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KIRCHE/1773: "Zur aktuellen Flüchtlingssituation" - Erklärung leitender Geistlicher (EKD)


Evangelische Kirche in Deutschland - Pressemitteilung vom 15.09.2015

"Zur aktuellen Flüchtlingssituation"

Leitende Geistliche veröffentlichen gemeinsame Erklärung


Flüchtlinge willkommen zu heißen und aufzunehmen ist ein Gebot der Humanität und ein Gebot christlicher Verantwortung. Mit dieser Botschaft wenden sich die Leitenden Geistlichen der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland an die deutsche und europäische Öffentlichkeit. "Unsere Gesellschaft steht vor einer großen Herausforderung, aber auch unsere Kräfte sind groß", heißt es in dem heute in Brüssel und allen evangelischen Landeskirchen veröffentlichten Papier. "Wir sind dankbar für die vielfältige Hilfsbereitschaft!" Die Leitenden Geistlichen unterstreichen die kirchliche Forderung nach legalen Zugangswegen nach Europa und rufen dazu auf, Fluchtursachen zu bekämpfen: Klimaveränderungen, Kriege, Verfolgung und extreme Armut seien Folge globaler Handelsbeziehungen, Waffenlieferungen und eines Lebensstils, der die Ressourcen der Erde verbraucht. "Eine Umkehr von diesen ungerechten Verhältnissen ist an der Zeit", heißt es in dem Papier.

"Mit dieser Erklärung wollen wir für unsere evangelischen Kirchen inmitten intensiver Debatten einen Beitrag zur Orientierung schaffen", erläutert der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. "Unsere Erklärung wollen wir auch in die vielen ökumenischen Gespräche einbringen und für unsere Anliegen in den Kirchen Europas werben". Die Erklärung der 20 Leitenden Geistlichen ist die erste ihrer Art in der Geschichte der EKD.

Die gemeinsame Erklärung ist in mehreren europäischen Sprachen veröffentlicht worden.

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Zur aktuellen Situation der Flüchtlinge
Eine Erklärung der Leitenden Geistlichen der evangelischen Landeskirchen Deutschlands


"Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!" (Psalm 36,8)

1
Gott liebt alle seine Geschöpfe und will ihnen Nahrung, Auskommen und Wohnung auf dieser Erde geben. Wir sehen mit Sorge, dass diese guten Gaben Gottes Millionen von Menschen verwehrt sind. Hunger, Verfolgung und Gewalt bedrücken sie. Viele von ihnen befinden sich auf der Flucht. So stehen sie auch vor den Toren Europas und Deutschlands. Sie willkommen zu heißen, aufzunehmen und ihnen das zukommen zu lassen, was Gott allen Menschen zugedacht hat, ist ein Gebot der Humanität und für uns ein Gebot christlicher Verantwortung.

2
Der Mensch steht im Mittelpunkt aller Bemühungen. Viele Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die große Herausforderung besteht darin, jedem Einzelnen gerecht zu werden.

In ihrer Not begeben sich Menschen auf der Flucht in Lebensgefahr. Es ist humanitäre Pflicht, alles zu tun, um Menschen aus Seenot und vor anderen Gefahren zu retten. Gegen menschenverachtende Schlepperbanden und mafiöse Strukturen innerhalb und außerhalb Europas muss mit polizeilichen Mitteln vorgegangen werden.

Die wirksamsten Maßnahmen gegen die Gefahren auf der Flucht bestehen in legalen Zugangswegen nach Europa. Wir fordern deshalb legale Wege für Schutzsuchende und begrüßen Diskussionen über ein Einwanderungsgesetz, das neue Zuwanderungsmöglichkeiten für Menschen auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben eröffnet.

3
Unsere Gesellschaft steht vor einer großen Herausforderung, aber auch unsere Kräfte sind groß. Wir sind dankbar für die vielfältige Hilfsbereitschaft! Allen, die ehrenamtlich oder beruflich, aus Kirche, Zivilgesellschaft, Staat und Politik helfen, eine Willkommenskultur zu leben und mit einem beispiellosen Einsatzfür die schnelle und menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen zu sorgen, danken wir von ganzem Herzen!

