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KIRCHE/1958: Aufruf zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung im Heiligen Land (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 19.01.2017

Aufruf zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung im Heiligen Land

Abschluss des 17. Internationalen Bischofstreffens


Der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann hat als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz zum Einsatz für die Realisierung einer Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina aufgerufen. Anlässlich des 17. Internationalen Bischofstreffens zur Solidarität mit den Christen im Heiligen Land, das heute (Donnerstag, 19. Januar 2017) zu Ende geht, betonte Bischof Ackermann die Berufung der Christen, sich für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten einzusetzen. "Ich erlebe unter den Palästinensern im Heiligen Land weit verbreitet Lethargie und Hoffnungslosigkeit, weil auch nach Jahrzehnten noch keine stabile Friedensregelung gefunden wurde. Dieser Zustand ist unhaltbar. Er kann jederzeit wieder in unkontrollierbare Gewalt umschlagen."

Schwerpunkt des Bischofstreffens, an dem seit Samstag (14. Januar 2017) Vertreter von zwölf Bischofskonferenzen aus europäischen und nordamerikanischen Ländern sowie aus Südafrika teilnahmen, war die Lage in den palästinensischen Gebieten. Vor 50 Jahren wurden diese Gebiete im sogenannten "Sechstagekrieg" durch die israelische Armee besetzt.

Im Gebiet zwischen Bethlehem und Hebron konnten die Bischöfe in Augenschein nehmen, wie der fortgesetzte israelische Siedlungsbau und der Verlauf der Sicherheitsmauer die Lebensbedingungen der Palästinenser drastisch verschlechtern. So droht auch die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung zunichtegemacht zu werden. Die Bischöfe richteten ihre Aufmerksamkeit erneut auf die schwierige Situation im Cremisan-Tal zwischen Bethlehem und Jerusalem. Der Bau der israelischen Sperranlage, durch christliche Proteste jahrelang verzögert, ist im vergangenen Jahr weit fortgeschritten. Nach Auskunft von Menschenrechtsgruppen wird damit der Zugang der dort lebenden christlichen Familien zu ihren Ländereien nahezu unmöglich gemacht.

Die Bischöfe besuchten auch die schrumpfende christliche Gemeinde in Gaza. Durch die Hilfsmaßnahmen der in Jerusalem ansässigen katholischen Organisationen ist es gelungen, die Kräfte der verbliebenen Christen stärker zu aktivieren und die Zusammenarbeit mit der muslimischen Bevölkerung zu verbessern.

Zu den geistlichen Akzenten des Bischofstreffens gehörten Gottesdienste in der Geburtskirche in Bethlehem, der Grabeskirche in Jerusalem sowie das gemeinsame Gebet mit der lokalen anglikanischen Gemeinschaft im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Am Ort des jüngsten Jerusalemer Terroranschlags gedachten die Bischöfe der getöteten israelischen Soldaten.

Das Gespräch mit Menschenrechtsaktivisten wie dem früheren israelischen Parlamentspräsidenten Avraham Burg hatte die zerstörerischen Rückwirkungen der jahrzehntelangen militärischen Konfrontation auf die Psyche auch vieler Israelis und die Friedensfähigkeit ihrer Gesellschaft zum Thema. "Der Dauerzustand der Besatzung macht beide krank - Besatzer und Besetzte", so Bischof Ackermann.

In ihrer Abschlusserklärung bezeichnen die Bischöfe die seit 50 Jahren andauernde Besatzung als "einen Skandal, an den wir uns nie gewöhnen dürfen". Sie sprachen sich in Übereinstimmung mit Papst Franziskus und entgegen weitverbreiteter Skepsis auch weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung aus, die den Lebensbedürfnissen und berechtigten Sicherheitsinteressen beider Seiten entspricht. "Die Befreiung aller Notleidenden und Bedrängten in diesem geschundenen Land bleibt unser Ziel, Gewaltlosigkeit das Mittel", betonte Bischof Ackermann am Ende des Bischofstreffens.


Hintergrund

An der Konferenz nahmen unter Vorsitz von Bischof Declan Lang (Clifton, England) neben Bischof Dr. Stephan Ackermann teil: Bischof em. Pierre Bürcher (Rejkjavik, Island); Bischof Oscar Cantú (Las Cruces, USA); Bischof Michel Dubost (Évry, Frankreich); Erzbischof Riccardo Fontana (Arezzo-Cortona-Sansepolcro, Italien); Bischof Lionel Gendron (Saint-Jean-Longueuil, Kanada); Bischof Dr. Felix Gmür (Basel, Schweiz); Weihbischof William Kenney (Birmingham, England); Bischof William Nolan (Galloway, Schottland) und Erzbischof Joan Vives i Sicília (Urgell, Spanien) sowie Weihbischof Nicholas Hudson (Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union ComECE). Darüber hinaus waren Repräsentanten der Bischofskonferenz von Südafrika sowie des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen CCEE vertreten.

