Wohnsitz des Beklagten, z.B. des gegnerischen Fahrers oder Halters,

das Gericht des Unfallortes, an dem sich der Unfall ereignet hat oder

das Gericht, bei dem die Versicherung, die verklagt werden soll, ihre Niederlassung hat,

was gilt, wenn man mehrere Schuldner hat oder sich mehrere mögliche Gerichtsstände ergeben? Kann man den Gerichtsstand frei wählen oder gibt es eine bestimmte Rangfolge?

2. Welches materielle Recht findet Anwendung?

In der Regel das Recht des Staates, in dem sich der Unfall ereignet hat.

Aber welche Ausnahmen kommen in Betracht?

Das Recht des Landes, in dem die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (z.B. zwei Deutsche haben einen Unfall in Italien).

Das Recht des Staates, zu dem die Parteien die engste Verbindung haben (z.B. Unfall bei einer Busreise im Ausland: z.B. Deutscher Reisender, der bei einem deutschem Reiseveranstalter mit einem deutschem Busfahrer eine Reise gebucht hat und im Ausland einen Unfall erleidet).

Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn deutsche Richter ausländisches Recht anwenden sollen?

3. Welche Verjährungsfristen gelten?

4. Welches Verfahrensrecht findet Anwendung?

In der Regel das Recht des Landes, in dem das Verfahren geführt wird.

Welche Beweislastregeln gelten? Gelten Anscheinsbeweise und wenn ja, welche? An wen können Klagen zugestellt werden? Müssen komplizierte kostenträchtige Zustellungen im Ausland erfolgen oder sollten Klagen nicht einfacher an die inländischen Regulierungsbeauftragten von ausländischen Versicherungen zugestellt werden?

5. Nach welchem Recht werden die Kosten des Verfahrens festgelegt?

In den verschiedenen Staaten gelten sehr unterschiedliche Kostentragungsregeln.

6. Wie werden Entscheidungen im Ausland vollstreckt?

Wie komme ich an mein Geld, wenn ich ein deutsches Urteil im Ausland vollstrecken will? Stichwort: "Exequarturverfahren", also die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung, damit aus dieser im Ausland die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.


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Quelle:
Pressemitteilung VGT/01 vom 28. Januar 2009
Presseerklärungen der einzelnen Arbeitskreise anläßlich des
47. Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
Tel.: 0 30/72 61 52-1 29, E-mail: walentowski@anwaltverein.de
Sekretariat: Katrin Schläfke, Tel.: 0 30/72 61 52-1 49,
Christina Lehmann, Tel.: 030/72 61 52-1 39
Fax: 0 30/72 61 52-1 93
E-mail: schlaefke@anwaltverein.de; lehmann@anwaltverein.de
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2009