Mit Entschiedenheit wenden wir uns gegen alle Formen von Fremdenfeindlichkeit, Hass oder Rassismus und gegen alles, was eine menschenfeindliche Haltung unterstützt oder salonfähig macht. Sorgen und Angst vor Überforderung müssen ernst genommen werden, dürfen aber nicht für menschenfeindliche Stimmungen missbraucht werden.


Als Kirche prägen wir das Zusammenleben in dieser Gesellschaft mit. Daher treten wir dafür ein, gelebte Willkommenskultur und die damit verbundene Integration zu einer zentralen Aufgabe unserer Gemeinden und Einrichtungen zu machen.


Mit Sorge sehen wir die Hintergründe und Ursachen der Flüchtlingsbewegungen: Klimaveränderungen, Kriege, Verfolgung, Zusammenbruch staatlicher Gewalt, extreme Armut. In diese Fluchtursachen ist auch unsere Gesellschaft vielfältig durch globale Handelsbeziehungen, Waffenlieferungen und nicht zuletztdurch einen Lebensstil, der die Ressourcen der Erde verbraucht, zutiefst verwickelt. Eine Umkehr von diesen ungerechten Verhältnissen ist an der Zeit.

6
Uns in Deutschland ist aufgrund unserer Geschichte in besonderer Weise bewusst, welches Geschenk es ist, Hilfe in der Not und offene Türen zu finden. Ohne die Hilfe, die uns selber zu Teil geworden ist, wären wir heute nicht in der Lage, mit unseren Kräften anderen zu helfen.

Wir als Leitende Geistliche wollen uns dafür einsetzen, dass Europa jetzt gemeinsam handelt und seinen humanitären Verpflichtungen gemeinschaftlich nachkommt.


In der Gewissheit, dass Menschen unter Gottes Flügeln Zuflucht haben, bringen wir die Not aller Menschen in unseren Gebeten vor Gott und bitten ihn um Kraft für die vor uns liegenden Aufgaben.


Landessuperintendent Dietmar Arends
Lippische Landeskirche

Bischof Dr. Markus Dröge
Evang. Kirche Berlin-Brandenburg
Schlesische Oberlausitz (EKBO)

Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July
Evangelische Landeskirche in Württemberg

Kirchenpräsident Joachim Liebig
Evangelische Landeskirche Anhalts

Präses Manfred Rekowski
Evangelische Kirche im Rheinland

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm
Ev.-luth. Kirche in Bayern
Ratsvorsitzender der EKD

Kirchenpräsident Dr. Martin Heimbucher
Evangelisch-reformierte Kirche

Kirchenpräsident Dr. Volker Jung
Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke
Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe

Landesbischof Carsten Rentzing
Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens

Pastor Renke Brahms
Bremische Evangelische Kirche

Bischof Prof. Dr. Martin Hein
Evang. Kirche von Kurhessen-Waldeck

Landesbischöfin Ilse Junkermann
Evangelische Kirche in Mitteldeutschland

Landesbischof Ralf Meister
Ev.-luth. Landeskirche Hannover

Kirchenpräsident Christian Schad
Evangelische Kirche der Pfalz

Jochen Cornelius-Bundschuh
Evangelische Landeskirche in Baden

Bischof Jan Janssen
Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg

Präses Annette Kurschus
Ev. Kirche von Westfalen

Landesbischof Dr. Christoph Meyns
Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig

Landesbischof Gerhard Ulrich
Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland


Die Erklärung ist als PDF-Datei abrufbar unter:
http://www.ekd.de/download/20150910_gemeinsame_erklaerung_fluechtlinge.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung 157/2015 vom 15.09.2015
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Pressestelle
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Telefon: (0511) 2796-268/269/265/267, Fax: (0511) 2796-777
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2015

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