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17. Internationales Bischofstreffen für Solidarität mit der Kirche im Heiligen Land (14.-19. Januar 2017)

Abschlusskommuniqué
Fünfzig Jahre Besatzung fordern zum Handeln auf

Seit fünfzig Jahren leiden das Westjordanland und der Gazastreifen unter einer Besatzung, die die Menschenwürde der Palästinenser und der Israelis verletzt. Das ist ein Skandal, an den wir uns nie gewöhnen dürfen.

Seit 1998 fordert unsere Koordinierungsgruppe jedes Jahr Gerechtigkeit und Frieden, doch das Leiden geht weiter. Deshalb muss unser Rufen lauter werden. Als Bischöfe bitten wir die Christen in unseren Heimatländern dringend, die eigene Verantwortung anzuerkennen - im Gebet, in der Bewusstseinsbildung und im Handeln.

So viele Menschen im Heiligen Land haben ihr gesamtes Leben unter der Besatzung verbracht. Sie haben soziale Polarisierung und Ausgrenzung erlebt, und doch bekennen sie sich zur Hoffnung und streben nach Versöhnung. Sie verdienen heute mehr denn je unsere Solidarität.

Wir alle haben die Verantwortung, uns gegen den fortgesetzten Siedlungsbau zu wenden. Diese de facto-Annexion von Gebieten untergräbt nicht nur die Rechte der Palästinenser in Gebieten wie Hebron und Ostjerusalem, sondern gefährdet, wie auch die Vereinten Nationen zuletzt festgestellt haben, jede Friedenschance.

Wir alle haben die Verantwortung, den Menschen in Gaza, die weiterhin in einer von Menschen verursachten humanitären Katastrophe leben, Hilfe zu leisten. Sie leiden mittlerweile seit einem Jahrzehnt unter einer Blockade, die durch mangelnden politischen Fortschritt verursacht wurde, weil alle beteiligten Parteien unwillig sind, eine Lösung zu finden.

Wir alle haben die Verantwortung, gewaltfreien Widerstand zu fördern, der, wie Papst Franziskus uns erinnert, bereits große Veränderungen auf der ganzen Welt herbeigeführt hat. Dies ist insbesondere angesichts von Ungerechtigkeiten wie dem fortgesetzten Bau der Trennmauer auf palästinensischem Boden (einschließlich des Cremisan-Tals) erforderlich.

Wir alle haben die Verantwortung, uns für eine Zwei-Staaten-Lösung einzusetzen. Der Heilige Stuhl hat dazu betont: "Wenn Israel und Palästina nicht einverstanden sind, Seite an Seite zu leben, versöhnt und souverän in wechselseitig vereinbarten und international anerkannten Grenzen, wird der Frieden ein entfernter Traum und Sicherheit eine Illusion bleiben." Wir alle haben die Verantwortung, der Kirche vor Ort, ihren Hilfswerken, Freiwilligen und NGOs zu helfen. Unter schwierigsten Umständen haben sie große Widerstandsfähigkeit und lebensverändernden Einsatz gezeigt. Unser Glaube an Gott gibt uns Hoffnung. Das Zeugnis der Christen im Heiligen Land, vor allem der jungen Menschen, denen wir begegnet sind, inspiriert uns.

In der Bibel heißt es: "Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus!" (Lev 25,10). In diesem fünfzigsten Jahr der Besatzung müssen wir für die Freiheit aller im Heiligen Land beten und alle Menschen tatkräftig unterstützen, die sich für einen gerechten Frieden einsetzen.

S.E. Mgr. Declan Lang, England und Wales (Vorsitzender der Koordinierungsgruppe zur Unterstützung der Kirche im Heiligen Land)
S.E. Mgr. Ricardo Fontana, Italien
S.E. Mgr. Stephan Ackermann, Deutschland
S.E. Mgr. Peter Burcher, Bischofskonferenz der Nordischen Länder
S.E. Mgr. Oscar Cantu, Vereinigte Staaten
S.E. Mgr. Christopher Chessun, Church of England
S.E. Mgr. Michel Dubost, Frankreich
S.E. Mgr. Lionel Gendron, Kanada
S.E. Mgr. Felix Gmur, Schweiz
S.E. Mgr. Nicholas Hudson, Kommission der Bischofskonferenzen der EU
S.E. Mgr. William Kenney, England und Wales
S.E. Mgr. William Nolan, Schottland

Mit der Unterstützung von:
Mgr. Duarte da Cunha, Rat der Europäischen Bischofskonferenzen
Fr. Peter-John Pearson, Südafrikanische Bischofskonferenz

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Die Deutsche Bischofskonferenz ist ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller Diözesen in Deutschland. Derzeit gehören ihr 66 Mitglieder (Stand: Januar 2017) aus den 27 deutschen Diözesen an. Sie wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben, zu gegenseitiger Beratung, zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen Bischofskonferenzen. Oberstes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und Herbst für mehrere Tage zusammentrifft.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 008 vom 19. Januar 2017
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
Kaiserstraße 161, 53113 Bonn
Postanschrift: Postfach 29 62, 53019 Bonn
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E-Mail: pressestelle@dbk.de
Internet: www.dbk.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2017

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