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EDITORIAL/143: Verteidigung der Dunkelheit (SB)



Wochendruckausgabe 143 der Elektronischen Zeitung Schattenblick zum 27.07.2019


Aufgeschlagene Schattenblick-Zeitung in den Händen eines Lesers - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

Verteidigung der Dunkelheit

   Ach Bruder, die Straße ist dunkel,
   und dunkel ist mein Gesicht.
   Ach Bruder, du kennst nicht die Straße,
   und den Dreck und die Tränen kennst du nicht. *

Ein lichtverheißendes Lied aus christlicher Feder am Beginn meiner Ausführungen zum Gegenstück.

Bei aufkommender Dunkelheit ist man der Wehr- und Handlungsunfähigkeit ausgeliefert, weil der Mensch sich, seiner Sinne oder vornehmlich seiner Sicht beraubt, außerstande findet, ein Ziel oder einen Gegenstand richtig erkennen und verfolgen zu können, um sich diesem zum Selbstschutz und zur Bewältigung zu bemächtigen. Dabei handelt es sich um jenes Dunkel, welchem sich der auf sein freies und überschaubares Gesichtsfeld angewiesene Mensch in seiner Fertigkeit, angreifen, zupacken und sich mithin auch verteidigen zu können, höchst einschränkend und schließlich jedweder Gefahr, unterzugehen und nicht zu überstehen, sprichwörtlich fast blind ausgeliefert sähe.

Spiegelbildlich ist der dunkle Eindruck oder das dunkle und finstere Wesen, das eine Person ausstrahlt oder verkörpert, jene die entsprechende Aufmerksamkeit erweckende Drohung der Unvorhersehbarkeit, die mindestens überraschende, wenn nicht erschreckende Ereignisketten ankündigt.

Suchen Sie doch, liebe Leserin, lieber Leser, gerne aus, mit welchen der beiden beschriebenen Dunkelheiten Sie vorzugsweise ausgestattet wären, oder ob Sie im Lichte des Vertrauten und Liebgewordenen mit der dem Überblick verpflichtenden Orientierung lieber der lichten Schönheit und Trefflichkeit aller damit verbundener Versprechungen und Verheißungen treu bleiben wollten?

Allein, mir erschien das doch wie der Tanz einer Motte um die tödliche Hitze einer Flamme. Vielleicht stellt sich auch die Frage, ob die Dunkelheit nicht am Ende eine viel ausgreifendere und umfassendere Sinnesmöglichkeit als jene uns sattsam vertraute sein müßte?

Ihre Schattenblick-Redaktion

* "Ich zieh meine dunkle Straße", Worte und Weise: Klaus Kleinau, aus: Die Mundorgel, 3. Auflage 1968, Lied 93, 2. Strophe


29. Juli 2019


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