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KIRCHE/1100: Zentralausschuss befasst sich mit Umbruchsituation für Christen weltweit (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 18. Februar 2011

Zentralausschuss befasst sich mit Umbruchsituation für Christen weltweit


Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) unternimmt neue Schritte zur Förderung der Einheit der Christen und der Eintracht unter den Religionen. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Werden die organisatorischen Herausforderungen der Leitungsverantwortung und der Umstrukturierung "das Leben der ökumenischen Bewegung" zum Stillstand bringen?

Das war eine der Schlüsselfragen, die am Donnerstagmorgen, dem 17. Februar, in den Plenarsitzungen des ÖRK-Zentralausschusses in Genf aufgeworfen wurden. Die Beratungen widmeten sich den Themen "Die sich verändernde kirchliche und ökumenische Landschaft" und "Interreligiöse Beziehungen und interreligiöse Zusammenarbeit: Das Streben nach gerechtem Frieden".

Die historische und kulturelle "Landschaft" im Umfeld der Kirchen verändere sich ständig, stellte Pastor Dr. David Thompson von der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich fest und fügte hinzu: "Die Frage ist: Wie reagieren wir darauf?"

"Welche Ökonomie hält uns in dieser Struktur der Ökumene zusammen?", fragte Pastorin Jennifer S. Leath von der Afrikanischen Methodistisch-Bischöflichen Kirche in den USA. Sie spielte dabei auf die gemeinsamen griechischen Wurzeln der beiden Begriffe "ökonomisch" und "ökumenisch" an: beide stammen vom Wort oikos ab, was soviel wie "Haus" oder "Haushalt" bedeutet.

Wird der ÖRK wie die Weltwirtschaft den bestimmenden Einfluss und die Dominanz des Nordens akzeptieren, oder wird er darauf bestehen, dass die Ausgegrenzten respektiert werden? Es wäre inakzeptabel, meinte Leath, ein Modell wie das erstere zu akzeptieren. Im Namen der Frauen, der jungen Menschen und der neu in die traditionelle ökumenische Bewegung integrierten Gruppen erklärte sie: "Wir werden nicht [auf Kosten einer umfassenden Partnerschaft] das charismatische Aushängeschild dieses Rates sein", sondern stattdessen wird "der oikos Gottes sichtbar werden".

Gosbert Byamungu, Ko-Vorsitzender der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der römisch-katholischen Kirche und des ÖRK, zeigte sich zuversichtlich und meinte, das weltweite Christentum werde die Situation, mit der es konfrontiert sei, meistern. In den letzten fünfzig Jahren, so Byamungu, hätten die Katholiken und der ÖRK eine Beziehung entwickelt, in der "Vertrauen und Freundschaft anstelle von Misstrauen und Feindseligkeit getreten sind". Heute "besteht die Herausforderung für uns darin, die Einigung in Lehrfragen in ein gemeinsames Zeugnis und einen gemeinsamen Dienst zu verwandeln".

Erzbischof Nareg Alemezian von der orthodoxen Armenischen Apostolischen Kirche aus dem Libanon erzählte von seiner Erfahrung im Nahen Osten und an anderen Orten. Er rief zur sichtbaren Einheit der Kirche in ihrem Dienst an Migrantinnen und Migranten, in der Missionsarbeit und in den interreligiösen Beziehungen sowie im Umgang mit den zahlreichen Herausforderungen der Globalisierung auf. Im Besonderen forderte er die Mitgliedskirchen auf, "die Gemeinschaft des ÖRK über einen rein institutionellen Rahmen hinaus zu leben" und sich an "einer Gebetsbewegung mit Christus als Mittelpunkt" zu beteiligen.

Viele Mitglieder des Zentralausschusses nutzten die Gelegenheit, um die engeren Beziehungen zu loben, die derzeit zwischen dem ÖRK, der katholischen Kirche, den weltweiten christlichen Gemeinschaften, den Pfingstvereinigungen und weltweiten evangelikalen Einrichtungen aufgebaut werden.

Vertreterinnen und Vertreter aus Sri Lanka, Indonesien und Deutschland legten dar, wie sich der interreligiöse Dialog und die interreligiöse Zusammenarbeit auf ihren Dienst auswirken.

Pastor Ebenezer Joseph, ein Methodist aus Sri Lanka, sprach über den Nutzen, den er in der Arbeit mit Menschen anderer Glaubensrichtungen entdeckt habe.

In Sri Lanka würden interreligiöse Treffen mit Buddhisten, Hindus und Muslimen auf allen Ebenen von Kirche und Gesellschaft organisiert, so Joseph. "Es ist ein Dialog des Lebens, in dem der Glaube in vielfältiger Form öffentlich zum Ausdruck gebracht wird", erklärte er. Bei solchen Begegnungen gäbe es keine Hintergedanken, einfach nur "ein positives religiöses Engagement". Joseph bezeichnete dies als "kollektives Engagement", bei dem "wir einfach nur versuchen herauszufinden, was wir gemeinsam tun könnten", insbesondere im Zusammenhang mit dem vor kurzem zu Ende gegangenen 30-jährigen Bürgerkrieg.

In Sri Lanka gebe es auch formelle Arten des interreligiösen Dialogs, doch diese fänden mit Gelehrten und Geistlichen statt und "haben keine Auswirkungen auf das Leben der Menschen", meinte Joseph.

Pastorin Dr. Margaretha Hendriks-Ririmasse, eine der stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralausschusses, ging auf die interreligiösen Beziehungen in Indonesien ein, wo sie als Pfarrerin der Presbyterianischen Protestantischen Kirche der Molukken Seite an Seite mit anderen Glaubensgemeinschaften arbeitet. "Im Allgemeinen gibt es zwischen uns keine größeren Konflikte. Aber wir haben doch mit bestimmten Vorurteilen zu kämpfen, weil jede Glaubensgemeinschaft meint, die beste zu sein."

Die interreligiösen Beziehungen hätten sich in Indonesien wegen des von den USA unterstützten "Kriegs gegen den Terror" jedoch verschlechtert, fügte sie hinzu. "Da das Christentum als Agent der USA und des Westens angesehen wird, haben sich unter den Muslimen Gruppen von Hardlinern gebildet und es gibt immer mehr Angriffe gegen Christen und Kirchen."

Dennoch sieht Hendriks-Ririmasse viele Zeichen der Hoffnung, z. B. die guten Beziehungen zwischen der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien und anderen religiösen Gruppen. Die Christen hätten von der größtenteils gemäßigten muslimischen Gemeinschaft große Unterstützung erfahren. "Wenn es Angriffe auf uns gab, haben sie uns immer stark unterstützt und klar Position für uns ergriffen", erklärte sie.

Christina Biere von der Evangelischen Kirche in Deutschland wies darauf hin, dass in den interreligiösen Beziehungen im europäischen Kontext häufig Migrantengemeinschaften eine große Rolle spielten. Sie zitierte eine von der Universität Münster jüngst veröffentlichte Umfrage, nach der "Deutsche weniger tolerant gegenüber Muslimen sind als ihre europäischen Nachbarn".

Biere führte die religiös gefärbte Immigrationsdebatte in Deutschland darauf zurück, dass es keinen wirklichen interreligiösen Dialog in ihrem Land gebe. "Im Gegensatz zu unseren Nachbarn haben wir bisher keine ehrliche und intensive Debatte über Muslime und Immigration geführt", fügte sie hinzu.

Wie in vielen anderen Bereichen auch ruhe die Hoffnung auf den jüngeren Generationen. Ein von ihrer Kirche mitgetragenes Schulprojekt unter dem Motto "Weißt Du, wer ich bin?" lasse einen sehr positiven Dialog zwischen christlichen, muslimischen und jüdischen Schülern und Schülerinnen entstehen. "Aber diese Anstrengungen werden noch nicht genug in kirchliche Ortsgemeinden hineingetragen", erklärte Biere.

Die Plenarsitzungen am Donnerstagmorgen wurden gemeinsam von der ÖRK-Präsidentin für Europa, Dr. Mary Tanner von der Kirche von England, und Omowunmi Iyabode Oyekola von der Kirche des Herrn (Aladura) in aller Welt geleitet.


Weitere Informationen zur Tagung des Zentralausschusses:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=c2d64678bdc67f2c5819

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. Februar 2011
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2011